„Wir sind in Bayern tief verwurzelt“

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Mit einem Festakt mit über 450 Gästen aus Politik und Gesellschaft hat die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG) ihr 200-jähriges Bestehen und den 70. Jahrestag ihrer Wiedergründung nach der Befreiung vom Nationalsozialismus gefeiert…

In diesem Rahmen verlieh Präsidentin Dr. h.c. Charlotte Knobloch dem Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer die höchste Auszeichnung der Kultusgemeinde, die Ohel-Jakob-Medaille in Gold.

Mit dieser würdigt die IKG laut Urkunde Seehofers „fortwährendes und glaubwürdiges Engagement für die Verständigung zwischen Juden und Nichtjuden“. Ministerpräsident Horst Seehofer fasste seine Freude in folgende Worte: „Heute blüht jüdisches Leben wieder im Herzen unserer Stadt. Jüdische Kultur und Lebensweise sind unverzichtbarer Teil unseres Landes. Die Verleihung der Ohel-Jakob-Medaille als höchster Auszeichnung der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern erfüllt mich mit Demut und Dankbarkeit.“

Foto: Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern/AndreasGregorDesign
Foto: Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern/AndreasGregorDesign

In ihrer Rede betonte IKG-Präsidentin Dr. h.c. Charlotte Knobloch: „Jüdisches Leben war, ist und bleibt in unserer Heimat, die wir lieben, tief verwurzelt. Das ist die Botschaft, die wir mit unseren Jubiläums-Feierlichkeiten verbinden. Um es mit anderen Worten zu sagen: Mia san auch Mia.“ Sie erinnerte an den „verheerenden Kreislauf von Ansiedelung, Vertreibung, Vernichtung und Neubeginn“, dem die Juden in Bayern über Jahrhunderte immer wieder ausgesetzt waren. Auch heute gebe es „die Schattenseite“, die sich in den letzten Jahren weiter verdunkelt hätte. Dennoch hielten die jüdischen Menschen an dem „bewussten Bekenntnis zu unserer Heimat und unserem Vertrauen in ihre Menschen“ fest.

In jüngerer Zeit werde sie immer öfter gefragt, „ob jüdisches Leben in Deutschland eine Zukunft hat“, erläuterte die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland. „Meine Antwort ist klar und deutlich: Ja, und zwar ein gute, eine sehr gute! Bayern ist die beste und sicherste Heimat für Juden in Europa. […] So richtet sich diese Frage, wenn überhaupt, an die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft. […] Ich wünsche mir, dass das jüdische Leben hierzulande eines Tages wieder selbstverständlich und normal ist – dazu gehört auch, uns diese Frage nicht mehr zu stellen. Sondern stattdessen leidenschaftlich und beherzt selbst die Antwort zu geben: Natürlich muss es in Deutschland ein Judentum geben. Und jeder Einzelne trägt dafür Verantwortung.“ Mit Bezug auf die Bayernhymne appellierte sie an die Gäste: „Lassen Sie uns gemeinsam eine anhaltende Blütezeit erleben – in Demokratie, in Verantwortung und Freiheit – auf dass wir, ‚uns’rer Väter wert, fest bin Eintracht und in Frieden bauen uns’res Glückes Herd!‘“

Die Laudatio auf Horst Seehofer sprach der ehemalige Bayerische Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber, auch er ein Träger der Ohel-Jakob-Medaille in Gold. Horst Seehofer habe sich seit seinem Amtsantritt 2008 als Freund Israels und insbesondere der jüdischen Gemeinde in Bayern erwiesen: „Horst Seehofer muss viele Kompromisse machen in seinem Amt. In seiner Haltung zur deutschen Geschichte und zu den jüdischen Menschen in Bayern und Deutschland ist er absolut kompromisslos.“ Auch Stoiber unterstrich die tiefe Zugehörigkeit der jüdischen Menschen zu Bayern: „Die jüdischen Bürger stehen als fünfter Stamm in Bayern voll in der Mitte unserer Gesellschaft.“ Angesichts der aktuellen Bedrohungen des demokratischen Wertefundaments – „Einzigartigkeit und Würde jedes Menschen, Freiheit, Nächstenliebe und soziale Verantwortung“ – mahnte Stoiber, diese Werte wachsam zu vertreten: „Horst Seehofer macht es mit seiner unmissverständlichen Haltung vor. Er steht für eine tolerante und zugleich wehrhafte Demokratie.“

