Rechts außen oder drinnen?

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Der Front National zwischen Vereinnahmungsversuchen gegenüber dem konservativen Lager und politischem Außenseitertum…

Das gesellschaftliche Klima in Frankreich ist von einer weit verbreiteten Unzufriedenheit geprägt. Angesichts einer real als Mitte-Rechts-Politik zu bezeichnenden Wirtschaftspolitik hat die sozialdemokratisch geführte Regierung, aber haben auch die ihr gegenüber oft sträflich passiv bleibenden Gewerkschaften ihre breite Basis verloren. Unter ihren bisherigen Anhänger/inne/n überwiegen oft Frustration und Desorientierung Dagegen kann die Regierung diesen Vertrauensverlust nicht im konservativen Lager wettmachen: Von Anfang an wurde ihr als angeblich „linkem Regime“ von Teilen der politischen Rechten her bestritten, überhaupt legitim den Staat führen zu können. Seien die Sozialisten doch Zerstörer von Staat, Werten und Nation. Diese Vorwürfe haben sich radikalisiert, seitdem die breite rechte Protestbewegung gegen die Homosexuellenehe in den ersten Jahresmonaten 2013 mit teilweise apokalyptischen Worten die „sozialistische Diktatur“ anklagte.

Eine vor allem durch „Mittelständler“protest und kleinbürgerlichen Antifiskalismus (= Ablehnung von Steuern) dominierte, diffuse und in vielen Teilen rechtsgewirkte Protestbewegung machte in den letzten Wochen auf sich aufmerksam. ((Aus Platzgründen verweisen wir an der Stelle an unseren ausführlichen Artikel zum Thema: http://www.trend.infopartisan.net/trd1113/t471113.html  (Teil 1) und http://www.trend.infopartisan.net/trd1113/t481113.html  (Teil 2).)) Kommentatoren diskutieren unterdessen kontrovers über die Frage, ob „eine soziale Bewegung von rechts“ existiert, ((Vgl. http://www.lemonde.fr/idees/article/2013/11/22/y-a-t-il-un-mouvement-social-de-droite_3519000_3232.html )) und Beobachter/innen sprechen über „eine neue protestorientierte Rechte, welche sich der Kontrolle durch die Parteiführungen entzieht“ ((Vgl. http://www.lemonde.fr/politique/article/2013/11/22/une-nouvelle-droite-contestataire-qui-echappe-aux-etats-majors_3518710_823448.html )). Dabei fällt mitunter auch der Begriff „einer ,Tea Party’-Bewegung à la française“, sei es in deskriptiver oder in affirmativer Absicht; zu den begeisterten Befürwortern zählt etwa der ultrarechte Journalist Ivan Rioufol. ((Vgl. http://blog.lefigaro.fr/rioufol/2013/11/bloc-notes-hollande-deborde-pa.html  ))

Aber auch die stärkste Oppositionspartei, die konservativ-wirtschaftsliberale UMP, profitiert derzeit (trotz Versuchs) kaum oder nicht von der aufgeheizten Stimmung. ((Vgl. http://www.lemonde.fr/politique/article/2013/11/22/l-ump-ne-tire-aucun-profit-du-rejet-de-l-executif_3518708_823448.html)) Unter anderem, weil die Partei von inneren Machtkämpfen zerrissen bleibt. Und weil ihre eigene Regierungszeit (zuletzt von Mai 2002 bis Juni 2012) noch zu frisch in Erinnerung bleibt – viele der jetzt umkämpften Vorhaben gehen noch auf ihr eigenes Konto, bspw. brachte die UMP die Ökosteuer ab 2007 und die Mehrwertsteuererhöhung erstmals 2007 und erneut ab Januar 2012 ins Gespräch.

