Asynchron – Dokumentar- und Experimentalfilme zum Holocaust

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Aus der Sammlung des Arsenal – Institut für Film und Videokunst – Filmreihe zum Projektauftakt, 27. Januar bis 4. Februar 2015…

Das Jahr 2015 steht im Zeichen des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Aus diesem Anlass hat das Arsenal unter dem Titel „Asynchron. Dokumentar- und Experimentalfilme zum Holocaust“ eine Auswahl von rund 50 Filmen aus seiner Sammlung zusammengestellt, die sich mit dem Holocaust, aber auch mit Themen wie Exil und Zwangsarbeit in der Zeit des Nationalsozialismus auseinandersetzen.

Diese Filme werden bundesweit Kinos, Kultur- und Bildungsinstitutionen für eigene Programme sowie Schulvorführungen angeboten. Mit Unterstützung der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin werden zehn Filme des Projekts digital verfügbar gemacht, um sie auch für kommende Generationen zu erhalten.

Zum Projektauftakt präsentiert das Arsenal vom 27. Januar bis 4. Februar ein Programm mit einer Auswahl von zehn Filmen. Wir freuen uns, zahlreiche internationale Gäste im Kino Arsenal begrüßen zu dürfen.

Programm:

Di, 27.1., 19.30h
Eröffnung der Filmreihe, zu Gast: Erika und Ulrich Gregor, Gertrud Koch (FU Berlin)
DIE FEUERPROBE – NOVEMBERPOGROM 1938 Erwin Leiser BRD/CH 1988 82′

Der Film verbindet seltene historische Aufnahmen des Novemberpogroms von 1938 mit Schilderungen von Zeitzeugen und schafft so einen eindringlichen Dokumentarfilm, der diese frühe Eskalation der antisemitischen Gewalt nicht nur beschreibt, sondern auch die Bedeutung der Pogromnacht als Wendepunkt der Judenverfolgung herausstellt, indem er die Geschehnisse einbettet in ihren historischen Kontext. Indem Leiser die Geschehnisse des 9. Novembers 1938 in ihren historischen Kontext einbettet, stellt er ihre Bedeutung als Wendepunkt der Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten heraus. Leiser (*1923) selbst überlebte das Pogrom versteckt auf einem Dachboden in Berlin. Seine jüdischen Mitschüler und Lehrer wurden verhaftet und deportiert. Er und seine Eltern konnten kurz darauf nach Schweden flüchten. In den folgenden Jahrzehnten schuf er zahlreiche Dokumentationen und Reportagen über die Zeit des Nationalsozialismus.

Mi, 28.1., 19h
zu Gast: Paul Rosdy
DER LETZTE JUDE VON DROHOBYTSCH Paul Rosdy AT 2011 94’

Alfred Schreyer erzählt die Geschichte seiner Familie – über ein Jahrhundert voller Tragik und Lebensmut. Der 90-jährige überlebte als einziger aus seiner Familie den Holocaust und kehrte 1945 in seine Heimatstadt zurück. Viele Jahre war er Sänger und Violinist im örtlichen Kinofoyer-Orchester. Das einzige Lied, das er je selbst komponierte, heißt Bronitza Wald. Hier wurden über 11.000 Juden erschossen, unter ihnen Schreyers Mutter.

Do, 29.1., 19.30h
zu Gast: Magdalena Hutter, Zuzana Justman und Helga Pollak-Kinsky
DACHBODENSTIMMEN Anna Brass, Magdalena Hutter D 2010 18‘
VOICES OF THE CHILDREN Zuzana Justman USA 1998 80’

Über 15.000 jüdische Kinder wurden zwischen 1941 und 1945 ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Zuzana Justman war selbst eines von ihnen. In VOICES OF THE CHILDREN erzählt sie, gestützt auf Tagebucheinträge und Zeichnungen, die Geschichte dreier Überlebender. Der Film begleitet ihr Leben und das ihrer Familien bis in die Gegenwart. DACHBODENSTIMMEN porträtiert Vera Bondy, deren Schwester die Herausgeberin der in Theresienstadt entstandenen Kinderzeitschrift „Hlas Pudy“ war. Im Anschluss an die Vorführungen und das Filmgespräch liest Helga Pollak-Kinsky aus ihrem Buch „Mein Theresienstädter Tagebuch 1943-1944“.

