„Adolf hat noch nicht genug von denen umgebracht“

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Antiziganismus in Duisburg…

Von Michael Lausberg

Seit der EU-Erweiterung 2007 ist Duisburg so wie auch Dortmund, Berlin, Mannheim und weitere deutsche Städte mit erhöhter Migration aus Bulgarien und Rumänien konfrontiert. Die Zuwander_innen wurden und werden im Diskurs der Mehrheitsgesellschaft homogenisierend meist als (Sinti und) Roma oder in diskriminierender Weise als „Zigeuner“ identifiziert, was in Wirklichkeit nur in manchen Fällen zutrifft. Aufgrund von jahrhundertealten unhinterfragten antiziganistischen ((Bei der Definition von Antiziganismus beziehe ich mich auf End, M.: Antiziganismus. Zur Verteidigung eines wissenschaftlichen Begriffs in kritischer Absicht, in: Bartels, A./Ders./von Borcke, T./Friedrich, A. (Hg.): Antiziganistische Zustände 2. Kritische Positionen gegen gewaltvolle Verhältnisse, Münster 2013, S. 39-72, hier S. 47)) Stereotypen wurden und werden sie Opfer von gesellschaftlicher Ausgrenzung. Große Teile der Mehrheitsbevölkerung Duisburgs scheinen aus der jüngeren nationalsozialistischen Vergangenheit wenig gelernt zu haben. Noch vor 80 Jahren sollte nach Vorbild der nationalsozialistischen „Rassenlehre“ Duisburg „zigeunerfrei“ werden. ((Von Lüpke-Schwarz, M.: „Zigeunerfrei!“ Die Duisburger Kriminalpolizei und die Verfolgung der Sinti und Roma 1939-1944, Saarbrücken 2008, S. 4))

Antiziganistische Vorurteile wie Nomadentum, Kriminalität, Primitivität, Faulheit usw. entstanden in den vergangenen Jahrhunderten und werden seitdem wie ein „kultureller Code“ in der Gesellschaft von Generation zu Generation weiter tradiert. Wissenschaftliche Studien belegen, dass antiziganistische Einstellungsmuster nicht nur von Anhänger_innen der extremen Rechten vertreten werden, sondern fest verankert in der deutschen Gesellschaft sind.

In einer von der Universität Leipzig untersuchten Verbreitung extrem rechter Einstellungen in der so genannten „Mitte der Gesellschaft“ im Jahre 2014 bejahten 55,4% die Aussage „Ich hätte Probleme damit, wenn sich Sinti und Roma in meiner Gegend aufhalten“. ((www.netz-gegen-nazis.de/artikel/mitte-studie-2014-9489)) 47,1% forderten, Sinti und Roma sollten aus den Innenstädten verbannt werden. 55,9% waren der Auffassung, Sinti und Roma neigen zur Kriminalität. Aus einer 2011 durchgeführten Studie zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit geht hervor, dass über 40 Prozent der Bevölkerung antiziganistisch eingestellt ist. ((Heitmeyer, W.: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (GMF) in einem entsicherten Jahrzehnt, in: Ders. (Hg.): Deutsche Zustände. Folge 10, Frankfurt/Main 2012, S. 15-41, hier S. 38f)) Diese Einstellungsmuster sind für eine demokratische Republik, die die Unantastbarkeit der Würde des Menschen und die Gleichheit vor dem Gesetz im Grundgesetz festgeschrieben hat, mehr als beschämend.

Antiziganistischer Hass von der alltäglichen Herabwürdigung bis zur physischen Bedrohung gehört zur bundesrepublikanischen Wirklichkeit. Hier wird nun speziell auf die Ereignisse in Duisburg bis zum Frühjahr 2014 in Duisburg eingegangen.

