Straße an der Hitler-Tribüne soll nach dem Emigranten Stephen S. Mosbacher benannt werden…
Von Jim G. Tobias
Stephen Mosbacher wurde 1923 als Sohn des Nürnberger Frauenarztes Dr. Emil Mosbacher und seiner Frau Anna geboren. Der mit dem urdeutschen Namen Sigmund geborene Junge verlebte eine unbeschwerte Kindheit. Die Mosbachers gehörten zu den gutsituierten und angesehenen Bürgern der Stadt – bis die Nationalsozialisten an die Macht kamen.
Zunächst wurde Vater Emil Mosbacher seine Tätigkeit als Belegarzt in einer Nürnberger Klinik gekündigt. Nur wenig später schloss man ihn aus der Kassenärztlichen Vereinigung aus; somit konnte Dr. Mosbacher nur noch Privatpatienten behandeln. Als ihm letztlich der Entzug seiner Approbation und die Praxiskündigung drohten, flüchtete die Familie in die USA. Nach vielen Anläufen gelang es Dr. Mosbacher, eine Lizenz als Arzt zu bekommen und eine eigene Praxis zu eröffnen, die jedoch die Familie mehr schlecht als recht ernährte. Sohn Stephen absolvierte indessen mit großem Erfolg die Highschool und erhielt ein Universitätsstipendium.
Als die Japaner im Dezember 1941 Pearl Harbor angriffen, meldeten sich Vater und Sohn freiwillig für den Kriegsdienst. Aufgrund seines fortgeschrittenen Alters wurde Dr. Mosbacher nicht angenommen. Stephen machte in der US-Armee jedoch schnell Karriere und diente als Feldwebel in einem Ausbildungslager des militärischen Nachrichtendienstes. Im September 1944 wurde der junge Soldat nach England versetzt, um von dort aus auf den europäischen Kontinent überzusetzen. Dank seiner Sprachkenntnisse war Stephen als Dolmetscher im Fronteinsatz tätig. Auch die Vernehmung von deutschen Kriegsgefangenen gehörte zu seinen Aufgaben. Er hoffte darauf, nach der Niederschlagung des NS-Systems, in Deutschland bleiben zu können, um für die Militärregierung zu arbeiten.
Im April 1945 wurde sein Jeep von einer deutschen Granate getroffen. Stephen Mosbacher fiel im Kampf gegen den Nationalsozialismus. Nun soll eine Straße in seiner Geburtsstadt Nürnberg nach ihm benannt werden. Das fordert jedenfalls Gerhard Jochem, Mitarbeiter des Stadtarchivs und engagierter Kämpfer gegen das Vergessen. „Mosbacher sollte stellvertretend für alle jüdischen Emigranten Nürnbergs, die im Kampf gegen den NS-Terror ihr Leben gaben, geehrt werden.“ In einem Brief an die Nürnberger Stadtverwaltung schlug er auch gleich einen symbolträchtigen Ort vor: Die Straße an der Tribüne des Reichparteitagsgeländes, dort wo Hundertausende Hitler einst bejubelten. In einem Antwortschreiben würdigte Oberbürgermeister Ulrich Maly die Anregung, gab aber zu bedenken, dass „nicht alle vom NS-Regime verfolgten und für die Freiheit und Menschenrechte kämpfenden Personen mit Straßennamen gewürdigt“ werden könnten. Gleichwohl will Maly den Vorschlag von den zuständigen Behörden prüfen lassen.
Zwischenzeitlich ist die Nachricht von Gerhard Jochems Initiative in der amerikanisch-jüdischen Emigranten-Community angekommen. Dort findet die Anregung, eine Straße nach Stephen Mosbacher zu benennen, breite Zustimmung. Dies sei eine schöne Geste, „an die zu erinnern, die dabei geholfen haben, den Nazismus zu besiegen“, schreibt etwa Arnold Friedmann. Und Ernest Lorch meinte, es sei keine Frage den „tapferen Soldaten“ Stephen Mosbacher zu ehren, stellvertretend für alle, „die ihr Leben bei der Niederschlagung des NS-Regimes verloren“. Friedmann musste Nürnberg 1938 verlassen, Lorch 1939.
Übrigens: Die US-Armee hatte schon kurz nach dem Einmarsch in Nürnberg die ehemalige SS-Kaserne unbürokratisch nach einem ihrer gefallenen GIs umbenannt. Joseph F. Merrell wurde am 18. April 1945 beim Kampf um Nürnberg getötet. Zuvor war es dem Soldaten jedoch noch gelungen zwei deutsche MG-Stellungen zu eliminieren.