Die Lösung liegt direkt vor unseren Augen

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Es fällt schwer, sich daran zu erinnern, wann und unter welchen Umständen das Bauchgefühl im gesamten Land das letzte Mal eine so große Rolle gespielt hat wie es diese jetzt infolge der Entführung und der Ermordung von Gilad Shaar, Eyal Yifrah und Naftali Frenkel spielt. Die Situation ruft das Trauma hervor, das Israel erlitt, als im Golfkrieg 1991 Raketen auf Tel Aviv gefeuert wurden und dadurch gezeigt wurde, wie verletzlich unsere Zivilbevölkerung sein kann und auf welches Messer Schneide wir und unsere Kinder stehen…

Kommentar von Yoel Marcus, Haaretz, 04.07.2014
Übersetzung: Daniela Marcus

Drei Tote sind in Israel keine Seltenheit. Nahezu jeden Tag kommen so viele Menschen auf unseren Straßen um. Doch ein Unfall ist eine Sache. Und die „Märtyrer“ in den Palästinensergebieten sind eine ganz andere Sache. Jedem wird auf seine Weise gedacht.

Wir leben in einem Land, in dem an einem Freitagabend zwei Palästinenser in das Haus der Familie Fogel in Itamar eingebrochen sind und durch Stiche mit einem Messer, das eine 40 cm lange Klinge hatte, die Eltern und drei ihrer Kinder −eines davon ein Baby− ermordet haben. Auch damals gab es Fehler im System. Auch damals verurteilte der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas den Anschlag. Beide Mörder –Männer aus dem Nachbardorf− wurden verhaftet und jeder zu einer Freiheitsstrafe von 130 Jahren verurteilt. Es ist gut, dass diese beiden nicht unter den Gefangenen waren, die im Austausch für Gilad Shalit freigelassen wurden.

Im Gegensatz zu denjenigen, die mit den Aktionen ihrer Söhne prahlen und mit deren „Märtyrer“-Fotos die Wohnzimmer dekorieren, sind wir nicht stolz auf unsere Extremisten, weder auf die „Preisschild“-Vandalen, noch auf die „defensiven“ Tötungen, die nicht zwischen Kämpfern und Kindern unterscheiden.

Wie gesagt sind drei Tote in Israel nichts Außergewöhnliches. Und doch riefen diese drei Toten ein großes Echo hervor. Warum? Weil die Familien etwas anderes ausstrahlten als das, was wir gewohnt sind. Sie schienen nicht der Hügeljugend zu entstammen sondern dem religiösen Zionismus der Nationalen Religiösen Partei. Die israelische Öffentlichkeit zeigte Mitgefühl, insbesondere als sie das Lächeln der drei Teenager auf den Fotos sahen. Etwas an dem Verhalten der Eltern berührte unsere Herzen tief. Die Eltern riefen nicht nach Rache, sie führten keine gewalttätigen Demonstrationen an. Sie weinten leise und in ihren vier Wänden, auch als sie die Stimme des Sohnes hörten, der während seines aufgezeichneten Notrufes ins Telefon flüstere: „Ich wurde entführt“.

Im Rückblick ist es fraglich, ob eine sofortige Reaktion der Polizei etwas geändert hätte. Den Geräuschen der Aufzeichnung nach zu urteilen, scheint es, dass die drei Teenager sofort nach dem Anruf bei der Polizei ermordet wurden. Es ist nicht klar, ob die Teenager als Verhandlungs-Druckmittel entführt wurden. Doch es ist klar, dass die Entführer in Panik gerieten und nicht ihrem „Plan“ –wenn es denn einen gab− folgten.

Die „Vorgehensthese“, nach der die Teenager noch am Leben seien, hatte keine Chance. Von den häufigen Treffen des Kabinetts drang nur wenig nach draußen. Je größer das dortige Schweigen, desto unerträglicher wurde das Geschwätz und die Kommentare in den elektronischen Medien. Um ein Zitat von Churchill zu umschreiben: Nie zuvor wussten so viele so wenig über das, was tatsächlich vor sich ging.