Antiziganistische Hetze in der „Mitte“ der Gesellschaft

Die Zuwander_innen kamen mit der Absicht, für sich und ihre Kinder bessere Lebensbedingungen und Zukunftschancen zu erreichen und um dem Rassismus in ihren Herkunftsländern zu entfliehen. Ende 2013 lebten 9.045 Rumän_innen und Bulgar_innen offiziell, wohl mindestens 10.000 Zuwanderer_innen insgesamt in Duisburg. ((www.taz.de/!130213/)) Die Konzentration der Migration auf bestimmte Stadtteile in Duisburg liegt an dem Zugang zu bezahlbaren Wohnraum und zu bereits bestehenden Netzwerken. Besonders in den Stadtteilen Hochfeld und Bergheim kam es zu Protesten mit teils rassistischem und wohlstandschauvinistischem Hintergrund gegen die Migrant_innen.

Einige Immobilienbesitzer_innen aus Duisburg-Hochfeld, die auf eine „Aufwertung“ des Stadtteils spekulierten, wollten mit einem offenen Brief an die Stadt Duisburg vor allem „gegen den Zuzug von Bulgaren protestieren“, den sie im weiteren Verlauf als „Ströme problembeladener und bildungsferner Wanderungsbewegungen“ bezeichneten. ((www.migazin.de/2013/07/23/antiziganistische-realitaeten-das-beispiel/)) Im Eingangsbereich zweier bekannter Supermarktketten in Hochfeld wurden „Zigeunerbesen“ aufgestellt, um so Roma in deren konstruierter Logik vor der Betretung des Ladens abzuschrecken.

Im bürgerlichen Stadtteil Duisburg-Bergheim wohnen südosteuropäische Zuwander_innen, darunter auch Roma, in dem Hochhaus „In den Peschen“, was in der Presse in abwertender Weise „Problemhaus“ oder „Roma-Haus“ genannt wird. Dieses Haus wurde durch intensive Medienberichterstattung zum bundesweiten Symbol für die „Armutsmigration“ aus Südosteuropa. Rassistische Anwohner_innen in Bergheim hetzen seit geraumer Zeit gegen die Migrant_innen und versuchen dies als legitimen Protest gegen die „Zustände“ im bürgerlich geprägten Stadtteil darzustellen. Ihre Strategie besteht darin, in der Öffentlichkeit als Vertreter_innen der politischen „Mitte“ wahrgenommen zu werden und sich von jeglicher rassistischen Gesinnung offiziell zu distanzieren. 300 Anwohner_innen im Stadtteil unterschrieben eine Petition zur „Umsiedlung“ der Zuwander_innen. Diese „Umsiedlung“ sollte erfolgen, „da unsere Wohn- und Umfeldqualität, welche in Jahrzehnten gewachsen ist, durch diese Zuwanderer zerstört wird und wir das als Bürger nicht hinnehmen werden“. ((www.duisburgweb.de/2012/Bilder/Politik/2012.09/Protest_OB.pdf)) In einem essenzialisierendem Sinne wurde argumentiert, dass die Migrant_innen aufgrund ihrer Mentalität und Lebensart nicht integrierbar seien. Damit wurden alle Zuwander_innen ohne Ansehen des Individuums homogenisiert und ihnen unveränderliche deviante Merkmale zugeschrieben, die nicht mit einer wie auch immer gearteten bürgerlichen „deutschen Kultur“ vereinbar wäre und eine Separierung von der Mehrheitsbevölkerung notwendig machen würde.

Bei einem „politischen Abendgebet“, das der ortsansässige Pfarrer Heiner Augustin organisiert und mit dem Thema Zuwanderung verknüpft hatte, bemerkte ein Anwohner: „Das sind keine Menschen, das sind Untermenschen.“ ((http://taz.de/Osteuropaeische-Roma-im-Ruhrgebiet/!105347/)) Einige Anwohner_innen verteilten vor dem Duisburger Rathaus rassistische Flugblätter mit der Überschrift „Raus mit den Zigeunern!“ ((www.derwesten.de/staedte/duisburg/duisburger-fuehlen-sich-in-der-einwanderungsdebatte-von-der-politik-allein-gelassen-id7158128.html)) In nationalsozialistischer Diktion forderte ein Anwohner die physische Liquidation der Zuwander_innen: „Ich habe da eine Idee, wo die unterkommen können, in Auschwitz oder Buchenwald sind noch hübsche Baracken frei. Adolf hat meiner Meinung nach noch nicht genug von denen umgebracht.“ ((Akduell. Studentische Zeitung für Duisburg, Essen und das Ruhrgebiet, Nr. 53, 26.3.2014, S. 4-5. hier S. 5)) Bei einer Demonstration von Bergheimer Anwohner_innen gegen die „Zustände“ in ihrem Stadtteil am 5. Oktober 2013 waren die Redebeiträge voll von rassistischer Hetze, Gegendemonstrant_innen wurden gewaltsam entfernt und stadtbekannte Neonazis nicht von der Teilnahme ausgeschlossen. Einige der Teilnehmer_innen der bürgerlichen Versammlung solidarisierten sich später mit den Parolen von Pro NRW, die am selben Tag auch eine Kundgebung in Bergheim abhalten durfte.