Von den Konservativen zum FN 

Doch ihr ungeklärtes, gespaltenes Verhältnis zur extremen Rechten macht der konservativ-wirtschaftsliberalen Partei ebenfalls zu schaffen. An, mal mehr und mal wesentlich weniger prominenten, Überläufern zum Front National (FN) mangelt es nicht; ebenso wenig an Repräsentanten der UMP, die sich eben mal die Bündnisfrage stellen. Am 06. November 13 wurde bekannt, dass Philippe Martel, der frühere engste Mitarbeiter des ehemaligen RPR-Chefs Alain Juppé (der neogaullistische RPR war die wichtigste Vorläuferpartei der 2002 gegründeten UMP) in den Jahren von 1980 bis 1994, zum FN übergetreten sei. Alain Juppé war u.a. französischen Außenminister in den Jahren 1993 bis 95, danach Regierungschef – Premierminister von 1995 bis 97 – und zuletzt 2011-12 abermals Außenminister. Er gilt heutzutage im bürgerlichen Block als „moderat“ und „pro-europäisch“. Der frühere Ministerialbürokrat Philippe Martel behauptet von sich, seine früheren politischen Ansichten – u.a. auch zur Einwanderung – „um keinen Haaresbreit verändert“ zu haben; mit einer Ausnahme: seiner Position gegenüber der Europäischen Union. Seit dem Referendum vom 29.05.2005 über den damals geplanten „Verfassungsvertrag“ sei er zunehmend zu EU-kritischen Positionen übergegangen. Ansonsten beruft er sich darauf, schon 1983 Wahlkämpfe mit dem Thema „(gegen) Einwanderung“ geführt zu haben, und benutzt ungeschminkt den rechtsextremen Begriff vom angeblich laufenden „Bevölkerungsaustausch“. ((Vgl. http://www.lemonde.fr/politique/article/2013/11/20/philippe-martel-a-front-decouvert_3516947_823448.html))

Die bürgerliche Rechte wird in gewisser Weise auch „geplündert“, was ihre Symbole betrifft. Am 09. November 13 nahm ein führender Parteifunktionär des FN an der Kranzniederlegung zum Todestag des Gründers der Fünften Republik, Charles de Gaulle, in Colombey-les-deux-Eglises (Lothringen) teil. Er hatte sich bereits im November 2012 dorthin begeben. Philippot kandidiert(e) zu den Parlamentswahlen 2012 und zu den Kommunalwahlen 2014 im Norden der Region Lothringen, in Forbach. In diesem Jahr rief seine Anwesenheit dort ein wenig Widerspruch hervor. Der konservative Abgeordnete und frühere Parlamentspräsident Bernard Accoyer (UMP) meldete Protest an und berief sich darauf, dass „die extreme Rechten den General de Gaulle hasst“. Dies trifft durchaus zu – aufgrund der Rolle de Gaulles im Zweiten Weltkrieg, wie auch aufgrund seiner Akzeptanz der Entkolonisierung Algeriens, nachdem er diese zuerst bekämpft hatte. Bevor er zur Einsicht gelangte, der Versuch, diese militärisch aufzuhalten, sei zum Scheitern verurteilt. Jean-Marie Le Pen und andere Neofaschisten betrachteten de Gaulle als „Verräter“, die rechte Terrororganisation OAS versuchte ihn 1962 zu ermorden. Doch Parteichefin Marine Le Pen erwiderte Accoyer öffentlich, es seien seine Parteifreunde, die de Gaulle verraten hätten, durch „den Ausverkauf der Souveränität Frankreichs“ ((Vgl. http://www.leparisien.fr/politique/colombey-defile-de-politiques-pour-rendre-hommage-a-de-gaulle-09-11-2013-3301187.php)). Streit gab es unterdessen nicht durch die Anwesenheit des Rechtsextremen Philippot am 09. November d.J. am Grabe de Gaulles, sondern auch durch jene der sozialdemokratischen Pariser Rathauskandidatin Anne Hidalgo. Auch ihre Partei war dereinst politisch gegen Präsident de Gaulle gewesen…

