Wiener Mosaik

0
113

Kurznachrichten aus Österreichs Hauptstadt…

Von Peter Stiegnitz

„Judensager“ untersagt

Kein Ehrenzeichen für den ehemaligen Bürgermeister von Gföhl (Niederösterreich), Karl Simlinger, an dessen antisemitischen Ausspruch Willi Mernyi, Vorsitzender des „Mauthausen Komitees Österreich“, erinnert: „Mir gehen diese Scheiß-Asylanten sowieso am Oarsch, aber schuld sind die Pressefritzen, die gehören aufgehängt, de san wie de Juden.“ Trotz dieses Spruchs wollte die Österreichische Volkspartei (ÖVP) ihrem Ex-Bürgermeister einen Ehrenring verleihen. Da die anderen drei Parteien – Die Sozialdemokraten, die Freiheitlichen und die Grünen – geschlossen die Sitzung verlassen haben, konnte dem Ausländer- und Judenfeind die Auszeichnung nicht zugesprochen werden.

Antisemitismus importiert?

Mit der unübersehbaren Flüchtlingsflut nach Deutschland und Österreich kommen nicht nur Schutzsuchende nach Europa. Genau daran erinnert auch der Chefredakteur von „NU“, Peter Menasse: „… den Asylsuchenden gehört unsere Solidarität, von deren in ihren Ländern eingelerntem Antisemitismus wir uns jedoch fürchten müssen.“ Auf diese Warnung sollten die Juden und ihre offizielle Vertretung in beiden Ländern wohl nicht vergessen.

Oberrabbiner gesucht

Eigentlich vor Jahrzehnten erzählte der damalige Oberrabbiner Akiba Eisenberg dem Autor dieser Zeilen den bekannten Witz aus der Stalinzeit: In „Moskau wurde die Stelle des Oberrabbiners ausgeschrieben. Stalins  Sekretär kam verstört zum Diktatur um ihm zu berichten: Es wird nicht gehen.  Nur Juden haben sich gemeldet …“ Genau an diesen Witz dachte ich, als ich von der Pensionierung von Paul Chaim Eisenberg – der Sohn folgte dem Vater auf dem Stuhl des Oberrabbiners – erfuhr. Höchstwahrscheinlich wird der Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister der Nachfolger des jetzt aus seinem Amt scheidenden Oberrabbiners sein. Trotzdem wird, nach guten österreichischen Gepflogenheiten die Stelle ausgeschrieben. Hofmeister ist jung, Jahrgang 1975 und kam aus Deutschland nach Österreich. Der studierte Sozialwissenschaftler (in München und London) hatte in Israel seine Rabbinerausbildung abgeschlossen. Paul Chaim hätte nichts dagegen, die Familientradition fortsetzen zu können. Deshalb hätte er gerne seinen Sohn David, der einer orthodoxen Gemeinde in Manchester vorsteht, als den nächsten Wiener Oberrabbiner gesehen. Höchstwahrscheinlich wird der Kultusvorstand diesem Wunsch nicht entsprechen.

Jüdisches Filmfestival

Das heurige Jüdische Filmfestival stand unter dem Motto „Exil“. Hier wurde unter anderem auch der Film „Die Porzellangassenbuben“ gezeigt. In der Porzellangasse wohnten einst mehrere jüdische Familien, so auch die des späteren Chefredakteurs der „Jerusalem Post“ Ari Rath und die des Us-Filmproduzenten Eric Pleskow. Beide sind jetzt die Hauptdarsteller des Films. Die Eröffnungsrede hielt die Schriftstellerin Julya Rabinowich. Der eigentliche „Vater“ des Festivals und des gleichfalls alljährlichen Jiddischen Kulturherbstes ist Kurt Rosenkranz, der Gründer des „Jüdischen Instituts für Erwachsenenbildung“ (JIFE), das auch der Veranstalter beider Ereignisse ist.

Die Chronik der Straßen

Emigration, Exil und Vertreibung waren immer schon wesentliche Teile des „jüdischen Schicksals“. Darüber schrieb auch Barbara Honigsmann in ihrer „Chronik meiner Straße“ (Hanser), von einigen Häusern des „Anfangs und des Ankommens“ in Straßburg. Die historisch denkende Schriftstellerin erinnert daran, dass „die Juden schon mit den Römern den Rhein heraufkamen …“ Honigsmann schreibt mit viel Herz auch über ihre Nachbarinnen, darunter auch die aus Ungarn stammende Frau Kertész, „die  verschiedene KZ, darunter Auschwitz, durchlitten hatte.“  Die Ungarn, als einstige Verbündete Hitlers, zeigten keine Reue angesichts der Verschleppung und Ermordung hunderttausender Juden.

Die Straße der Künstler

Bleiben wir noch kurz beim Thema „Straßen“. Bis 1938 war Wien – dank der vielen jüdischen Künstler – eine Hochburg auch des Theaterlebens. So kamen damals ganze jiddische Theatertruppen nach Wien, auch das gefeierte Ensemble der „Wilnauer Truppe“ trat mit viel Erfolg in den „Jüdischen Künstlerspielen“ im Nestroyhof auf. Die Theaterwissenschaftlerin Brigitte Dallinger hat sich viel mit der Geschichte des jüdisch/jiddischen Spiels beschäftigt: „In Wien kam die pointierte, kritische nestroysche Komik mit jiddischen Ausdrücken zusammen. Der feine und bewusste Umgang mit Worten und das Zuspitzen von Sprache liegt n der jüdischen Tradition“. (Wiener Zeitung).

Wenn Jüdinnen boxen

Kurios, aber wahr: In Wien wurde ein Klub der boxenden Jüdinnen unter dem vielsagenden Namen „The Jewish Renaissance Boxing Club“ gegründet. Einige junge Jüdinnen, vor allem aus Osteuropa eingewandert, fühlen sich besonders „feministisch“, was in einer konservativ-orthodoxen Gemeinde alles andere als leicht ist. Für diese jungen Frauen war ihr „Jüdischsein“, da sie sich von der Religion entfernt haben, ein wenig kompliziert. Das gleiche Schicksal – jüdisch sein, ohne inneren Halt – einte sie. So gründeten diese Frauen einen „kulturellen Klub“, was sie darunter auch verstehen, wo sie sich auch sportlich betätigen; sie boxen gerne. Dabei geht es nicht prinzipiell um eine Art der Selbstverteidigung, sondern vielmehr um die Stärkung ihres Selbstbewusstseins, was nach eigenen Angaben auch gelang.