Zuspitzung durch die extreme Rechte

Die extreme Rechte brauchte nur noch die rassistische Stimmung in der „Mitte“ der Gesellschaft aufzunehmen und zuzuspitzen. Das Hochhaus „In den Peschen“ wurde Ende 2012 mit einem Hakenkreuz und NPD-Aufklebern beschmiert. Die NPD verteilte in der Folgezeit mehrmals Flugblätter und Aufkleber in Bergheim und hielt dort am 18. Mai 2013 eine Kundgebung ab. Pro NRW veranstaltete am 12. März 2013 im Stadtteil eine Demonstration und hetzte auf ihrer Internetseite gegen „Zigeuner“.

Im März 2013 gab es einen Kellerbrand im Hochhaus „In den Peschen“, bei dem es sich laut offiziellen Stellen nicht um Brandstiftung handelte. Da aber auch auswärtige Personen durch Außenfenster in den Keller gelangen konnten, lässt sich ein Brandanschlag nicht völlig ausschließen.Im April 2013 wurden Roma in Facebookgruppen als „Menschenmüll“ beschimpft. Rassistische Parolen und Mordaufrufe von Nutzer_innen der Facebook- „Diskussionsgruppe“ „In den Peschen 3-5“ wie „Abbrennen soll mann die bude“, „Eine Bombe auf das haus und dann is endlich ruhe da“, „Niederbrennen das Dreckspack“, „Wir müssen die Ratten loswerden“, „Alles schreit abbrennen aber warum macht es denn keiner?“ um den 10. August 2013 bildeten eine neue Qualität in der Hetze gegen südosteuropäische Zuwander_innen.Am 13. August 2013 schmierten Unbekannte Schriftzüge mit rassistischen Parolen rund um den Wohnblock „In den Peschen“ an die Wände. In den darauf folgenden Nächten tauchten lokale und auswärtige Neonazis in größeren Gruppen vor dem Hochhaus „In den Peschen“ auf und bedrohten Bewohner_innen mit Knüppeln und Messer. Aufgrund der Verharmlosung der Situation durch die Duisburger Polizei übernahmen Anwohner_innen, Mitglieder_innen von Kirchengemeinden und antirassistische Gruppen in Eigeninitiative durch Nachtwachen den Schutz der dort lebenden Menschen.

Am 29. August kam es zu einer Kundgebung von Pro Deutschland in der Nähe des Hauses „In den Peschen“, der sich ca. 900 Antifaschist_innen entgegenstellten. Bei einer Veranstaltung der Gegendemonstrant_innen durfte ein in der Vergangenheit wegen antiziganistischer Äußerungen aufgefallener Anwohner sprechen.

In der heißen Phase des Bundestagswahlkampfes im September 2013 tauchten antiziganistische Plakate der NPD mit der Aufschrift „Lieber Geld für die Oma statt für Sinti und Roma“ in Duisburg und einigen anderen Ruhrgebietsstädten auf. Diese Hetzkampagne fand offensichtlich Resonanz, die NPD holte 4,2% der Erst- und 2,8% der Zweitstimmen im gesamten Duisburger Stadtgebiet.

Am 9. Oktober 2013 wurde ein zum großen Teil von Roma bewohntes Haus in Duisburg-Hochheide in Brand gesetzt, wobei 17 Personen verletzt wurden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich dabei um einen antiziganistisch motivierten Anschlag handelt.

