Der erste der elf FN-Bürgermeister musste wieder vor die Wähler/innen treten – und wurde mit deutlicher Mehrheit wiedergewählt…
Von Bernard Schmid, Paris
Vor nunmehr gut vierzehn Monaten, Anfang April 2014, wählten fünfzehn französische Kommunalparlamente je einen rechtsextremen Bürgermeister. In einem einzigen Fall, in Bollène mit Marie-Claude Bompard, handelte es sich allerdings um eine Bürgermeisterin (inzwischen kam durch Auswechslung des FN-Bürgermeisters in Le Luc eine zwei Frau hinzu).
Zehn von ihnen hatten einen Mitgliedsausweis des Front National (FN), und ein elfter war zwar formal parteilos, doch wurde er auf einer Liste des FN gewählt, nämlich Robert Ménard in Béziers. Vier weitere Rathausoberhäupter gehörten der ebenfalls rechtsextremen Regionalpartei Ligue du Sud an; einer von ihnen, Philippe de Beauregard, Bürgermeister der Kleinstadt Camaret-sur-Aigues, lief allerdings vor den diesjährigen Bezirksparlamentswahlen im März 15 seinerseits zum FN über[1]. Insgesamt umfassen diese fünfzehn Städte und Gemeinden knapp eine halbe Million Einwohner/innen.
Zum ersten Mal musste nun einer der fünfzehn rechtsextremen Bürgermeister erneut vor die Wähler/innen treten, und zwar früher als erwartet. Am 25. Februar 15 hatte der Conseil d’Etat („Staatsrat“), also das oberste französische Gericht im öffentlichen Recht – ungefähr vergleichbar mit dem Bundesverwaltungsgericht in Deutschland -, die Wahl eines der rechtsextremen Stadtoberhäupter annulliert. Es handelte sich um die des heute 33jährigen Krankengymnasten Joris Hébrard zum Bürgermeister von Le Pontet, eines Vororts von Avignon, 17.000 Einwohner/innen. Aufgehoben wurde, genauer gesagt, die ihr zugrunde liegenden Kommunalwahl. (denn die Stimmbevölkerung wählt Kommunalparlamentarier/innen per Listenwahl, und diese wählen dann ihrerseits den Rathauschef oder die Rathauschefin; wobei die jeweils stärkste Liste eine Anzahl zusätzlicher Mandat erhält, um eine stabile Mehrheitsbildung zu ermöglichen).
Anlass für die gerichtliche Aufhebung der ursprünglichen Wahl waren Zweifel über ihre Regelmäßigkeit. Die Kommunalwahl war gerichtlich angefochten worden. Und der Abstand zwischen der siegreichen FN-Liste und der zweitstärksten Liste, jener der konservativen UMP, betrug im März 2014 nur sieben Stimmen, mit 50,06 gegen 49,94 Prozent in der Stichwahl vom 30.03.14. Doch bei 17 Teilnehmer/inne/n an der Wahl schienen ernsthafte Abweichungen zwischen ihrer Unterschrift beim ersten und beim zweiten Durchgang zu bestehen.
Am 31. Mai 2015 musste die Kommunalwahl in Le Pontet nun also wiederholt werden. Der FN-Bürgermeister – er feierte just an jenem Tag seinen 33. Geburtstag – hätte durchaus Gründe haben können, um seine Wiederwahl zu bangen. Denn einige seiner Entscheidungen waren nicht unumstritten. Dies gilt für den Beschluss des FN-dominierten Kommunalparlaments zu Beginn seiner Amtszeit, ihm eine Erhöhung seines Bürgermeistergehalts um +44 % zu gewähren. (Diese Entscheidung wurde nachträglich vom Präfekten – Vertreter des Zentralstaats in den Bezirken, welcher eine Rechtsaufsicht über die Kommunalpolitik durchführt – als Gesetzesverstoß kassiert.) Es gilt ebenso für die Entscheidung, die kostenlose Schulkantinenspeisung für die Kinder ärmerer bzw. einkommensloser Elternhäuser einzustellen: Die Familien müssten an ihre „Verantwortung“ erinnert werden.
