Ein Algorithmus zeigt: Im Königreich Judäa gab es ein Bildungssystem

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Eine interdisziplinären Studie unter Beteiligung von Informatikern und Archäologen hat gezeigt, dass das Alphabetisierungslevel unter den Bewohnern des Königreiches Judäa im Siebten Jahrhundert v.d.Z. viel höher war, als bisher angenommen…

Die Wissenschaftler untersuchten 18 verschiedene Inschriften, die in Tel Arad entdeckt worden waren – damals eine relativ kleine militärische Festung, auf der wahrscheinlich nicht mehr als einige Dutzend Soldaten stationiert waren. Umso überraschter waren die Forscher, als sie herausfanden, dass die Inschriften von mindestens sechs verschiedenen Soldaten verfasst worden waren – ein wesentlich höherer Anteil an der Truppe, als bisher hätte angenommen werden können.

Die Ergebnisse der Studie liefern auch wichtige Erkenntnisse zum bürokratischen System des Königreiches und über die Verbreitung der Alphabetisierung unter den Bürgern, die nicht den höheren Klassen angehörten.

Es handelt sich um eine Studie der Universität Tel Aviv unter Beteiligung des Fachbereichs für Angewandte Mathematik und der Fachbereiche Geschichte des jüdischen Volkes und Archäologie.

In Tel Arad wurde etwa 100 Tontafeln in alter hebräischer Schrift entdeckt, die auf die Zeit kurz vor der Zerstörung des Ersten Tempels datiert werden. Die Wissenschaftler wählten verschiedene Tafeln aus, auf denen die Inschriften noch relativ leicht wiederherzustellen waren, und scannten diese, um die Buchstaben analysieren zu können. Ein eigens erstellter Algorithmus errechnete dann auf Grundlage von Gemeinsamkeiten und Unterschieden im Schriftbild die Wahrscheinlichkeit, dass die Inschriften nicht von derselben Person verfasst worden sind.

Das überraschende Ergebnis: Mindestens sechs verschiedenen Personen hatten die ausgewählten 18 Tontäfelchen mit den Anmerkungen zu Verwaltungsangelegenheiten der Festung beschriftet. Die Archäologen betonen, dass zwar nicht alle von ihnen sich zur selben Zeit dort aufgehalten haben müssten, dass die Tontafeln jedoch aus einem relativ kurzen Zeitraum stammten.

„Wenn sich auf 16 Inschriften in einer kleinen Festung in der Peripherie mit 20-30 Soldaten Zeugnisse für sechs Menschen finden lassen, die schreiben und lesen konnten, dann können daraus Schlüsse auf die Alphabetisierungsrate der ganzen Gesellschaft gezogen werden“, so der Archäologe Professor Israel Finkelstein. „Wäre der Verfasser aus einer aristokratischen Familie, wäre er nicht stellvertretender Magazin-Verwalter geworden“, fügt er hinzu. „Das bedeutet, dass es wohl eine Art von Bewusstsein dafür gab, Schulen, also, dass diese Art von Wissen sich über das gesamte Königreich verbreitet hatte.“ Nicht nur einzelne Schreiber hätten also in Jerusalem gesessen und administrative und religiöse Texte verfasst, so Finkelstein. „Das späte Königreich von Judäa war ein organisierter Staat, allem Anschein nach mit Schulen, Lehrern und einem entwickelten Bildungssystem für Männer aus der Armee und der Verwaltung“, erklärt der Professor.

Haaretz, 14.04.16, Newsletter der Botschaft des Staates Israel, Bild: Universität Tel Aviv und Israelische Antikenbehörde