Diese Position vertrat auch der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter in seinem Grußwort: „München ist und bleibt eine weltoffene Stadt, in der Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus nicht im Ansatz geduldet, sondern mit aller Entschlossenheit bekämpft werden; eine Stadt, die allen Versuchen, antisemitische Stereotype, Klischees und Ressentiments wieder salonfähig zu machen, entschiedenen Widerstand entgegensetzt und alles tut, um ihren jüdischen Bürgerinnen und Bürgern ein sicheres und lebenswertes Zuhause zu bieten.“

Auch der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann, MdL, gratulierte der IKG und ihrer Präsidentin Charlotte Knobloch zum Doppeljubiläum: „Ich wünsche der IKG von ganzem Herzen, dass sie in der Mitte unserer Gesellschaft weiter wächst und München eine geliebte Heimat ist und bleibt. Wir werden alles daran setzen, dass es beim ‚Nie wieder‘ bleibt und Sie hier in Sicherheit und Frieden leben können.“

Kultusminister Dr. Ludwig Spaenle, MdL, sagte anlässlich des doppelten Jubiläums: „Die Jüdische Gemeinde in München stellt eine wichtige Säule im pluralen religiösen Leben in der Landeshauptstadt und darüber hinaus in ganz Oberbayern dar. Ihre Mitglieder haben in besonderer Weise das kulturelle und gesellschaftliche Leben in München mit geprägt und gestalten es mit. Ich bin für den engen Dialog, den ich regelmäßig führen darf, sehr dankbar und empfinde ihn sehr bereichernd.“

Einen besonderen Einblick in die wechselhafte und bewegte Geschichte der Münchner Kultusgemeinde gewährte der Kunsthändler und Galerist Konrad O. Bernheimer. In vierter Generation vertritt er eine der bedeutendsten Kunsthändler-Dynastien Europas, in deren Familiengeschichte sich die dramatischen Entwicklungen der Weltgeschichte in den letzten beiden Jahrhunderten spiegeln.

1 Kommentar

  1. Der so freundlich, nein, der so dämlich grinsende Seehofer und sein Innenminister täten gut daran, sich die „Mitte“-Studie gegenseitig um die Ohren zu hauen und dann endlich etwas zu unternehmen, damit Bayern nicht auf ewig das antisemitischste Bundesland Deutschlands bleibt.

    Zitat Süddeutsche vom 6. April 2015:
    Aber auch die Zustimmung zu antisemitischen Aussagen fällt laut „Mitte“-Studie in keinem anderen Bundesland höher aus als im Freistaat. Jeder achte Befragte (12,6 Prozent) stimmte den drei Aussagen zu: „Auch heute noch ist der Einfluss der Juden zu groß.“ „Die Juden arbeiten mehr als andere Menschen mit üblen Tricks, um das zu erreichen, was sie wollen.“ „Die Juden haben einfach etwas Besonderes und Eigentümliches an sich und passen nicht so recht zu uns.“
    http://www.sueddeutsche.de/bayern/mitte-studie-auslaenderfeindliche-einstellungen-in-bayern-weit-verbreitet-1.2423644

    Schande über Bayern!
    Regelmäßig, seit 2006, lesen wir, dass man nirgends in Deutschland antisemitischer ist als in Bayern. Hier die Meldung von 2008:
    http://www.taz.de/!5172062/

    Und was hat sich seitdem getan?

    Nichts!

    Die Bayern träumen weiter, dass sie die besten Menschen der Welt sind und pflegen ihren Judenhass.

    Es war bekanntlich Bayern, in dem einst der Nationalsozialismus entstand. Die NSDAP, die SA, die HJ, die SS, alles zunächst treubayerische Vereine, ehe sie sich auf das Reich ausdehnten.

    In Bayern steht man auf Tradition, anscheinend auch auf solchen fragwürdigen Traditionen.

    Noch was: Es heißt immer, die Deutschen seien gute Menschen – bis auf die wenigen unverbesserlichen NPDler. Soviele NPDler wie Antisemiten (siehe die Grafik in der SZ) gibt es aber in Bayern gar nicht. Das heißt, sehr viele vermeintlich anständige Bayern stehen gleichfalls auf NPD-Niveau.

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