Dombrowski

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Eine Aufklärung über heute noch wirkende Mythen des Nationalsozialismus…

Ernst Dombrowski wird als Holzschneider und Buchillustrator eigener Werke und befreundeter Autoren von vielen geschätzt, von einigen verehrt und bewundert. In Siegsdorf gibt es ein Museum mit wechselnden Austellungen seiner Werke.

Rainer Thiemann deckt in diesem Buch auf, wovon kaum jemand weiß: Dombrowski war nationalsozialistischer Aktivist in der Steiermark und Karrierist im deutschen Reich, im Juli 1944 durch Goebbels „uk“ gestellt als wertvolles „nationales Kapital“.

Rainer Thiemann, Dombrowski: Eine Aufklärung über heute noch wirkende Mythen des Nationalsozialismus, Liliom Verlag 2015, 184 S., Euro 25,00, Bestellen?

LESEPROBE:

Ein persönliches Erlebnis

Im Jahr 2013 traf ich bei einer Wanderung in der Almbachklamm auf eine Gruppe „nationaler Wanderer“. Sie fielen mir durch einen kleinen Fahnenwimpel in den Farben der Reichskriegsflagge auf. An einem Rastplatz wurde ein Transparent mit der Aufschrift Freiheit für Erich Priebke enthüllt. Ein Foto des Ausfluges konnte man später auf den Internetseiten der 2014 verbotenen neonazistischen Vereinigung FREIES NETZ SÜD betrachten.

Neugierig auf die Person Erich Priebke stellte ich fest, dass es sich um einen verurteilten Kriegsverbrecher handelte, der bis zu seinem Tode im Jahre 2013 in einem komfortablen italienischen Hausarrest festgehalten wurde. Einem Gesinnungsfreund gab er eines seiner letzten Interviews, dem er sein Lieblingsgedicht voranstellte:

„Ich bin alt. Ich weiß mancherlei, das ich in meiner Jugend nicht gewusst habe, das versteht sich. Und doch: ich meine, dass der alte Mensch von seinem Alter nur dann etwas hat, wenn er seine Kindheit, seine Frühzeit, ernst nimmt. Wenn er zu all dem steht, stehen kann, was er damals geglaubt, gehofft und geliebt hat. Kann er das nicht, dann wird er erbärmlich arm sein. – Ich kann euch sagen, dass ich sehr reich bin.“

Dieses Lieblingsgedicht Priebkes stammt von Ernst Dombrowski. Bei einem Besuch des Dombrowski-Museums in Siegsdorf im Landkreis Traunstein musste ich feststellen, dass es sich bei dem „Holzschneider“ Ernst Dombrowski tatsächlich um die in rechtsradikalen Kreisen verehrte Person handelt.

Eine Ausstellung seiner Werke 2006 in München durch einschlägige Burschenschaftler mit dem Namen „Kleine Deutsche Kunstausstellung“ in Anlehnung an die nationalsozialistische „Große Deutsche Kunstausstellung“ sowie die Warnung der Bundeszentrale für politische Bildung über die Kulturarbeit rechtsextremer Kreise mit Dombrowskis Werken haben mein weiteres Interesse an seiner Vita geweckt.
Im Dombrowski-Museum in Siegsdorf sind über seinen Aufstieg im Nationalsozialismus nur oberflächliche Angaben vorhanden. Der Fabrikant und Mäzen Willibald Völsing hat mit der Übereignung eines Bestandes von Dombrowski-Arbeiten an die Gemeinde Siegsdorf eines seiner Ziele erreicht: ein mit Steuermitteln errichtetes Museum.

Ein bestimmter Teil seiner Werke wird nicht ausgestellt, und sein Werk wurde mit einer Ausnahme nur von einschlägig vorbelasteten Personen als große Kunst verklärt. Dombrowski war künstlerisch und persönlich eng mit der einschlägigen Österreichischen Landsmannschaft und deren Zeitschrift Eckartbote (heute: „der Eckart“) verbunden, die immer Produkte seines Könnens verwerten konnten.

Die nationalsozialistische Vita Dombrowskis wird verschwiegen und Teile seines „Handwerks“ werden willkürlich ausgenommen. Es ist Zeit, dies offen zu legen. Dieses Buch soll dazu dienen, den Menschen Dombrowski aus der undurchsichtigen und verklausulierten eigenen Lebensbeschreibung zu lösen und mit Fakten die ganze Dimension seines politischen Lebens und seines künstlerischen Schaffens darzustellen. Dombrowski stellte seine Werke bis 1945 dem Nationalsozialismus zur Verfügung und distanzierte sich bis zu seinem Tod nicht von seinem vergangenen politischen Aktivismus. Er nahm nach 1945 an einer Vielzahl rechter Aktivitäten in der österreichischen Republik und der Bundesrepublik teil.

Dem Besucher stellt sich die Frage, warum wesentliche Teile seines Handwerks und seiner Vita verschwiegen werden. Schüler, Kinder, Studenten und Touristen, die die Ausstellung nichtsahnend besuchen, erhalten keinerlei Informationen über seine Rolle im Nationalsozialismus.

Dombrowski stellt nach seiner Karriere im NS-Staat 25 Jahre lang in seiner Wahlgemeinde Siegsdorf in seiner bildnerischen Konzeption vor allem Kinder und Frauen als Engel dar.

