„Schönes Wetter“ in Nahost

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Ein Wintersturm, wie seit 1992 nicht mehr, hat den ganzen Nahen Osten zum zeitweiligen Katastrophengebiet gemacht. Am Donnerstag soll wieder die übliche Sonne scheinen…

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 9. Januar 2013

Im Libanon und im Westjordanland bei Tulkarem sind jeweils zwei Menschen ums Leben gekommen, als reißende Fluten in „Trockentälern“ deren Autos mitgerissen hatten. In Israel wurden mehrere Menschen durch herumfliegende Baumäste leicht verletzt. Ein offensichtlich geistig gestörter Mann stürzte sich immer wieder in die Fluten des Ironflusses, bis er gefangen und verletzt ins Hospital gebracht werden konnte.

Der Hafen von Haifa schickte Schiffe aufs offene Meer hinaus, um keine Schäden an den Schiffskörpern oder Kais zu verursachen.

In Höhenlagen, vor allem auf dem Hermonberg, mit 2814 Metern die höchste Erhebung in der Region, fällt schwerer Schnee. Schon in der kommenden Woche könnte Israels Skisaison eröffnet werden.

In Jerusalem stehen hundert Bulldozer bereit, um Schnee zu schaufeln und mehrere Tonnen rechtzeitig eingekauftes Streusalz auf den Straßen zu verteilen. Die etwa 900 Meter hochgelegene Heilige Stadt droht beim angesagten Schnee von der Außenwelt abgeschnitten zu werden. Um 11 Uhr morgens wurden die Fahrprüfungen eingestellt, um den Schülern zu ermöglichen, nach Hause zu gehen und Schneemänner zu bauen. Ab 18 Uhr ist die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, Busse und Straßenbahn, kostenlos, damit die Bürger ihre Autos daheim lassen und die Verkehrsadern nicht unnötig verstopfen.

Auf den Golanhöhen mussten Rettungsdienste im Schnee stecken gebliene Autofahrer erlösen und die Stadt Hadera befindet sich im Belagerungszustand. Alle Zufahrtsstraßen rund um die Stadt sind überflutet. Immerhin seien alle Wohnungen in Hadera wieder mit Strom versorgt, nachdem in Windeseile durch umgestürzte Bäume gerissene Stomleitungen wieder repariert werden konnten.

Totales Chaos herrscht seit Dienstag in der Küstengegend und besonders in Tel Aviv. Die meistbefahrene Autobahn des Landes, die Ajalontrasse, ist in das tiefgelegene Tal des im Sommer kaum Wasser führenden Ajalonflusses gebaut worden. In die Senke wurden auch die wichtigsten Eisenbahnlinien verlegt, die zwischen dem Norden und Süden des Landes verbinden. Jetzt, bei dem Wintersturm, tritt der Fluss meterhoch über die Ufer. Normalerweise nur wenige Minuten dauernde Fahrten zur Arbeit werden zur mehrstündigen Weltreise durch verstopfte Straßen.

Aber in Israel ist es politisch nicht korrekt, über die seit Jahren nicht mehr erlebten Wassermassen zu schimpfen, in einigen Orten mehr als 220 Millimeter innerhalb von 24 Stunden. Denn der Pegel des See Genezareth, dem größten Süßwasserreservoir des Landes, wird auch als Maßstab für das Wohlbefinden der Seele Israels bezeichnet. Am Ende des Sommers war durch Verdunstung und Abpumpen des Süßwassers fast die „schwarze Linie“ von – 214.87 Meter unter dem Meeresspiegel erreicht. Tiefer darf der See nicht absinken, um ökologisch nicht umzukippen. Inzwischen haben die Winterstürme den See wieder stark gefüllt, wie seit 1992 nicht mehr. Der „nationale Pegel“ stieg allein am Dienstag dank reißendem Wasser im Jordan und anderen Zuflüssen um ganze 22 Zentimeter. Zwar fehlen immer noch rund 2,80 Meter bis zur „obersten roten Linie“, also Minus 208,9 Meter. Aber schon bereiten sich die Experten darauf vor, eine Schleuse im Süden des See Genezareth zu öffnen, damit der See nicht „überläuft“. So sollen Überschwemmungen an den Ufern verhindert werden. Der höchste Pegel des Sees wurde zwischen Israel und dem Vatikan abgesprochen, um Schäden an archäoligschen Funden, etwa in Kapernaum, zu verhindern.

(C) Ulrich W. Sahm / haGalil.com