Der deutsch-jüdische Emigrant setzte sich für Versöhnung und Menschlichkeit ein – Rund zwanzig Jahre hielt der Zeitzeuge Vorträge an deutschen Schulen…
Wenige Monate vor seinem 89. Geburtstag verstarb nach schwerer Krankheit am 8. Januar 2015 mein Freund Hans Rosenfeld. Die traurige Nachricht von seinem Tode erreicht mich erst heute, da ich mich zurzeit in Australien aufhalte. Hans wurde 1926 als Sohn einer angesehenen jüdischen Fabrikantenfamilie in der mittelfränkischen Kleinstadt Schopfloch geboren. Nachdem die Ausgrenzung durch die Nationalsozialisten immer mehr zunahm, floh die Familie Rosenfeld 1937 nach Argentinien.
Obwohl der elfjährige Hans anfänglich kein Wort Spanisch sprach, absolvierte er erfolgreich die Elementarschule und das Gymnasium. Im Anschluss studierte er Jura und Wirtschaftswissenschaften. Aus politischen Gründen verließ Hans Rosenfeld in den 1950er Jahren den südamerikanischen Staat und übersiedelte nach New York. Nach wenigen Jahren erhielt der deutsch-jüdische Emigrant die US-Staatsbürgerschaft.
Er war in leitender Position in der Industrie tätig und führte später, bis zu seiner Pensionierung, eine Reiseagentur.
Hans Rosenfeld in Nürnberg, Foto: © jgt-archiv
Auch wenn Hans Rosenfeld es jahrzehntelang vermieden hatte, Deutsch zu sprechen und es für ihn unvorstellbar war, jemals wieder deutschen Boden zu betreten, änderte er aufgrund eines persönlichen Gesprächs mit einem deutschen Schiffskapitän seine ablehnende Haltung gegenüber seinem Geburtsland. Ab Mitte der 1990er Jahre engagierte Hans sich für Versöhnung und Toleranz. Zweimal im Jahr reiste er für einige Wochen – auf eigene Kosten – nach Deutschland und berichtete an zahlreichen fränkischen Schulen über seine Erlebnisse während des Nationalsozialismus. Trotz großer gesundheitlicher Probleme war er noch im Oktober 2014 für über einen Monat in Deutschland, um seine Mission – wie Hans seine Vorträge nannte – zu erfüllen.
Gleichzeitig setzte er sich für die Vermittlung der regionalen jüdischen Geschichte ein. Die Dokumentation der zerstörten Bechhofer Scheunensynagoge sowie die des alten jüdischen Friedhofs in seiner Geburtsstadt Schopfloch lagen ihm dabei besonders am Herzen. Zudem versuchte er als einer der letzten „Muttersprachler“ die vom Aussterben bedrohte lachoudische Sprache am Leben zu erhalten.
Für sein selbstloses Engagement erhielt Hans Rosenfeld 2005 den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. Der unermüdliche Versöhner hat authentisch zur Aufklärung und Aufarbeitung des dunkelsten Kapitels der deutschen Geschichte beigetragen. Mit Hans Rosenfeld haben wir einen außergewöhnlichen Menschen verloren, der sich von Empathie leiten ließ und beharrlich gegen die Unmenschlichkeit kämpfte.
Lieber Hans, du wirst uns fehlen!
Jim G. Tobias
Callala Bay (NSW), 18. Januar 2015