Am „braunen“ 1.Mai 2014 marschierten die NPD und Pro NRW im Vorfeld der Europa- und Kommunalwahlen in zwei räumlich und zeitlich getrennten Kundgebungen durch Duisburg. Im Wahlkampf in Duisburg war die Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien ein beherrschendes Thema. Die mit antiziganistischen Parolen angetretene extreme Rechte konnte ihren Stimmenanteil erheblich steigern. Bei der Kommunalwahl vom 25.5.2014 erzielte die PRO NRW 4,24% und die NPD 1,73%. ((http://wahlergebnis.duisburg.de/EWKWINT/05112000/tabelle2631.htm)) Alexander Häusler, Experte für die extreme Rechte, äußerte sich folgendermaßen zu diesem Rechtsruck: „Die extreme Rechte in Duisburg hat sich die Problematik rund um die Einwanderung von Rumänen und Bulgaren zunutze gemacht. Die etablierten Parteien haben den Bürgern anscheinend keine glaubhafte Lösung präsentiert: Diese Lücke hat vor allem Pro NRW besetzt.“ ((www.derwesten.de/thema/kommunalwahl/den-rechtsruck-gab-es-bei-der-kommunalwahl-nur-in-duisburg-id9393693.html))

Ethnisierung des Sozialen in Medien und der Politik

Die Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien nach Duisburg entwickelte sich zu einem ständigen Thema in der lokalen Medienlandschaft. In der Berichterstattung taucht immer wieder der Begriff „Roma-Problem“ ((www.derwesten.de/staedte/duisburg/stadt-duisburg-scheint-problem-in-hochfeld-nicht-in-den-griff-zu-bekommen-id6234603.html)) auf, womit ein Zusammenhang zwischen „Roma“ und „Problemen“ suggeriert wird.

Die Untersuchung der Berichterstattung des Medienportals „der Westen.de“ über die Zuwanderung aus Südosteuropa von Ende April 2008 bis Dezember 2012, die von der Migrationssoziologin Alexandra Graevskaia durchgeführt wurde, kam zu dem Ergebnis, dass „der überwiegende Teil der Berichterstattung die Zuwanderer als eine ethnisch homogene Gruppe von kriminellen Armutsflüchtlingen darstellt, deren Bräuche und Verhaltensweisen von denen der Mehrheitsgesellschaft abweichen. Positive und differenzierende Diskursfragmente kommen zwar vor, aber nicht in der Qualität und Quantität wie negative Zuschreibungen. Somit wird Antiziganismus in der Medienberichterstattung – zum großen Teil ohne direkte Absicht, sondern durch feste Verankerung antiziganistischer Ressentiments in der Gesellschaft – reproduziert.“ ((www.migazin.de/2013/07/23/antiziganistische-realitaeten-das-beispiel/)) Eine Auswertung der Bild-Zeitung (Schwerpunkt Ruhrgebiet) im Hinblick auf das Thema Einwanderung aus Südosteuropa vom 5.12.2012 bis zum 5.6.2013 ergab folgenden Befund: Insgesamt gesehen ist die Berichterstattung über Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien, die sich fast nur auf Roma konzentriert, fast durchgängig negativ. Die Einwanderung wird durchgängig als „Problem“ wahrgenommen, die Städte im Ruhrgebiet und die Anwohner_innen vor allem des „Roma-Hauses“ in Bergheim als Opfer oder „Betroffene“ gesehen. ((Bild vom 1.3.2013))

Politiker_innen vor allem aus den Reihen der beiden großen „Volksparteien“ beteiligten sich an der Stigmatisierung der Einwander_innen und waren und sind somit für die antiziganistische Stimmung in der Öffentlichkeit mitverantwortlich.