Staatsbürgerschaftrecht: UMP unternimmt symbolische Schritte auf den FN zu

Am 22. Oktober 13 kündigte UMP-Chef Jean-François Copé vor der Presse an, seine Partei werde bis zum Jahresende 2013 im Parlament einen Gesetzesvorschlag für ein verschärftes Staatsbürgerschaftsrecht vorlegen. Zuvor hatte der Parteivorstand der UMP einstimmig einen „Plan für eine neue Einwanderungspolitik“ angenommen. Copé erklärte dazu: „Es geht nicht dazu, das Ius soli (Bodenrecht im Staatsbürgerschaft) in Frage zu stellen. Aber wenn man in Frankreich als Kind illegal im Land sich aufhaltender Eltern geboren wurde, ist man nicht dazu berufen, dort zu bleiben. Und man kann nicht die französische Staatsbürgerschaft erhalten. Die Kindern von legal sich in Frankreich aufhaltenden Eltern können nicht automatisch die Staatsbürgerschaft erwerben, sie müssen sie beantragen.“ ((Vgl. http://tempsreel.nouvelobs.com/politique/20131022.OBS2117/l-ump-s-attaque-au-droit-du-sol.html ))

Bei seinen öffentlichen Auftritten erweckte Copé daraufhin den Eindruck, den in Frankreich geborenen Kindern – auch denen von „illegalen“ Einwanderern – werde die Staatsbürgerschaft geradezu nachgeworfen, was es ihren Familien erlaube, sich eine Aufenthaltsberechtigung sozusagen zu erschleichen. In Wirklichkeit wird die Staatsangehörigkeit den Betreffenden natürlich keineswegs „hinterher geworfen“. Auch wenn sie auf französischem Boden geboren sind, können die Kinder ausländischer Eltern (ob „legale“ oder „illegale“ Einwanderer) frühestens ab dem Alter von 13 Jahren und auf Antrag der Eltern hin französische Staatsbürger/innen werden. „Illegale“ Zuwanderer können also – nach geltendem Recht, d.h. der letzten Gesetzesnovelle zum Thema vom 16. März 1998 – nicht wirklich darauf hoffen, durch ihre französischen Kinder zu einer Aufenthaltserlaubnis dank Familienbanden kommen: Dies würde im Prinzip voraussetzen, dass sie sich auch 13 Jahre nach ihrer Geburt noch in Frankreich aufhalten. Ohne Antrag der Eltern werden die in Frankreich geborenen Kinder (unter der Voraussetzung mehrjährigen ununterbrochenen Aufenthalts) im Alter von 18 Jahren automatisch Staatsbürger/innen. Die damalige konservative Regierung hatte diesen Erwerb unter den Vorbehalt eines ausdrücklichen Antrags gestellt, die sozialdemokratische Regierung von 1997/98 hatte Letzteren wieder abgeschafft.

Die Forderung, dass in Frankreich geborene Kinder ausländischer Eltern möglichst nicht französische Staatsbürger/innen werden dürfen, und die Infragestellung des „Bodenrechts“ zugunsten des „Blutsrechts“ (Staatsbürgerschaft wird vorwiegend durch Abstammung vererbt) ist seit 30 Jahren einer der Kernpunkte des Parteiprogramms des Front National. Entsprechend wurde der jüngste Vorstoß des UMP-Chefs als Schritt auf die extreme Rechte zu gewertet. Auch wenn Copé sich bemühte, diesem Vorwurf formal zu widersprechen. Sein Einwand lautete: „Frankreich wird durch schwere kommunitaristische Spannungen“ – diese Formulierung soll so viel bedeuten wie: Ansprüche stellende und rebellierende Ausländer – „auf der einen Seite, und durch die extreme Rechte andererseits erschüttert. Nur die UMP kann eine Lösung bringen“, also gewissermaßen die Gegensätze überbrücken. Auch in den darauffolgenden Tagen hielt die Kampagne aus den Reihen der UMP zum Thema an. Am 25. Oktober 13 hinterlegte der Abgeordnete Guillaume Larrivé – er steht Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, der vor der Präsidentschaftswahl 2017 auf die politische Bühne zurückkehren möchte und folgerichtig mit den aktuellen UMP-Anführern Copé und François Fillon rivalisiert – einen eigenen Gesetzesvorschlag dazu. ((Vgl. http://www.lemonde.fr/politique/article/2013/10/25/les-sarkozystes-s-attaquent-a-leur-tour-au-droit-du-sol_3502808_823448.html))