Was durchsickerte waren unter anderem vorgeschlagene Vergeltungsoperationen, angefangen von der Wiederbesetzung des Gazastreifens bis hin zur Vernichtung desselben durch Luftangriffe. Verteidigungsminister Moshe Yaalon, der vorschlug, eine neue Siedlung in einem „erlaubten Bereich“ im Andenken an die drei Opfer zu gründen, verhielt sich erstaunlich zurückhaltend und sagte, wir müssten mit unserem Kopf und nicht mit unserem Bauch denken. An seiner Stelle würde ich diese Aussage dem Kabinett zur Abstimmung vorlegen.

Die Öffentlichkeit wartete nicht auf Anweisungen. Sie strömte hinaus auf die Plätze der Städte, sang traurige Lieder und zündete Kerzen zum Gedenken an die drei Teenager an. Zehntausende kamen zur Beerdigung. Unsere Extremisten kamen aus ihren Löchern. Und in Jerusalem wurde ein arabischer Teenager ermordet – ein Mord, der zu einer Zündschnur wurde, die gewalttätige Ausschreitungen auslöste und die Vermutung laut werden ließ, die Täter kämen aus der „Preisschild“-Szene.

Was wurde aus den Wahlkampf-Versprechen der Politiker, Frieden und Sicherheit zu bringen? Der Satz „Wir haben keinen Partner für Friedensgespräche“ ist die falsche Entschuldigung für den Premierminister, der Angst vor seinem eigenen Schatten hat und mit dem Bauch anstatt mit dem Kopf denkt, wenn es erforderlich ist, nach einem Friedensabkommen mit den Palästinensern zu suchen.

Mahmoud Abbas ist nicht Yassir Arafat, der keinen Frieden wollte. Abbas ist ein Führer, der offen sagt, dass er ein Abkommen mit Israel will. Ein Führer, der fähig ist, während eines Treffens mit arabischen Außenministern die Entführung von Israelis durch Palästinenser zu verurteilen, ist ein wahrhafter Mann. Hört auf zu sagen, es sei niemand da, mit dem man reden könne. Die Lösung liegt direkt vor unseren Augen.

13 Kommentare

  1. „Abbas ist ein Führer, der offen sagt, dass er ein Abkommen mit Israel will.“

    Abbas ist ein Führer, der gegenüber den arabischen „Freunden“ offen sagt, dass er letztlich die Vernichtung Israels will. Warum sonst gibt es eine Versöhnung mir der Hamas, als Beispiel.

    Abkommen mit Israel: dem stehen seine Taten in der UN im Widerspruch, was aber hier schon ausgeführt worden ist.

    Kyniker

  2. “ …Mahmoud Abbas ist nicht Yassir Arafat, der keinen Frieden wollte. …“

    slicha, lieber Yoel Marcus – Abu Mazen ist eine „schmutzige“ Kopie – DER einstige „Terrorkumpel“ Arafats – verstetigt seit dem Ende der „Un(E)Ära(e)“ Arafats unvermindert Terror- und bewaffneter Kampf-„Politik“ – hält diese unsäglich blutige eben NICHT-„Lösung“ am Laufen – Arafat war Top- /Erzterrorist a la Ekel – Abu Mazen verfolgt natürlich „selbstverständlich“ ganz genau die gleichen Ziele – zwischendurch ab und an Pall(ar)aber-Gelaber – wieder und immer wieder in fordernden Drohungen verpackte Delegitimierungskampagnen GEGEN Israel 🙁

    …eben die ewig Vorvorgestrigen …

  3. Lieber Herr Pfeiffer,

    Ihre letzte rhetorische Frage lässt sich leider leicht beantworten. Es gibt in diesem Land eine absolut überwiegende(!) Zahl an Journalisten, die begierig Material für ihre antiisraelischen Ressentiments suchen. Ohne Skrupel wird alles verwertet, was diese Haltung in irgendeiner Form zu „legitimieren“ scheint. Sie nennen es „Israelkritik“, „kritische Berichterstattung“ und was noch alles, doch je tiefer man diese Argumente aufbohrt umso deutlicher wird, dass die Grundlage nackter verdrängter Antisemitismus ist.

    Etwas, was diese Gruppe empört von sich weist, wovon sie sich per se freispricht. Wütend verweisen sie auf die Antisemitismuskeule, man hat doch schließlich überzeugend und nachhaltig die Verbrechen des Dritten Reiches verdammt. Sie sind doch bloß human und auf der Seite der „Schwachen“, sie sind die Guten, die sich das legitime Recht herausnehmen, Israel einen Spiegel vorhalten zu dürfen, auf dass es seine Fratze erkenne. Sie meinen es doch nur gut und wollen einfach nur endlich mal was sagen dürfen ohne sich diesen nervtötenden Antisemitismus-Vorwurf anhören zu müssen.

