„Wir alle sind Hrant Dink“

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Kölner Gedenkaktion anlässlich des 8. Gedenktages der Ermordung von Hrant Dink…

Von Uri D.

Samstag, 17.Januar, Platz vor dem Kölner Dom: Etwa 50 überwiegend junge Leute erinnern in einer Straßeninszenierung an den 8. Todestag der Ermordung Hrant Dinks in Istanbul. In der Mitte liegt ein junger Mann, von einem weißen, mit roter Farbe befleckten Tuch bedeckt. Er symbolisiert den toten Hrant – diesen mutigen türkischen Schriftsteller und Journalisten, Herausgeber der armenischen Tageszeitung Agos, der wegen seines Kampfes für die Aussöhnung und historische Wahrheit vor 8 Jahren ermordet wurde.

„Die Angst begleitet mich täglich“, hatte er fünf Tage vor seiner Ermordung in einem Stern-Interview bemerkt. ((http://www.stern.de/politik/ausland/letztes-interview-mit-hrant-dink-die-angst-begleitet-mich-taeglich-580795.html))

Neben dem mit dem weißen Tuch bedeckten Mann liegen zwei Wackersteine.  Fünf junge Frauen und ein Mann, die mit einem rot-weißen Absperrband miteinander verbunden sind, tragen große, gleichlautende Plakate, mit denen sie den Passanten die Szene erklären:

 „Wir gedenken Hrant Dink“ steht dort. Und, in großen Lettern: „Ich habe den Ungläubigen erschossen“ – die Nachricht des 17-jährigen Mörders, eines türkischen Nationalisten. Ein älterer Mann hebt ein Exemplar der Tageszeitung Agos hoch – Hrant Dinks Zeitung. Sein Lebenswerk. Wegen seines mutigen Erinnerns an den nun 100 Jahre zurückliegenden Völkermord an den Armeniern wurde er ermordet – wie schrecklich viele Andere, die die Pflicht der Erinnerung, der historischen Aufklärung auf sich genommen haben.

Kölner Gedenkaktion anlässlich des 8. Gedenktages der Ermordung von Hrant Dink

Diese Aktion fand zeitgleich in sieben deutschen Städten statt: Außer in Köln noch in Berlin, Hannover, Dortmund, Frankfurt, Nürnberg und München. In ihrer mit „Anerkennung Jetzt“ überschriebenen Presseerklärung betonen die armenischen Aktivisten: „Die Rechtfertigung für die Tat – Hrant Dink setzte sich immer wieder öffentlich für eine Aufarbeitung des Völkermords an den 1,5 Millionen christlichen Armeniern im Jahre 1915 ein. Diesem Völkermord – vom Deutschen Kaiserreich geduldet – fielen neben Armeniern auch Hunderttausende Assyrer/Aramäer und Pontosgriechen zum Opfer.

Bis heute leugnet die türkische Regierung den Völkermord an den Armeniern. Auch in Deutschland betreibt sie diese aktive Leugnungspolitik. Einen Völkermord zu leugnen ist die Fortsetzung dieses Menschheitsverbrechens mit anderen Mitteln.“

Und die Pressesprecherin dieser bundesweiten Gedenkaktion,  Anahid Akkaya, fügt hinzu: „Hrant Dink hat sich für die Aufarbeitung eingesetzt, er war die Stimme der armenischen Minderheit in der Türkei und all der Türken, die vor der Wahrheit nicht mehr die Augen verschlossen haben. Er ist nicht nur für die Anerkennung des Völkermordes eingetreten, er hat auch gegen die Diskriminierung der Armenier und anderer Minderheiten in der heutigen Türkei gekämpft.“

Die Initiatoren betonen:

„Deshalb wurde Hrant Dink auf offener Straße am helllichten Tag erschossen. Er wurde zum jüngsten Opfer eines Genozids, der im Jahre 1915 begann. Die Stimme der Armenier in der Türkei sollte verstummen. Die Hintergründe und besonders die Verstrickung der türkischen Regierung in die Ermordung Dinks sind bis heute nicht aufgedeckt.“

Das Erinnern an die Ermordung Hrant Dinks hat in Köln und in vielen anderen Städten eine lange Tradition: Immer wieder fanden in Köln Gedenkveranstaltungen statt, vor zwei Jahren war Rakel Dink,  Hrant Dinks Witwe,deshalb nach Köln gekommen. ((https://www.hagalil.com/2011/01/13/dink/))

Auch der in Köln lebende deutsch-türkische Menschenrechtler und Schriftsteller Dogan Akhanli ((https://www.hagalil.com/2010/09/29/dogan/)) hat in seinen Romanen, Theaterstücken und Vorträgen immer wieder an den Völkermord an den Armeniern erinnert. Häufig ist er hierbei mit seinem gleichfalls in Köln lebenden armenischen Freund Ilias Uyar, einem Rechtsanwalt, aufgetreten.