Faschistische Kunst stellt kräftige, gesunde, schöne Menschen dar: Männer als siegreiche Heroen, Frauen als liebende Mütter, Kinder als glücklich spielende Wesen. Kranke, behinderte, alte, elende Menschen kommen in dieser Kunst nicht vor. In der Realität wird alles Schwache und Fremde getötet. Im Faschismus nimmt sich die Regierung und Staatsverwaltung das uneingeschränkte Recht, jederzeit jeden Menschen töten zu können, wie es Reichssicherheitsdienst, Gestapo und SS im Nationalsozialismus taten.

Jugendliche, Schüler und Studenten müssen über den Nationalsozialismus informiert werden, gerade weil das Beispiel Dombrowski offenbar die Unbelehrbarkeit, Verschleierung und Verdrängung aufzeigt, mit der nationalsozialistische Eliten in der Bundesrepublik und Österreich ihr zweites, oft erfolgreiches Leben weitergeführt haben.

Am Beispiel Dombrowski sieht man, wie die NSDAP ihre Leute mit Ämtern versah und in hohe Positionen einsetzte. Diese konnten nach 1945 oft in ihren Ämtern bleiben und weitermachen oder sie wurden mit hohen Pensionen für ihren Einsatz im nationalsozialistischen Staatsdienst belohnt. Für seine nicht einmal dreijährige Beamtenzeit im Nationalsozialismus bekam Dombrowski in der Bundesrepublik mit einer fragwürdigen, eigentlich rechtswidrigen Gesetzesauslegung eine satte Pension, die schon Mitte der 50er Jahre das zehnfache eines Durchschnittsarbeiters betrug.

1 Kommentar

  1. Dombrowsky ist nicht der einzige Künstler, der als einschlägiger Unterstützer des NS-Regimes galt und bis in unsere Tage vielfach hoch verehrt wird. Bleiben wir in Bayern.

    Immer noch einer gewissen Beliebtheit erfreuen sich die Werke von Albert Reich (1881-1942) auf bundesdeutschen Kunstmärkten und Auktionen im Internet; erst 2011 wurde die nach ihm benannte Straße in seiner Heimatstadt Neumarkt/Oberpfalz umbenannt, gegen wüste Proteste vor allem von Seiten der Christlichsozialen (CSU).
    haGalil brachte vor einiger Zeit einige Kostproben von Reichs abscheuerregend antisemitischen Werken:
    http://www.hagalil.com/2013/11/zoeberlein/
    Siehe auch:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Reich_(Maler)

    Ein weiterer Fall ist der des in Bayern tätig gewesenen Westfalen Bernhard Bleeker.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_Bleeker
    Der gilt als der Bildhauer des Dritten Reiches, der die meisten Hitlerköpfe (zwei Dutzend) aus Ton geknetet, und dann in Bronze gegossen, hat entstehen lassen.
    Seine weiteren „Kunstwerke“ (verun)zieren bis in die Gegenwart bayerische und deutsche Stadtlandschaften und niemand stört sich ernsthaft dran. https://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_Bleeker#Werke
    Zugleich gilt seine Biografie als geradezu musterhaft erschlossen und selbst unbedeutende Details über seine Verwicklung in den NS sind für die Allgemeinheit zugänglich gemacht worden.

    Aber Bleeker gilt nun mal als ein derart herausragender Künstler (immer noch), dass keiner es wagt, eine längst überfällige Diskussion über ihn vom Zaun zu brechen.
    Schließlich hat doch sogar der Freundeskreis Kronprinz Rupprechts von Bayern Bleeker einst beauftragt für die „Königliche Hoheit“ ein Denkmal zu schaffen: https://de.wikipedia.org/wiki/Kronprinz-Rupprecht-Brunnen
    Man muss hier anmerken – sehr viele Bayern hängen immer noch in geradezu debil-infantiler Manier an ihrer einstigen Monarchie. Sie idealisieren ihr lächerliches Königreich deshalb, weil sie so gut wie nichts darüber wissen. Noch im Jahre 2007 konnte es ein Stümper von einem bayerischen (beamteten) Historiker wagen eine vollkommen unkritische, reine Schmus-Biografie über den Kronprinzen Rupprecht zu veröffentlichen (http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-9685)
    Lediglich dank haGalil wissen wir wie es wirklich um den Rassisten und Menschenschinder Rupprecht von Bayern bestellt ist:
    http://www.hagalil.com/2012/11/rupprecht-von-bayern/

    Es ist die unglaubliche Gedankenlosigkeit, die Gleichgültigkeit und die Naivität vieler Deutscher, hier der Bayern, die einen so beschämenden Umgang mit NS-Künstlern auch noch im 21. Jh. möglich macht. Es ist aber auch ein seltsamer, überholt anmutender Nationalstolz, der besonders in bürgerlichen Kreisen ein endgültiges Loslassen von solcher Kunst verhindert hat. „Es gehört zu unserem Erbe, daher ist es so oder so erhaltenswert“ – wird allzu gern argumentiert.

    Wen der Zufall (oder auch ein anderer Grund) mit den Nachfahren von Bernhard Bleeker bekannt machte, der staunt nicht schlecht wie verklärt der Künstler in seiner Familie noch wird („Mein Ururopa war ein bedeutender Künstler!“), wie wenig vertraut seine nahen Verwandten heute mit dessen Verwicklung und mit dem NS überhaupt sind. Diese Leutchen ärgern sich lieber darüber, dass sie nur einen Teil des ihnen doch „rechtmäßig zustehenden Erbes“ des Künstlers erhalten haben, aber sich der Mühe zu unterzeiehen, dessen Biografie einmal zu studieren, machen sie um keinen Preis.
    Womit sie sich als ähnliche Ignoranten erweisen wie der überwiegende Rest der Deutschen, denen es doch im Prinzip wurscht ist, was mal war…

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