Antirassistische Reaktionen

Im Augenblick ist das Thema jedoch ein bisschen in der Versenkung verschwunden. Im Laufe des November d.J. wurde die Debatte eher durch den krassen Rassismus dominiert, der aus verschiedenen Anlässen besonders gegen die schwarze Justizministerin Christiane Taubira laut wurde. In unzähligen Varianten wird der Name Taubiras mit Begriffen wie „Affe“, „Banane“, „Wilde“ und ähnlichen kombiniert. Zuletzt nahm die rechtsextreme Wochenzeitung Minute in ihrer Ausgabe vom 13. November 13 entsprechende Wortspiele – die die unvermeidlichen Ausdrücke „Banane“ und „Affe“ enthielten – auf ihren Titel ((Vgl. http://www.lemonde.fr/actualite-medias/article/2013/11/13/minute-se-defend-de-tout-racisme_3513326_3236.html)); mehrere Strafanzeigen wurden dagegen gestellt. Und der Altpräsident des FN, Jean-Marie Le Pen, bezeichnete die Ministerin am 17. November d.J. als „frankreichfeindlich“ ((Vgl. http://www.lemonde.fr/politique/article/2013/11/18/christiane-taubira-est-antifrancaise-selon-jean-marie-le-pen_3515391_823448.html)).

Dieses Ausmaß krassen, ungeschminkten Rassismus führte jedoch ab Mitte November d.J. erstmals zu Abwehrreaktionen. Nachdem die Regierungsmannschaft über eine Woche lang gezögert hatte, öffentlich zu reagieren, stelle sie sich dann demonstrativ hinter Justizministerin Taubira. Am Samstag, den 30. November 13 findet nun in Paris eine antirassistische Demonstration aus dem Anlass dazu. Den Aufruf dazu lancierten Kollektive von Karibikfranzosen und –französinnen, doch er wird inzwischen durch fast alle größeren antirassistischen Vereinigungen und viele Menschenrechtsorganisationen unterstützt. Wir werden selbstverständlich dazu berichten.

Vor diesem Hintergrund versuchte Copé das Ruder herumzuwenden, als er bemerkte, dass die rassistische Kampagne seiner eigenen Partei aus der Kontrolle läuft – und Gegenreaktionen hervorrief. Nach der Parlamentssitzung, bei der die Regierungsfraktionen Christiane Taubira stehend applaudiert hatten, sprach er von einer „gelungenen Medienmanipulation“. Das Regierungslager wolle „von den eigentlichen, wahren Problemen der Franzosen“ ablenken. Ferner habe es nicht reagiert, als er selbst, Copé, jüngst zum Opfer antisemitischer Attacken aus den Reihen der extremen Rechten geworden sei. ((Vgl. http://actu.orange.fr/politique/cope-affirme-avoir-ete-la-cible-de-propos-antisemites-emanant-du-fn-afp_2661722.html)) Dadurch wollte der gewiefte Polit-Taktierer Copé einerseits den antirassistischen Stellungnahmen des Regierungslagers die Legitimität entziehen und eine Art Opferkonkurrenz aufbauen.

Anderseits hatte er in der Sache insofern nicht Unrecht, als es tatsächlich auch gegen Copé einzelne Angriffe von Mitgliedern des FN gab, die man als antisemitisch charakterisieren muss. Der örtliche Spitzenkandidat des Front National in Mitry-Mory (nordöstlich von Paris, in der Nähe von Meaux, wo Copé Bürgermeister ist), der 23jähige Adrien Desport, hatte sich über ihn im Internet ausgelassen: Sein wahrer Name sei „Copolevic“ – so hieß Copés rumänischer Großvater. Und der Mann glaubte hinzufügen zu müssen: „Bei diesen Leuten isst man kein Schweinefleisch.“ Die Anspielung auf seine jüdische Abstammung war überdeutlich. ((Vgl. http://ump.blog.lemonde.fr/2013/10/31/otages-jean-francois-cope-saisit-loccasion-de-discrediter-marine-le-pen/)) Über einen Rückzug seiner Kandidatur zur Kommunalwahl ist dem Verfasser bis zum Redaktionsschluss nichts bekannt. Bei Redaktionsschluss am 24.11.13 firmierte Adrien Desport auf seiner Facebook-Seite jedenfalls noch als „Spitzenkandidat“.