    Ich lese jeden Tag ein Zeitung namens Kölner Stadtanzeiger, DuMont-Verlag, der wiederum zu 25% am Haaretz-Verlag beteiligt ist. Dieser Kölner Verlag ist fast schon spezialisiert auf tagtägliche Delegitimierung von Israel. Es gibt kaum einen Artikel, der nicht das Negative und Abgründige dieses Landes hervorhebt. Qualitätsjournalismus à la Inge Günther ist bestimmend.

    Das ist die deprimierende Realität in Köln, beim WDR, bei ZON, SPON, Spiegel, SZ und vielen anderen medialen Multiplikatoren.

    • „Etwas, was diese Gruppe empört von sich weist, wovon sie sich per se freispricht. Wütend verweisen sie auf die Antisemitismuskeule, man hat doch schließlich überzeugend und nachhaltig die Verbrechen des Dritten Reiches verdammt. Sie sind doch bloß human und auf der Seite der „Schwachen“, sie sind die Guten, die sich das legitime Recht herausnehmen, Israel einen Spiegel vorhalten zu dürfen, auf dass es seine Fratze erkenne. Sie meinen es doch nur gut und wollen einfach nur endlich mal was sagen dürfen ohne sich diesen nervtötenden Antisemitismus-Vorwurf anhören zu müssen2
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      Und was soll denn daran Neu sein?

    • Hallo nussknacker56,
      dem kann ich nur eine Zitat von H.Broder, Der Ewige Antisemit, S. 12, hinzufügen:

      „Die Antisemiten, die keine sein wollen, denken, es genüge, sich von Auschwitz zu distanzieren, die
      Massenvernichtung der Juden zu verurteilen, um über jeden Verdacht erhaben zu sein. Sie übersehen
      dabei, oder wollen es nicht wahrhaben, daß Auschwitz in der Geschichte des Antisemitismus ein
      atypischer Exzeß war, der nicht als Maßstab genommen werden, daß also einer gegen Auschwitz und
      dennoch Antisemit sein kann, mehr noch, daß die Verurteilung des NS-Antisemitismus eine
      notwendige Voraussetzung für die Entfaltung eines »sauberen« Antisemitismus ist, der sich von
      Auschwitz und den Nazis nicht von vornherein diskreditieren möchte.“

      In der Schweiz, wo ich z.Z. lebe, ist die bittere Realität bezüglich Journalismus die Gleiche, wie Sie sie schildern. Unter den Parteien sind hier die Grünen „Spitzenreiter“, rein subjektiv von mir betrachtet…
      Andererseits gibt es hier lebendige, jüdische Gemeinden aller Richtungen. Das ist aber, wie Sie auch schon geschrieben haben, kein Widerspruch.

      Kyniker

  4. Gestern hat die Polizei im Norden Israels bekanntgemacht, dass der arabische Taxifahrer Yousef Hussein Halifa gestanden hat das 20jährige israelische Mädchen Scheli Dadod aus der nordisraelischen Stadt Afula vor einem Monat ermordet zu haben. Der Täter hat gestern gestanden. Dadon hat das Taxi genommen, um sich für eine Arbeit vorzustellen und sie wird als besonders liebenswürdig beschrieben. Sie wurde angegriffen und mit 17 Messerstichen ermordet.

    Viele internationale Medien zeigen nun ganz Israel sehr sehr kritisch, wegen des Mordes an einem arabischen Jugendlichen. BBC zum Beispiel hat Sonderberichterstatter aus Istanbul und aus Paris einfliegen lassen, um noch die dort befindlichen zu bestärken. Und auf der Homepage von CNN konnte man fünf israelkritische Geschichten finden. Über die Verhaftung der Mörder von Scheli Dadon habe ich bisland keine Nachricht in den internationalen Medien gefunden. Warum wohl?

