Israels aufsteigende und fallende Sterne

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Yair Lapid ist jung und frisch, seine Zukunft vor ihm, Tzipi Livni ist verwundet und geschlagen, ihre Zukunft ungewiss…

Von Yossi Verter, Haaretz v. 02.05.2012

Rein aus Zufall kreuzten sich am Dienstag die Pfade zweier Politiker auf unseren Fernsehbildschirmen: der eine Yair Lapid, auf seinem Weg nach oben, und die andere, Tzipi Livni, auf ihrem Weg nach unten.

Er ist jung und frisch, seine Zukunft vor sich. Sie ist verwundet und geschlagen, ihre Zukunft ungewiss. Und als ob das, was sie in den letzten Monaten durchgemacht hat, noch nicht genug ist, wurde sogar ihre Abschiedsrede in den Nachrichtensendungen an zweite Stelle hinter die Antrittsrede von Lapid geschoben. Auch dieses Vorrang wurde ihr genommen.

Lapid und Livni sind die beiden Politiker, die, mehr als alle anderen, das, was man als „weißer Stamm“ bezeichnen kann, vertreten – die alteingesessene aschkenasische Öffentlichkeit. Die Unterschiede zwischen ihnen gehen nicht tiefer als die Dicke der Teleprompter, von dem Lapid gelesen hat.

Man könnte sich leicht vorstellen, dass sie in der gleichen Partei kooperieren, obwohl das nicht zu erwarten ist. Was für eine Ironie, dass gerade als sie die Bühne verlässt, er sie betritt. Offenbar verabscheut Politik Vakuum.

Lapids Auftritt gestern im Beit Hatfutsot in Tel Aviv verlief einwandfrei. Er erinnert an den jungen Benjamin Netanyahu, damals, als der seine politische Karriere gerade begann: der gleiche Manierismus, die gleiche Begabung, die gleiche Haarpracht.

Lapid legte sein Programm zur Einbeziehung der Haredim (ultra-orthodoxen Juden) und Araber vor. In gewissem Sinne ist dies ein realistisches Programm, weder übermäßig hart noch allzu nachsichtig. Er versteht, dass es nicht möglich sein wird, sofort Tausende Haredim in die Armee einzuziehen, wenn die Ausnahme-Regelung für Jeschiwa-Studenten am 1. August ausläuft. Lapid-Lösung ist, die bestehenden Ausnahmen für weitere fünf Jahre weiter zu führen und den obligatorischen Dienst – entweder militärisch oder zivil – erst 2017 einzuführen.

Aber in anderer Hinsicht ist sein Programm eine Flucht vor der Realität. Warum 5 Jahre statt zwei? Die Menschen wollen Gleichheit jetzt, nicht erst in fünf Jahren – nach zwei weiteren Wahlen, zwei neuen Knessets und zwei oder mehr neuen Regierungen, und vielleicht sogar nach dem nächsten Krieg.

Aber auf jeden Fall wird Lapids Plan nicht mehr als eine Werbe-Kampagne bleiben. Er hat bereits angekündigt, dass er beabsichtigt, sich jeder möglichen Regierung nach der nächsten Wahl anzuschließen. Wenn sich jene Regierung dann tatsächlich ein für alle Mal mit der Jahrzehnte alten offenen Wunde der Militärdienst-Drückebergerei befasst, wird Lapids Plan einer von vielen sein, der einem Ausschuss übergeben wird, der dann vermutlich die Gesetzgebung erarbeiten soll.

So wie man sich mit der Idee vertraut machen sollte, dass Lapid in der nächsten Knesset präsent sein wird, kann man sicher davon ausgehen, dass Livni nicht da sein wird. Ihre Weggefährten erzählten jedem, der gestern zuhören wollte, dass aus ihrer Sicht „alle Optionen offen sind.“ Aber um die Wahrheit zu sagen: ihre Optionen schrumpfen. Sie hat keine echten Karten im Ärmel.

Sie ist immer noch populär genug, um eine eigene Partei zu gründen und genug Stimmen zu erhalten, um damit in die 19. Knesset zu gelangen. Aber das interessiert sie nicht. Es scheint die Möglichkeit, auf die sie wirklich zählt, ist Panik in ihrer eigenen Partei – die Hoffnung, dass Kadima in ein paar Wochen in den Umfragen sinken wird und ihre bangen Abgeordneten eine Wallfahrt zu Livnis Tür machen. Und dann, im allerletzten Moment bevor die Kanidatenliste dem Zentralen Wahlkomitee übergeben wird, werden sie Shaul Mofaz verdrängen und ihr wieder die Verantwortung für die Partei in die Hände legen.