Der Terror sorgt für Familienkrach bei den Le Pen’s

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Die Vorsitzende des „Front National“, Marine Le Pen, und ihre Nichte, Marion Maréchal-Le Pen, streiten um Haltung zum Islam. FN-Gründer Jean-Marie Le Pen verdächtigt „Geheimdienste“ und den französischen Staat…

Von Danny Leder, Paris

Die Nachwehen der Pariser Terroranschläge haben zu einem offenen Konflikt innerhalb der Führungsspitze des „Front National“ (FN) geführt. Und dieser Zwist, der die FN-Abgeordnetengruppe im EU-Parlament in Mitleidenschaft zieht, dürfte auch ihre Bündnispartner von der österreichischen Freiheitlichen Partei (FPÖ) tangieren.

Marine Le Pen will den Chef der FN-Abgeordneten im EU-Parlament, Aymeric Chauprade, kalt stellen. Chauprade galt ursprünglich als Schlüsselfigur der „Europäischen Allianz für Freiheit“, deren Kern die 23 Parlamentarier der FN und vier Abgeordneten der FPÖ bilden (FPÖ-Politiker Harald Vilimsky ist Chef der EAF, diese ist aber keine regelrechte Parlamentsfraktion, weil ihr die nötige Mindestzahl an Parteien und Mandaten fehlt).

Chauprade war mit den – bisher vergeblichen – Verhandlungen für die Bildung einer regulären Fraktion gleich gesinnter Parteien beauftragt. Gleichzeitig war Chauprade, der sich als Geopolitik-Experte definiert, als Berater für außenpolitische Fragen an der Seite von Marine Le Pen tätig. Wobei Chauprade seinen Hauptwohnsitz in Wien hat, wo ein Teil der Absprachen des FN mit Putin-nahen russischen Kreisen stattfanden.

Chauprade hat den Bannstrahl von Marine Le Pen durch einen Video-Streifen auf „You Tube“ ausgelöst. Darin erklärt er, der Islam sei „eine sehr schwere Gefahr für Frankreich“. Das Umfeld des „islamischen Terrors“ würde sich in Frankreich auf eine Million Menschen belaufen. „Das ist eine fünfte Kolonne, die unter uns lebt und sich jederzeit gegen uns wenden kann“.

Gemaßregelter Chauprade: für Israel, Syrien und den Iran

Im Vorjahr war Chauprade im FN aufgefallen, weil er dafür plädiert hatte, die Partei müsse sich im Nahost-Konflikt komplett auf die Seite Israels schlagen. Für Chauprade ordnet sich dieses pro-israelische Engagement in den Kampf Frankreichs gegen die Islamisten ein.

Wobei er aber auch für die Unterstützung der syrischen und iranischen Regime gegen die sunnitischen Dschihadisten eintritt – eine Strategie, die derjenigen von Putin im arabischen Raum ähnelt.

Chauprades Parteinahme für Israel stieß innerhalb des FN auf Ablehnung von zwei Seiten: von Seiten antisemitischer Kreise rund um den FN-Gründer Jean-Marie Le Pen und auch von Seiten der jüngeren Führungsriege um Marine Le Pen. Diese einstweilen tonangebenden Berater der FN-Vorsitzenden verstehen sich als Fortführer der Politik der tendenziellen Blockfreiheit von General Charles De Gaulle und dessen oftmals pro-arabischen Parteinahmen. Außerdem wollen diese FN-Politiker muslimische Wähler gewinnen.

Als Chauprade seinen jüngsten Video-Streifen über die „fünfte Kolonne des Islams in Frankreich“ per Webportal des FN ausstrahlen wollte, legte sich Marine Le Pen ausdrücklich quer. Begründung: derartige verallgemeinernde Vorwürfe gegen die Muslime seien unangebracht und würden Anzeigen wegen Verhetzung auslösen – diese Anzeigen erfolgten auch inzwischen, unter anderem von Seiten der Bewegung „SOS-Rassismus“.

Marine Le Pen geht es jetzt vor allem darum, sich als vergleichsweise ausgewogene Politikerin mit Anspruch auf das höchste Amt im Staat zu profilieren. Gleichzeitig will sie ihren bisher sehr geringen muslimischen Wähleranteil erhöhen. Mit 25 Prozent der Stimmen bei den EU-Wahlen im Mai 2014 hat der FN das ursprüngliche radikal-nationalistische und heftig anti-muslimische Wählerpotential mehr als ausgeschöpft, sein weiterer Vormarsch hängt von Stimmengewinnen in Milieus ab, die dem FN bisher weitgehend verschlossen blieben. Marine Le Pen hofft die Enttäuschung vieler muslimischer Wähler über Präsident Francois Hollande nutzen zu können: die Hilflosigkeit der sozialistischen Staatsführung angesichts des laufenden Anstiegs der Arbeitslosigkeit in Frankreich und der Einführung der „Ehe für Alle“ (also auch für gleichgeschlechtliche Partner) spielen dabei eine Rolle.

Vater Jean-Marie Le Pen schwelgt in Verschwörungstheorien

Schließlich kämpft Marine Le Pen auch wieder um Oberwasser, nachdem ihre Partei bei den Massen-Protesten nach den Attentaten kaum in Erscheinung treten konnte und keine besonders gute Figur machte: Ihr Vater, der Gründer und „Ehrenpräsident“ des FN, Jean-Marie Le Pen, hatte zu allem Überdruss in einem Interview mit der Moskauer Zeitung „Komsomolskaja Pravda“ erklärt, die Attentate wären vermutlich „das Werk von Geheimdiensten“ (möglicherweise eine Anspielung auf den „Mossad“) im Einverständnis mit den französischen Behörden – also genau jene Verschwörungstheorien, die unter der Vorstadtjugend im Umlauf sind.

Unterdessen stößt aber Marine Le Pen’s Bestreben, Aymeric Chauprade loszuwerden, auf spektakulären Widerstand. Ihre Nichte und Rivalin, Marion Maréchal-Le Pen, hat den Video-Auftritt von Chauprade per Twitter verbreitet. Die 25 jährige Nichte ist die jüngste Parlamentarierin Frankreichs und in der FN der aufsteigende Star – sie erhielt beim jüngsten Parteitag des FN die meisten Stimmen unter allen Mitgliedern des Zentralkomitees. Dadurch wurde diese Wahl für die anderen Angehörigen des ZK, namentlich die Vertrauten von Marine Le Pen, zu einer Demütigung.

Marion Maréchal-Le Pen steht in gewisser Hinsicht eher für das rechtsrechte Fundament des FN, sie geht auch kaum auf Kollisionskurs mit dem Familien- und Parteipatriarchen Jean-Marie Le Pen. Sie ist aber wiederum eher bemüht um einen Brückenschlag zur konservativen Opposition, sie lehnt auch nicht auf so explizite Weise wie ihre Tante die EU, den Euro und „das System“ ab. In Sittenfragen ist sie dafür betont reaktionär: so warf sie Marine Le Pen vor, in ihrem Führungskreis einen Aktivisten der Bewegung für die Gleichstellung der Homosexuellen Einlass gewährt zu haben. Auch dadurch rückte sie in die Nähe von Chauprade. Dieser hatte seine Rivalen im Kreis der Berater von Marine Le Pen seinerzeit bereits als Repräsentanten einer „Homo-Lobby“ attackiert.