Vor einem Millionenpublikum beim Sender Stern TV warf Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) den Zuwander_innen Primitivität, Sozialmissbrauch und die Bildung von organisierten Diebesbanden vor. Link erklärte: „Duisburg ist massiv betroffen! (…) Müllberge größer als ich. (…) Nicht alle sind gekommen, um hier legal zu arbeiten. (…) Da werden Kinder missbraucht, klauen zu gehen.“ ((www.bild.de/regional/ruhrgebiet/soeren-link/soeren-link-roma-29323500.bild.html))

Reinhold Spaniel (SPD), Leiter des Sozialdezernats der Stadt Duisburg, verteidigte die „Proteste“ der Anwohner_innen gegen die Zuwanderung und schob pauschal den Zuwander_innen die Schuld zu: „Das Sozialverhalten vieler (Zuwanderer, M.L.) ist eine Zumutung. Das fängt beim Lärm an –auf der Straße wird bis um drei Uhr morgens Party gemacht. Die Gärten der Anwohner werden zugemüllt, die Straße wird als Toilette benutzt. Da ist es doch völlig legitim, dass sich die Bürger beschweren!“ ((Ebd.)) Er sprach ihnen pauschal eine „Mietfähigkeit“ ab und leistete damit einem kulturellen Rassismus und einer Ethnisierung des Sozialen Vorschub: „(…)Voraussetzung ist aber, dass sie mietfähig sind. (…) Die sind oft Analphabeten, die verstehen unsere ganzen Vorschriften nicht und müssen lernen, dass man den Müll nicht aus dem Fenster wirft.“ ((Ebd.))

Die CDU versuchte sich als „Anwalt“ der Anwohner_innen zu inszenieren und das „Problem“ der Zuwanderung auf die politische Agenda zu bringen. ((www.welt.de/regionales/duesseldorf/article114747378/Duisburgs-Wutbuerger-fordern-Umsiedlung-der-Roma.html)) Der Duisburger CDU-Ratsfraktionschef Rainer Enzweiler sah in den Forderungen des damaligen Bundesinnenminister Friedrich im Sommer 2013 wie Ausweisung und Einreisesperre einen guten Ansatzpunkt: „Wir brauchen Sanktionsinstrumente, die auch greifen. Wir dürfen auf keinen Fall den Eindruck entstehen lassen, es gebe in Deutschland oder in der EU in einigen Bereichen rechtsfreie Räume, in denen offensichtlichem Sozialbetrug tatenlos zugesehen wird.“ ((www.derwesten.de/staedte/duisburg/streit-ueber-zuwanderung-was-minister-friedrich-auf-links-kritik-antwortet-id8051194.html?ciuac=true))

Im Kommunal- und Europawahlkampf 2014 ist die Duisburger CDU scharf in die Kritik geraten, weil sie ein antiziganistisches Wahlplakat zum Stimmenfang benutzte. Als Foto wurde eine veraltete Aufnahme des Hochhauses „In den Peschen“ hinter Müllbergen verwendet. Auf dem Wahlplakat ist die Schlagzeile „Missstände beseitigen“ zu lesen. ((www.bild.de/regional/ruhrgebiet/kommunalwahlen-nordrhein-westfalen/plakat-zoff-im-kommunal-wahlkampf-in-duisburg-35670146.bild.html))

Trotz offizieller Abkehr von der früheren Verdrängungspolitik kam es auch zu einem viel diskutierten Fall von institutionellem Rassismus. Viele Zuwander_innen hatten Post vom Bürger- und Ordnungsamt der Stadt Duisburg erhalten. ((Akduell. Studentische Zeitung für Duisburg, Essen und das Ruhrgebiet, Nr. 53, 26.3.2014, S. 4-5, hier S. 4)) Darin wurden sie aufgefordert, nachzuweisen, dass sie die Voraussetzungen erfüllen, sich weiter in Deutschland aufhalten zu dürfen. Falls sie nicht innerhalb eines Monats die nötigen Unterlagen von Finanzamt, Steueramt, Krankenkasse und Mietvertrag einreichen, könnten sie in Abschiebehaft genommen und dann ausgewiesen werden. Viele Zuwander_innen lebten deshalb in Angst oder sind bereits ausgereist. Ingrid Jost aus der Bezirksvertretung Mitte spricht in diesem Zusammenhang zu Recht von „illegalen Abschiebungen“ und vom „politische Willen“ der Stadt „die Kommunen leer zu fegen.“ ((www.derwesten.de/staedte/duisburg/linke-attackiert-auslaenderbehoerde-id8082691.html))