Konsensbrecher?

Der Front National muss also aufpassen, zwar einerseits nicht als „völlig normalisierte Partei wie alle anderen“ zu erscheinen – er würde drohen, sein pseudo-rebellisches Image (auf Kosten des „Establishments“) einzubüßen -, aber andererseits nicht jegliche gesellschaftliche Konsensfähigkeit zu verlieren. Die Reputation von Marine Le Pen musste vorübergehend einige Federn lassen, als sie sich jüngst außerhalb des nationalen Betroffenheitskonsens stellte, nachdem am 29. Oktober 13 mehrere französische Ex-Geiseln nach mehrjähriger Gefangenschaft in der Sahara im Norden Malis zurückgekehrt waren. Sie waren von den dort aktiven bewaffneten Islamisten freigelassen worden, nachdem französische Unternehmen wie AREVA und Vinci (ihre Arbeitgeber) mutmaßlich zwanzig Millionen Euro Lösegeld bezahlt hatten. Marine Le Pen ließ sich jedoch in einer ersten öffentlichen Reaktion spöttisch darüber aus, dass die vier Männer aus ihrer mehrjährigen Gefangenschaft mit langen Bärten und einer Chèche – einem bei den Tuareg getragenen Schal – um den Hals zurückgekehrt seien. Wohl unter dem Einfluss der unter extremen Rechten dermaßen beliebten Verschwörungstheorien, denen zufolge stets „die Wahrheit im Verborgenen zu suchen ist“, suggerierte sie vor laufenden Mikrophonen, die vier seien zum Islamismus konvertiert worden und also als Agenten der Gegenseite zurückgekehrt. ((Vgl. http://memorial98.over-blog.com/article-marine-le-pen-un-derapage-120890252.html))

Darüber wurde kurzzeitig erregt diskutiert – es ist nur stark zu befürchten, dass die öffentliche Meinung den kurzen Ärger darum bereits wieder vergessen hat. Solche Ausfälle drohen Marine Le Pen jedoch im Prinzip, und sei es vorübergehend, außerhalb des „Konsensfähigen“ zu stellen. Auch ihre Attacken gegen die französische Fußballnationalmannschaft, ((Vgl. http://www.lemonde.fr/sport/article/2013/11/18/pour-la-presidente-du-fn-les-resultats-des-bleus-sont-lies-a-l-ultra-liberalisme_3515396_3242.html  und http://www.huffingtonpost.fr/2013/11/20/victoire-bleus-fn-refuse-exploit-debordements-_n_4307595.html?ir=France)) auch nachdem diese sich jüngst – im Rückspiel gegen die Ukraine am 19. November 13 – doch noch für die WM in Brasilien qualifizieren konnte, tendieren in diese Richtung. Auch wenn ihre Vorbehalte gegen die Mannschaft (in ihren Augen eine geldgierige Mischtruppe) auch von manchen betont rechten Konservativen wie Lionnel Luca geteilt werden.