  5. Sechs mutmaßliche jüdische Täter, die den arabischen Jugendlichen Muhammed Abu Khdeir ermordet haben sollen, wurden von der israelischen Polizei verhaftet. Nur einer stammt aus einer Siedlung, die anderen nicht.
    Sie werden vor ein israelisches Gericht kommen und wenn schuldig zu langen Haftstrafen verurteilt.
    Man kann nur hoffen, dass in ein paar Jahren die EU und die USA nicht ihre frühzeitige Entlassung durch Israel fordern werden, wie sie das im Falle von Judenmördern getan haben.
    Eines ist sicher, der jüdische Staat wird ihnen keine hohen Gehälter zahlen, wie das die PA tut und Israels PräsidentIn wird die Täter, sollten sie ihre Strafe verbüßt haben, nicht wie Helden umarmen.

    • „Man kann nur hoffen, dass in ein paar Jahren die EU und die USA nicht ihre frühzeitige Entlassung durch Israel fordern werden…“

      Lieber Herr Pfeifer, Sie belieben zu scherzen 😉

  6. M. Abbas möchte weiter Milliarden Dollar und Euro erhalten. Deswegen versucht er einen gefährlichen Akt auf einem sehr dünnen Strick. Einerseits erklärte er auf Arabisch, dass er gegen die Entführung sei, andererseits läßt er auf seinem Facebook eine Karikatur zu, welche die drei Entführten als Ratten mit Davidstern zeigte.
    Unglücklicherweise gibt es ein paar Hundert Juden, die von der selben Mentalität beherrscht sind, wie diejenigen, welche die drei Ermordeten entführten.
    Clemens Heni hat darüber einen ausgezeichneten Artikel publiziert:

    http://clemensheni.net/2014/07/03/anti-arabischer-rassismus-und-antisemitismus/

  7. So gerne ich Marcus zustimmen würde, befürchte ich eine andere Lage.

    Meiner Meinung nach:

    Die Tür ist zu.

    Solange Tausende von jungen radikalisierten Muslimen auf die wahrscheinlich- in ihren Augen- Nebenkriegsschauplätze stürmen, solange Katar und Saudi-Arabien ihre Milliarden nutzen, um durch die Destabilisierung der Region ihre archaische Herrschaftsform zu sichern, solange der ebenso aktive Iran seine Idee des schiitischen Kalifats verfolgt, könnte Israel morgen ganz Jerusalem abgeben (egal an wen) und es würde sich nichts ändern.

    Persönlich bin ich davon überzeugt, daß ausschließlich sowohl die demokratischen Rechte als auch vergleichbare Lebensbedingungen der Bevölkerung die geringen Chancen Israels sind, um sich aus dem balagan einigermaßen herauszuhalten.

    Gehöre leider, in diesem Fall glücklicherweise, einer Altersgruppe an, die noch mit dem Freedombus nach Ägypten fuhr (ohne Polizeibegleitung, einfach so, ein Bus der fahrplanmäßig zwischen Tel Aviv und Kairo verkehrte).

    Dachte damals echt, das Problem löst sich.

    Na, ja.

    • „Dachte damals echt, das Problem löst sich.“
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      Das dachten viele und das habe ich nie verstanden;
      denn im Grunde wird immer noch um das Grundproblem
      rumgeeiert…
      das Akzeptieren des Staates Israel von seinen ara-
      bischen Nachbarn. Und mal ehrlich… Wo ist dies?

      • @ udo

        Ich will ja nicht in der Vergangenheit schwelgen, aber damals wurden Friedensverträge abgeschlossen und eingehalten, deutliche Verbesserungen für alle Beteiligten waren, wenigstens in meinen jugendlichen, idealistischen Wahrnehmungen, feststellbar, Sogar Rückblickend halte ich die damalige Aufbruchstimmung und Lebensqualität Aller für wesentlich gelungener, als die in den vorhergehenden und nachfolgenden Jahren.

        Sadat und Rabin wurden durch dieselben Idioten ermordet und immer wieder müssen Kinder dafür bezahlen, daß solch ein Pack glaubt, durch wahrlich unmenschliche Taten, Gesellschaften zu formen.

        Mögen sie in der Hölle schmoren und Bilder davon auf facebook oder sonst wo erscheinen!

      • Sogar Rückblickend halte ich die damalige Aufbruchstimmung und Lebensqualität Aller für wesentlich gelungener, als die in den vorhergehenden und nachfolgenden Jahren.
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        Nein, das war schon damals nur Makulatur.

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