Erste orthodoxe Rabbinerordination in Frankfurt/M.

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In der prächtigen Westend-Synagoge in Frankfurt am Main sind am Montag (26.9.) drei neue orthodoxe Rabbiner ordiniert worden. Rabbiner Nosson Kaplan arbeitet bereits als Assistenzrabbiner der Jüdischen Gemeinde Osnabrück. Rabbiner Jochanan Guggenheim wird ab Oktober in Leipzig als Assistenzrabbiner zum Einsatz kommen, und Rabbiner Benjamin Kochan ist als Gemeinderabbiner der Jüdischen Gemeinde Erfurt sowie als Landesrabbiner von Thüringen tätig…

An dem Festakt nahmen neben dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster, dem Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, und dem hessischen Ministerpräsident Volker Bouffier auch Rabbiner Azaria Hildesheimer und Professor Meir Hildesheimer, die Nachfahren des Gründers des Rabbinerseminars, sowie zahlreiche prominente Rabbiner aus dem In- und Ausland sowie Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Frankfurt und rund 300 Gäste teil. Musikalisch wurde die Veranstaltung von Yonathan Rose, dem Kantor der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main, und von Rabbiner Joachanan Guggenheim gemeinsam mit den Rabbinern Zsollt Balla und Daniel Fabian umrahmt.

Dr. Schuster bekundete in seiner Rede seinen Respekt vor der Entscheidung der jungen Männer, Rabbiner zu werden. Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland sei stolz, dass schon zum fünften Mal orthodoxe Rabbiner ordiniert würden, die in Deutschland aufgewachsen und ausgebildet worden seien. Dr. Schuster ging auch auf die aktuelle politische Lage ein. „Wenn ich an die vergangenen Monate zurückdenke oder auch wenn ich abends die Nachrichten einschalte, dann scheint es mir oft, als blase ein kalter, heftiger Wind durch Deutschland. Und dieser Wind droht, viele unserer Werte hinwegzufegen.“ Ausgerechnet Parteien wie die AfD hätten Zulauf. „Und nicht wenige in unserer jüdischen Gemeinschaft fragen sich: Wird der Wind noch kälter? Und wird er eines Tages so kalt sein, dass wir keinen Platz mehr in Deutschland haben? Das hat nichts mit Hysterie zu tun. Das hat mit unseren feinen Sensoren zu tun“, ergänzte Dr. Schuster.

Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier sprach von einem „historischen Tag von großer Symbolkraft“. Er knüpfte an die Rede von Dr. Schuster an und betonte, „wir alle müssen diesen kalrten Wind wahrnehmen“. Er wünsche, dass die neuen Rabbiner so angenommen würden, wie es sein solle, als Teil der Gesellschaft.

Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses und der Lauder Foundation, Ronald S. Lauder, hatte kurzfristig seine Teilnahme absagen müssen. Er ließ seine Rede von Rabbiner Joshua Spinner, dem Vizepräsidenten und CEO der Lauder Foundation, verlesen. Darin bezeichnete Herr Lauder die Ordination als „aufregenden und unwahrscheinlichen Moment, in den sich die Erinnerung an die Vergangenheit mischt“. Er appellierte an die neuen Rabbiner, ihr Leben und ihr Amt in Verantwortung zu führen und sicherte ihnen Unterstützung zu.

Als Ehrengast war Rabbiner Aaron Kotler, der Präsident der renommierten internationalen jüdischenTalmudhochschule Beth Medrash Govoha in New Jersey/USA, geladen. In seiner Ansprache ging er darauf ein, dass die Absolventen des Rabbinerseminars die große Rabbinertradition Deutschlands fortsetzten und das jüdische Leben in Deutschland wieder mitaufbauten. Die neuen Rabbiner stünden vor immensen Herausforderungen und Pflichten, doch das würden sie bestehen.

Der Präsident der Konferenz Europäischer Rabbiner, Rabbiner Pinchas Goldschmidt, warnte vor den politischen Entwicklungen in Europa. Das „europäische Experiment“ werde zunehmend in Frage gestellt. Auch in Deutschland gebe es diese Stimmen, die offenbar vergessen hätten, wie das Land vor 70 Jahren ausgesehen habe. Ebenso würden Stimmen gegen Israel lauter, Stimmen, die Israel boykottieren und sanktionieren wollten. Er appellierte daher an die neuen Rabbiner, ihre Stimme für Israel zu erheben, für Wahrheit und Gerechtigkeit.

Für die Jüdische Gemeinde Frankfurt ergriff zunächst Gemeinderabbiner Julian-Chaim Soussan das Wort. Er drückte seine Freude darüber aus, dass die Ordination in Frankfurt stattfand und das Rabbinerseminar so erfolgreich sei.

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, Prof. Dr. Salomon Korn, ging auf die Bedeutung der Ordinationsfeier ein. Sie sei „Ausdruck von wachsender Hoffnung und vorsichtigem Vertrauen in die Weiterentwicklung jüdischen Lebens in Deutschland“. Der ehemalige Vizepräsident des Zentralrats der Juden fügte hinzu: „Die Ordination neuer Rabbiner für jüdische Gemeinden in Deutschland bedeutet auch, dass wir die Zukunft der jüdischen Gemeinschaft auf deutschem Boden nicht weiterhin grundsätzlich in Frage stellen.“

Die Ordinationsanerkennung nahm für die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Rabbiner Avichai Apel vor. Der Rektor des Rabbinerseminars zu Berlin, Dayan Chanoch Ehrentreu, überreichte den Absolventen die Urkunden.

Stellvertretend für die drei neuen Rabbiner sprach Rabbiner Nosson Kaplan Dankesworte. Rabbiner Benjamin Kochan betonte in seinen Schlussworten die besondere Verantwortung eines Rabbiners. „Ich bin überzeugt davon, dass die Verantwortung, die man als Rabbiner auf sich nimmt, einem auch eine gewisse Weisheit verleiht. Es macht ihn auf jeden Fall kreativer und klüger, weil es nicht nur sein Beruf ist, sondern auch seine Berufung“, sagte Rabbiner Kochan.

Das Rabbinerseminar zu Berlin wurde 1873 gegründet und 1938 von den Nazis zwangsweise geschlossen. 2009 wurde es vom Zentralrat der Juden in Deutschland und der Ronald S. Lauder Foundation wieder eröffnet. Seitdem fanden bereits vier Mal orthodoxe Rabbiner-Ordinationen in wechselnden Städten statt. Mit der Ordinationsfeier in Frankfurt setzt das Rabbinerseminar seine erfolgreiche Arbeit fort, deutschsprachige Rabbiner für die jüdischen Gemeinden in Deutschland auszubilden.

Zentralrat der Juden in Deutschland
Bild oben: Feierliche Ordination in Frankfurt: Rabbiner Spinner, Prof. Dr. Salomon Korn, Ministerpräsident Volker Bouffier, Rabbiner Nosson Kaplan, Benjamin Kochan und Jochanan Guggenheim sowie Zentralratspräsident Dr. Josef Schuster. Foto: Jochen Günther