Pfiffe am nationalen Gedenktag

Am 11. November 13 wurde Präsident François Hollande an zwei Orten ausgebuht und ausgepfiffen, auf den Champs-Elysées in Paris und einige Stunden später in der Kleinstadt Oyonnax. Seine Auftritte standen in Verbindung mit einem Gedenk- und gesetzlichen Feiertag in Frankreich: Am 11.11. ist aus Andenken an das Ende des Ersten Weltkriegs 1918 arbeitsfrei, denn an dem Tag wurde in einem Waggon in Compiègne der Waffenstillstand zwischen der Französischen Republik und dem damaligen Deutschen Reich abgeschlossen. Das historische Gedenken fällt heutzutage (mit gewachsenem zeitlichem Abstand zum Ersten Weltkrieg) normalerweise nicht weiter auf – außer dass an dem Tag arbeitsfrei ist –, aber aufgrund des bevorstehenden einhundertjährigen Jubiläums zum Kriegsbeginn (1914 -> 2014) fand es in diesem Jahr doch einige Beachtung. Von vornherein, denn durch die Pfiffe gegen den amtierenden Präsidenten wuchs die Aufmerksamkeit dann noch zusätzlich.

Der rechtslastige erste Kanal des französischen Fernsehens, TF1 – der Sender wurde 1987 durch den damaligen Premierminister Jacques Chirac privatisiert und steht im Eigentum von Nicolas Sarkozys Duzfreund, dem Konzernerben Martin Bouygues – hat den Eindruck unterdessen noch verstärkt: TF1 hat inzwischen zugegeben, die Abfolge von Bild und Ton leicht manipuliert zu haben. Durch eine Verschiebung der Tonsequenz um vier Sekunden gegenüber dem Ablauf der Bilder  wird künstlich der Eindruck erweckt, das Pfeifkonzert sei besonders hell erklungen, als François Hollande aus dem Auto gestiegen sei. In Wirklichkeit erklangen die Pfiffe eher wenige Sekunden vor seinem Austritt aus dem Wagen und hatten ihren Höhepunkt bereits überschritten, als Hollande auf den Asphalt trat (und dann auch ein bisschen Beifall erklang). Der rechte Sender wurde also bei einer politischen Manipulation ertappt, auch wenn er behauptet, es handele sich um ein „technisches Versehen“.

Die Urheber der Störaktion kamen aus dem Umfeld des harten Kerns der Homosexuellen-Gegner einerseits, und aus dem Kreis der organisierten Neofaschisten andererseits. Zuvor war von ihrer Seite im Internet und bei Facebook für eine Aktion am 11. November um 11.11 Uhr geworben worden – nein nein, es bestand keine Verbindung zum rheinischen Karneval, nein. 73 Personen aus ihren Reihen wurden vorübergehend festgenommen; drei von ihnen wurden im Nachhinein der Justiz vorgeführt.

Unter ihnen befindet sich David Van Hemelryck, ein 33jähriger Jungunternehmer, der dadurch bekannt wurde, dass er den ganzen August 2013 über ein Segelflugzeug mit dem Transparent „Hollande, Rücktritt!“ über den Urlauberstränden am Atlantik steuerte. Er kommt aus dem harten Kern der Bewegung gegen die Homosexuellenehe, ebenso wie jene drei Personen, die am 09. November 13 den ersten Sabotageakt gegen eine Ökosteuer-Mautstelle für LKWs auf der Pariser Ringautobahn verübten.

Im Nachhinein erklärte der Front National (in Gestalt seiner Vorsitzenden Marine Le Pen) im Übrigen, man verurteile die Störaktionen durch „Hitzköpfe“, da man an einem nationalen Gedenktag nicht stören dürfe – beschwerte sich aber auch darüber, der Spitzenkandidat der eigenen Partei zur Pariser Rathauswahl und ein paar andere Parteigänger seien am 11. November ebenfalls festgenommen worden. Marine Le Pen sprach diesbezüglich sogar  von „Methoden wie in totalitären Ländern“. Ihr Pariser Spitzenkandidat für die Pariser Rathauswahl vom März 2014 ist  Wallerand de Saint-Just, seit 1987 Rechtsanwalt von Jean-Marie Le Pen. Er wurde am diesjährigen 11. November in der Nähe der Place Charles de Gaulle-Etoile (wo auch die Störaktion stattfand) mit einer Handvoll Getreuen in polizeilichen Gewahrsam genommen. Natüüüüürlich befand er sich jedoch reiiiiiin zufällig dort, na klar, selbstverständlich.