Ilias Uyar hebt gegenüber haGalil hervor:

„Diese Hrant-Dink-Aktion ist der Auftakt in einem besonderen Gedenkjahr. Im April 1915, also vor 100 Jahren, begann der Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich. Wir wollen mit vielfältigen Veranstaltungen an den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts in Europa erinnern und fordern die Deutsche Bundesregierung und den Deutschen Bundestag auf, mit der Anerkennung des Völkermordes ein Zeichen gegen die Leugnung zu setzen.“

Redebeitrag von Anahid Akkaya, Köln, 17.1.2015:

In Gedenken an Hrant Dink

Am 19. Januar 2007 wurde der türkische Journalist armenischer Herkunft Hrant Dink um 15:05 Uhr am helllichten Tage in Istanbul ermordet. Hrant Dink war ein großer Verfechter der Minderheitenrechte und der Pressefreiheit.

Der Terroranschlag auf die Redaktion des Satire-Magazins „Charlie Hebdo“ in Paris hat die ganze Welt aufschreien lassen. Tausende haben sich versammelt, um ihrer Trauer und vor allem Solidarität Ausdruck zu verleihen. Sie hielten Schilder hoch mit der Aufschrift „Je suis Charlie“- zu Deutsch „Ich bin Charlie“. Auch damals versammelten sich die Menschen in Istanbul. Sie riefen „Wir alle sind Hrant Dink“.

Am 19. Januar 2007 erschoss um 15:05 Uhr der damals 17-jährige türkische Rechtsextremist Ogün Samast den armenischen Journalisten Hrant Dink auf offener Straße in Istanbul. „Ich habe den Ungläubigen erschossen“, soll Ogün Samast nach der Tat gerufen haben.

Gerade für uns Armenier rüttelt Paris an das Bewusstsein, dass die Pressefreiheit ein Gut ist, das beschützt werden muss. In der Türkei lässt der Schutz zu wünschen übrig. Während Journalist und Herausgeber der Minderheitenzeitung Agos Hrant Dink damals trotz Todesdrohungen keinen Personenschutz erhielt, legitimierte Art. 301 des türkischen Strafgesetzbuches seine strafrechtliche Verfolgung aufgrund angeblicher „Herabwürdigung des Türkentums“. Bis heute steht dieser Paragraph der Pressefreiheit in der Türkei entgegen.

Diese kleine Straßeninszenierung soll die Ermordung Hrant Dinks vor Augen führen.

Hrant Dink träumte von einer demokratischen Türkei und sah in der Aufarbeitung der eigenen Geschichte, dem Völkermord an den christlichen Armeniern, Assyrern/Aramäern und Pontosgriechen im Osmanischen Reich um 1915, einen wichtigen Schritt für die Demokratisierung. Er hat kein Blatt vor dem Mund genommen, war sehr direkt und für die Versöhnung der Türkei und den Armeniern. 2015 – das heißt 100 Jahre nach Beginn des Völkermords – werden die Minderheiten in der Türkei immer noch als Menschen zweiter Klasse betrachtet. „Hinter den einzelnen Problemen steht eine Geisteshaltung, nach der die Armenier nicht Staatsbürger sondern „Fremde“, „die Anderen“, die Fünfte Kolonne des Auslandes und ein Sicherheitsrisiko sind.“, schrieb er einmal. Hrant Dink war offen für Dialoge und suchte nicht den Streit um die politische Anerkennung des Völkermords 1915, doch letztendlich wurde er das jüngste Opfer des Völkermords. Die Leugnung eines Völkermords und die Straflosigkeit der Täter stellt einen Nährboden für weiterhin stattfindende ethnische Säuberungen dar! Die derzeitige Lage im Irak und in Syrien ist nur ein Beispiel von vielen.

In der Türkei sind Minderheitenstiftungen immer noch von Enteignungen durch den türkischen Staat betroffen. Assyrer dürfen ihre Sprache nicht lehren, Direktoren armenischer Schulen stehen unter Generalverdacht. Auch das war ein Thema, mit dem Dink sich in seinen Artikeln auseinandergesetzt hat, für das er sich aber auch privat engagiert hat.

Diese Aktion findet gerade bundesweit in 7 verschiedenen Städten statt.  Sie ist der Auftakt des Gedenkjahres 2015. Wir bitten Sie, sich einen Flyer zur Hand zu nehmen, um mehr über Hrant Dink und dem Genozid zu erfahren.

„Vergiss nicht und lass nicht vergessen, auf dass es nicht wieder geschieht.“

Wie seit 8 Jahren sagen wir heute wieder: „Wir alle sind Hrant Dink!“

Weiterführende Links:
http://www.anerkennung-jetzt.de/hrant-dink
Taner Akcam https://www.hagalil.com/2013/01/16/hrant/
Dogan Akhanli: Wir brauchen einen transnationalen Gedächtnisraum

[youtube]http://youtu.be/YBDdBHOcjvI[/youtube]

2 Kommentare

  1. Danke für das Erinnern, Uri D.

    Der Genozid am armenischen Volk jährt sich zum 100. Mal. Unter dem Populisten und Israelhasser Erdogan ist die Türkei weiter denn je davon entfernt, endlich den Mut aufzubringen und sich der Verantwortung für den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts zu stellen.

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