Doch es stellte sich heraus, dass der rechtsextreme Bürgermeister letztendlich nichts zu befürchten hatte. Seine Wiederwahl ging bereits im ersten Durchgang glatt durch: Am 31. Mai 15 erhielt die von ihm angeführte FN-Liste 59,43 %, und damit ein um fast zehn Prozentpunkte höheres Stimmergebnis als vierzehn Monate und einen Tag zuvor. Dabei ging die Wahlbeteiligung um rund vier Prozentpunkte zurück, von zuvor 65,03 % auf jetzt (ein Jahr später) 60,85 %[2], ohne jedoch dass man eine solche Beteiligung als außerordentlich niedrig einstufen könnte.
Offensichtlich hat bislang eine Politik des Skandalisierens einzelner, etwa anti-sozialer, Maßnahmen in den FN-geführten Rathäusern bislang nicht gefruchtet. Kritik an ihrer Amtsführung erscheint deren Wohnbevölkerung, in ihrer Mehrheit, anscheinend eher als „unerbetene Einmischung von außen“. Anlässlich der Bezirksparlamentswahlen im März 2015 erwies sich bereits, dass Bewerber/innen des FN in den von ihm regierten Städten und Kommunen oft um rund zehn Prozent höher abschnitten als bei den Kommunalwahlen im März 2014. Dies gilt übrigens auch für Le Pontet. Dort erhielten Joris Hébrard und eine Mitbewerberin vom FN, als Bezirksparlamentskandidat/in (das Wahlgesetz schrieb dazu die gemeinsamen Kandidatur von je einem Mann und einer Frau vor), im Stimmbezirk für die Bezirksparlamentswahl 53,7 Prozent. Doch auf der Ebene der Stadt Le Pontet, die nur einen Teil des Wahlbezirks ausmachte, erhielten sie damals 58,24 %[3]. Dies deutete zumindest darauf hin, dass die soziale Basis des FN in dieser Stadt bis dato nicht abgeschmolzen war.
Hinzu kam noch – als sicherlich ungünstiger Faktor -, dass die kommunale Opposition gegen den FN-Bürgermeister keine einheitliche Liste aufzustellen vermochte. Eine von dem Parteilosen (und Kommunalangestellten) Jean-Firmin Bardisa angeführte „Bürgerliste“, unterstützt durch die örtliche Sozialdemokratie aber auch durch die kurzzeitige konservative Bürgermeisterin (2013/14) Béatrice Lecoq, sammelte 28 % der Stimmen. Eine getrennt von ihr antretende Liste der konservativ-wirtschaftsliberalen Partei UMP (inzwischen frisch umbenannt in ,Les Républicains’) holte unter Catherine Joly 12,57 Prozent.
Am Samstag, den 06. Juni 15 wählte das Kommunalparlament bei einer außerordentlichen Sitzung den FN-Spitzenkandidaten Joris Hébrard erneut zum Bürgermeister[4]. Dieses Mal dürfte es aller Voraussicht nach keine gerichtliche Anfechtung der Wahl geben[5].
[1] Vgl. http://france3-regions.francetvinfo.fr/provence-alpes/2015/03/10/carte-interactive-les-candidats-du-vaucluse-canton-par-canton-668567.html
[2] Vgl. http://www.lanouvellerepublique.fr/France-Monde/Actualite/24-Heures/n/Contenus/Articles/2015/05/31/Vaucluse-le-candidat-du-FN-facilement-elu-des-le-1er-tour-au-Pontet-2348018
[3] Vgl. http://election-departementale.linternaute.com/resultats/le-pontet/ville-84092
[4] Vgl. http://www.lemonde.fr/politique/article/2015/06/06/joris-hebrard-fn-officiellement-reelu-maire-du-pontet_4648973_823448.html
[5] Vgl. https://www.facebook.com/municipaleslepontet2015?fref=nf