An der Militäraktion in Mali kann man nur kritisieren, dass sie nicht schon viel früher stattgefunden hat…
Von Stephan Grigat
Erschienen in: Basler Zeitung v. 16.01.2013
Gibt es irgendein gutes Argument, nicht militärisch gegen die islamistischen Banden vorzugehen, die vor mehreren Monaten den Norden Malis in ihre Gewalt gebracht haben und sich nun anschickten, auch in den Südteil des Landes einzufallen?
Bisher war keines zu vernehmen, und es ist wohl kein Zufall, dass sich die obligatorischen Friedensapostel, die selbst noch gegen Nazis und Faschisten, gegen Taliban und iranische Apokalyptiker, gegen Al Qaida, Hisbollah und Hamas Sitzstreiks, Menschenketten und Friedensgebete empfehlen, sich hinsichtlich der Situation in Mali auffällig still verhalten. Die Lage ist einfach zu eindeutig: Im Frühsommer 2012 haben die djihadistischen Gruppen Ansar Dine, Mujao und Al Qaida im Islamischen Magreb die Macht im Norden des Landes gegen den Willen der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung mit brutaler Gewalt an sich gerissen. Seitdem terrorisieren sie die Bewohner mit dem ganzen Arsenal an Menschenfeindlichkeit, das die Scharia in ihrer denkbar schlimmsten Interpretation zu bieten hat, und Djihadisten aus der ganzen Welt schicken sich an, in die eilig errichteten Terror-Ausbildungslager zu strömen. Sowohl die Regierung in der Hauptstadt Bamako als auch sich verzweifelt wehrende Dorfmilizen im Norden haben wiederholt um militärische Hilfe gebeten, ja gefleht. Im Dezember autorisierte der UN-Sicherheitsrat eine „afrikanisch geführte“ militärische Intervention, von der zunächst angenommen wurde, dass sie erst in einigen Monaten realistisch wäre. Nun könnten aber angesichts der Offensive der radikalislamistischen Banden und der militärischen Reaktion Frankreichs, die offensichtlich von einem großen Teil der Einwohner Malis begrüßt wird, sehr viel schneller auch afrikanische Truppen in dem Land aktiv werden.
Abgesehen davon, dass Frankreich und jene westlichen Staaten, die nun logistische und geheimdienstliche Unterstützung anbieten, selbstverständlich auch ihre Einflusszonen in Afrika absichern wollen und keineswegs aus hehren Motiven, sondern schlicht aus jenem oft so schlecht beleumundeten Eigeninteresse handeln, das zu sehr unschönen, aber eben auch zu ausgesprochen unterstützenswerten Ergebnissen führen kann, gibt es nichts, was gegen die Bekämpfung der tugendterroristisch marodierenden Islamisten vorzubringen ist. Natürlich sollte nicht in Vergessenheit geraten, dass die diversen um die Herrschaft konkurrierenden Fraktionen in Bamako und in den benachbarten Staaten wahrlich auch keine sonderlichen Sympathieträger sind – aber eben keine islamfaschistischen Mordbrenner. Ansonsten ist lediglich zu bemängeln, dass ein internationales Eingreifen in dem achtgrößten Land Afrikas nicht schon viel früher stattgefunden hat.
Bei Interventionen wie jener in Mali geht es um Grundsätzliches: Das bürgerliche Ideal vom sich frei entfaltenden Individuum scheitert zwar regelmäßig an der Verlaufsform der globalen kapitalisierten Ökonomie und bleibt stets Ideologie; das islamistische Ideal vom ‚einfachen, gerechten und gottgefälligen Leben’ weist aber nur mehr den Weg in die vollendete Barbarei. Beim Kampf gegen die unterschiedlichen Spielarten des islamischen Djihadismus stehen auf der einen Seite Kräfte, welche auch in einer individuelles Glück systematisch behindernden Gesellschaft das Individuum gegen die repressiven Gemeinschaften verteidigen. Auf der anderen agieren Formationen, für die jeder Erfolg nur einen weiteren Schritt in ihrem Bestreben darstellt, die gesamte Welt in jene Hölle zu verwandeln, welche die djihadistisch befreiten Zonen schon heute sind. Wie es in denen zugeht, hat man im Norden Malis in den letzten Monaten nochmals eindringlich vor Augen geführt bekommen. Deswegen, nicht aus einer fahnentrunkenen Kriegsbegeisterung heraus, muss jedes Appeasement gegenüber der modern-archaischen Barbarei unter dem Banner Allahs kritisiert werden, sei es in Mali oder anderswo.
Stephan Grigat ist Lehrbeauftragter für Politikwissenschaft an der Universität Wien und Mitherausgeber von „Iran im Weltsystem. Bündnisses des Regimes und Perspektiven der Freiheitsbewegung“ sowie Herausgeber von „Postnazismus revisited. Das Nachleben des Nationalsozialismus im 21. Jahrhundert“.