Ausblick

Das Fazit fällt leider ernüchternd aus. Dass sich das gesellschaftspolitische Klima in der BRD Richtung konsequenter Ächtung des Antiziganismus in nächster Zeit wandelt, ist nicht zu erwarten. Eine schnelle Patentlösung zur Bekämpfung des Antiziganismus gibt es nicht; jahrhundertelang tradierte Stereotype lassen sich nicht in kurzer Zeit überwinden. In Duisburg und anderen Städten können nur multiperspektivische auf die lokale Struktur zugeschnittene Ansätze helfen, zu einer Versachlichung der Situation zu gelangen. Die Reduzierung der Beschreibung der Zuwanderung in einer Semantik der Gefahren und die öffentlich proklamierte Grundausrichtung einer Willkommenskultur in Anlehnung an die schottische Stadt Glasgow ((Siehe dazu www.glasgow.gov.uk/NR/rdonlyres/864C47EO-473B-A6C5-72326E929374/0/MigrantWorkersEnglishpack.pdf)) wären ein Anfang.

Angesichts des demographischen Wandels und des Fachkräftemangels sowie der seit Jahren stark sinkenden Einwohner_innenzahlen liegt es im Interesse der Stadt, Migrant_innen anzulocken und ihnen Startchancen für ein erfolgreiches Leben in Duisburg zu eröffnen. Eine Verdrängung der Zuwander_innen ist immer zum Scheitern verurteilt und eine solidarische und gleichberechtigte Integration alternativlos. Rund ein Drittel der Einwohner_innen Duisburg haben eine Zuwanderungsgeschichte, Integration ist seit Jahrhunderten Normalität. Wenn der gesellschaftspolitische Wille da ist, wird dies auch in diesem Fall gelingen.

Zum Autor: Michael Lausberg, Politikwissenschaftler und freier Publizist, Dr. phil, studierte Pädagogik, Philosophie, Politikwissenschaften und Neuere Geschichte sowie den Aufbaustudiengang Interkulturelle Pädagogik an den Universitäten Aachen, Köln und Amsterdam. Er promovierte an der RWTH Aachen mit einer Arbeit mit dem Titel „Die extreme Rechte in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Seit 2007 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS). Regelmäßige Veröffentlichungen im Migazin, Netz gegen Nazis, DISS-Journal, bei Kritisch Lesen und in der Tabula Rasa. Nähere Informationen unter: www.diss-duisburg.de/mitarbeiterinnen/michael-lausberg/

2 Kommentare

  1. Diese Hetze gegenüber Roma und Sinti ist genauso unangebracht wie Loblieder über Roma und Sinti zu veröffentlichen und so zu tun als wenn sie kein Wässerchen trüben könnten.

    Roma und Sinti aus den neuen EU Ländern kommen nicht wegen des schönen Wetters nach Deutschland.

    Sondern die Profiterwartung lockt sie hierher.

    Und da diese leider desöfteren mit unlauteren Mittel einhergeht hat diese Community zwangsläufig einen schlechten Ruf.

    Und diesen nicht so guten Ruf gibt es ja nicht in Deutschland,sondern in ganz Europa.

    Hinzufügen muss ich leider die Tatsache das die eingebürgerten Roma die ich persönlich kenne, teilweise noch deutlich negativer über ihre entfernte Verwandschaft aus den neuen EU Ländern äussert.

    Denn diese haben sich hier gut integriert und befürchten das nun durch diese Zuwanderungen sie über einen Kamm geschoren werden mit den Menschen die das eine oder andere tun um ihren Gewinn in Deutschland zu maximieren.

    Man muss auch einmal die Bedenken der Bevölkerung ernst nehmen und nicht immer als Rechtsextremes Gedankengut darstellen.

    Beide Seiten müssen ehrlich und offen aufeinander zugehen.

    Und Einwanderung muss ein bisschen zielgerichtet gesteuert werden.

    Man sieht ja in diesen Tagen was unkontrollierte Einwanderung und das beständige Nazikeulengeschwinge eingebracht hat.