Sa, 31.1., 18h
DARK LULLABIES Irene Lilienheim Angelico, Abbey Jack Neidik CA 1985 81’

Einer der ersten Filme, der sich mit den Auswirkungen des Holocaust auf die Nachfolgegeneration auseinandersetzt. Die Filmemacherin, deren jüdische Eltern das Ghetto von Vilnius überlebten, befragt in Kanada und Israel andere Kindern von Überlebenden. Welchen Einfluss hat die Verfolgungsgeschichte der Eltern auf das eigene Leben? In Deutschland begegnet sie Kindern von Tätern, die von der Entdeckung der Verbrechen ihrer Eltern berichten und davon, wie sie mit deren Schuld umgehen.

Sa, 31.1., 20h
mit anschließender Podiumsdiskussion zum Thema 2. Generation mit Angelika Levi, Irene Lilienheim
Angelico und Abbey Jack Neidik. Moderation: Knut Elstermann
MEIN LEBEN TEIL 2 Angelika Levi D 2003 93’

Der Film geht vom Archiv der Mutter der Filmemacherin aus, deren Eltern sich nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten trennten. Sie überlebte den Krieg mit ihrer nicht-jüdischen Mutter in Hamburg, der jüdische Vater emigrierte nach Chile. Anhand von Gegenständen, Fotos, Ton- und Filmaufnahmen erzählt Levi, worüber in der Familie gesprochen wurde und worüber nicht: „Der Film handelt von Traumatisierung und gleichzeitig davon, wie auf Makro- und Mikroebenen permanent Geschichte produziert, archiviert, in einen Diskurs gebracht und eingeordnet wird.“

So, 1.2., 11h
Einführung durch Josef Lederle (FILMDIENST) zum 30. Jubiläum des Caligari-Filmpreises
SHOAH Claude Lanzmann F 1974-1985 568’

Die filmische Auseinandersetzung mit dem Holocaust ist immer auch eine mit der Darstellbarkeit des nicht Darstellbaren. Zu dieser Diskussion hat Lanzmann mit SHOAH einen bis heute radikalen und formal strengen, herausragenden Beitrag geleistet. Er spricht mit Zeugen des Massenmordes in den Vernichtungslagern und Überlebenden des Warschauer Ghettos, mit Tätern, Zuschauern und jüdischen Überlebenden der Sonderkommandos. Den Interviews stellt er aktuelle Aufnahmen der Schauplätze der Verbrechen gegenüber. SHOAH wurde 1986 als erster Film mit dem Caligari-Filmpreis ausgezeichnet.

Mo, 2.2., 19.30h
Einführung: Nanna Heidenreich
WE WERE SO BELOVED Wir waren so beliebt Manfred Kirchheimer USA 1981–85 145‘

New York, Washington Heights: Von Amerikanern als das ‚Vierte Reich‘ oder später als ‚Frankfurt on the Hudson‘ bezeichnet, schlossen sich hier über 20.000 Juden, die vor den Nationalsozialisten geflohen waren, zu einer deutsch-jüdischen Enklave zusammen. In seinem Film fragt Kirchheimer seinen Vater und Freunde der Familie nach ihren Lebensgeschichten. Sie erzählen sehr offen von Verlust, Angst, den Schwierigkeiten eines Neuanfangs im Exil und ihrem heutigen Leben in New York.

Di, 3.2., 20h
zu Gast: Tsipi Reibenbach. Moderation: Ulrich Gregor
HABEHIRA VEHAGORAL Wahl und Schicksal Tsipi Reibenbach IL 1993 118’

„Warum hast du Dich von Lager zu Lager schleppen lassen? Warum hast Du nichts getan?“ Reibenbach will lernen, ihre Eltern, beide Holocaustüberlebende, zu verstehen. Während sie deren ritualisierten Alltag in einem Wohnblock in Israel beobachtet, erzählt der Vater vom Leben in den Ghettos und den Todeslagern. Die Mutter spricht zunächst nicht. Sie schweigt, kocht und putzt. Doch ihre Unruhe und Angespanntheit dominieren die Atmosphäre.

Mi, 4.2., 20h
D’EST Aus dem Osten Chantal Akerman F/BE 1993 115’

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs reist Chantal Akerman vom Osten Deutschlands nach Moskau. Eine Reise ins geographisch und auch historisch Unbekannte. Auf der Suche nach Bildern des „fremden“ Ostens und den Spuren ihrer jüdischen Mutter, die in Polen geboren wurde und als junge Frau Auschwitz überlebte, findet sie scheinbar zufällig Momente, die sich mit dem kollektiven Bildgedächtnis kurzschließen.

Weitere Informationen:
http://www.arsenal-berlin.de/