    Die Menschen die für die schlimmsten Ausschreitungen bei Anti Israel Demonstrationen verantwortlich sind……….sind eine Folge der unkontrollierten Einwanderung + die Tatsache das diese Menschen aus Angst vor einer erneuten Nazikeule schon seit Jahrzehnten mit Samthandschuhen angefasst werden.

    Und Nebenbei bemerkt muss der Einheimische in Deutschland/Westeuropa schon seit Jahren viel schlimmeres über sich ergehen lassen als aktuell die Jüdische Community in Deutschland/Westeuropa.

    Normale Menschen werden auf übelste angepöbelt/beleidigt/geschlagen(teilweise ins Koma geschlagen oder getötet),und kaum ein Hahn kräht danach.

    So etwas frustriert die normale Bevölkerung natürlich und es gibt immer mehr Radikalisierungstendenzen.

    Diese sind aber zu 90 % Hausgemacht in Europa.

    Kein Wunder das sich in Europa die Rechten Parteien immer mehr ausbreiten können.

    Das ist auch einer der Gründe warum ich öffentlich freiwillig nie zugeben werde das ich teilweise Jüdisch bin.

    Mein Vater ist nach Deutscher Sicht 1/4 Jude,nach Jüdischer Sicht der Dinge ist er Jude(weil es bis zu meinem Vater immer Mütterlicherseits weitergeben wurde).

    Und da ich dann zwischen allen Stühlen hänge bin ich bei jeder Diskussion das Feindbild Nr.1

    Ein Jude würde mich evtl. in die Rechte Ecke drücken,oder belächeln/herablassend behandeln weil ich ihm zu Deutsch bin(obwohl ich,mein Vater,und die Mutter meines Vaters Jüdischer aussehen wie so mancher „echte Jude“).

    Und ein Nichtjude würde mich als Jude abstempeln und unter Umständen ähnlich behandeln.

    Und aktuell ist es gefährlicher denn je sich als Jude oder Teiljude zu outen !!

    So,nun bin ich mal auf den Shitstorm gespannt weil ich meine Sicht der Dinge preisgegeben habe.

    Masseltov und dies hier ist eine wirklich schöne und vor allem Informative Seite !!

    • Hallo fp600,
      ich sehe im Moment nicht, dass Sie hier mit einem Shitstorm rechnen müssen, auch wenn man einige Ihrer Aussagen kritisch ansehen kann.
      Beispielsweise:
      „Die Menschen die für die schlimmsten Ausschreitungen bei Anti Israel Demonstrationen verantwortlich sind……….sind eine Folge der unkontrollierten Einwanderung + die Tatsache das diese Menschen aus Angst vor einer erneuten Nazikeule schon seit Jahrzehnten mit Samthandschuhen angefasst werden.“

      Hier liegen Sie falsch, denn Anti Israel Demonstrationen haben nichts mit der Einwanderung zu tun. Die antisemitischen Äußerungen zeigen eher, dass der Antisemitismus unterschwellig in Deutschland seit jeher vorhanden ist und sich jetzt den Weg bahnt, und den Antisemitismus der beteiligten Gruppen.
      Kritik an der israelischen Regierung und Politik darf und kann geäußert werden, das machen die Nachrichten täglich, Kritik an Israel als Staat kann es nur im Rahmen einer allgemeinen Staatskritik geben. Beim letzteren wäre alles andere in der Tat antisemitisch.

      „Mein Vater ist nach Deutscher Sicht 1/4 Jude,..“

      Ich möchte Ihnen damit nicht zu nahe treten, doch handelt es sich hier um die Sicht von Rassisten und nicht einer Deutschen (es sei denn, Deutsche sind Rassisten …): Menschliche Rassen lassen sich biologisch nicht qualifizieren und feststellen, der Begriff Rasse beim Menschen ist rein ideologisch.

      In der Tat hat die Politik die Sorgen und Ängste der Bevölkerung ignoriert und ignoriert sie noch heute. So darf man sich über den Auftrieb faschistischer Parteien nicht wundern, die sich vermeintlich den Sorgen des „einfachen Menschen“ annehmen.

      Ihnen einen guten, restliche Sonntag!
      Kyniker

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