„Brauchen wir eine Zentrum für verfolgte Künste?“

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Die Else Lasker -Schüler – Gesellschaft – Partner des PEN-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland, veranstaltete am 26.2.2012 eine Diskussion zum oben genannten Thema.  Eines der Plädoyers hielt Peter Finkelgruen…

Sehr geehrte Damen und Herren,

unser letztes Jahr im Alter von 101 Jahren verstorbener langjähriger Präsident Prof. Hans Keilson sagte anlässlich der Präsentation einer Anthologie  unseres Zentrums in einer Debatte im  Goethe Institut in Amsterdam, „die deutsche Literaturdas waren wir. Er bezog sich auf den deutschen  PEN-Club im Exil,  der mit seinen Mitgliedern für ein anderes, besseres Deutschland stand. Die Namen der Brüder Thomas und Heinrich Mann, Lion Feuchtwanger und Robert Musil stehen stellvertretend für alle Vertreter der deutschen Kultur, deren Werke in Deutschland dem Scheiterhaufen übergeben wurden und die in die Vertreibung gehen mussten, wenn sie nicht dem Schweigen oder der physischen Vernichtung anheim fallen wollten .

Vor wenigen Wochen sagte die in Fürth geborene Autorin Ruth Weiss, eine Mitschülerin von Henry Kissinger bei einer Lesung in Köln: „…man hat uns nicht gerufen“.

Tatsächlich wurden die in der Zeit des Dritten Reichs Vertriebenen von niemandem gerufen oder gar gebeten zurückzukommen – auch wenn die Deutsche Welle, der Auslandsrundfunk der Bundesrepublik Deutschland, als Erkennungsmelodie die Töne der Arie „es ruft ein Bruder seine Brüder… “ aus Ludwig van Beethovens Fidelio tagtäglich in alle Welt sendete. So mancher meinte denn auch noch in den sechziger  Jahren, es seien ja wohl auch nicht die Brüder gemeint, die vor dem 8. Mai 1945 Deutschland verlassen haben.

Darauf, wie Thomas Mann nach dem Krieg in seiner Heimat nicht willkommen geheißen wurde, brauche ich hier nicht einzugehen. Keiner wurde als gewollt  begrüßt und bedankt dafür, dass er oder sie – wobei ich hier spontan an Marlene Dietrich denke –  für ein anderes Deutschland eingestanden waren.

Auch der Deutsche PEN im Exil nicht. Die beiden deutschen  PEN-Zentren, die nach dem Krieg gegründet wurden, spiegelten eher die Welt des kalten Krieges wieder, und in beiden Fällen waren diejenigen, die im Exil waren, eher weniger als mehr liebe Genossen. So beging der Exil PEN sein 60 Jubiläum mit einem anderen Namen. Dank der Bemühungen des westdeutschen und des ostdeutschen PEN, seine Auflösung zu forcieren, entging er diesem Schicksal nur, indem er sich in PEN-Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland umbenannte.

Die Republik Österreich hat es sich 1994 nicht nehmen lassen und hat das sechzigjährige Jubiläum des Exil-PENs mit einer offiziellen Veranstaltung gewürdigt.  In Deutschland hat der Staat davon keine Kenntnis genommen, und so war es die Else Lasker Schüler Gesellschaft, die eine Art Geburtstagsfeier ausrichtete. Sie fand anlässlich des 2. Else Lasker Schüler Forums unter dem zutreffenden Titel Exil ohne Ende statt.

Auch wenn manche vielleicht lieber die Existenz des Exils und daraus zu ziehende Folgerungen ausgeklammert, beiseite gewischt oder wie einen Verein aufgelöst hätten, der Exil PEN, das heutige  PEN-Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland ist aktiv und lebendig.

Seine heutigen Mitglieder spiegeln den Lauf der deutschen Geschichte von der Zeit vor 1945 bis in die Gegenwart wider: Einige Mitglieder sind Überlebende aus der Zeit des Exils vor 1945.

Dann gibt es Mitglieder, die  wieder nach Deutschland gekommen waren – sie werden bis heute immer wieder mit Unsicherheiten und Ängsten konfrontiert. Andere Mitglieder wiederum leben weiterhin im Ausland. Dies umfasst auch ehemalige Dissidenten aus der DDR-Diktatur bis hin zu Autoren, die, aus anderen Ländern kommend, heute in Deutschland Exil gefunden haben und hier schreiben.

Wir alle brauchen ein „Zentrum für verfolgte Künste“, das, auf den Erfahrungen der Geschichte basierend, mit  und von den Betroffenen gestaltet wird und das ihnen als eine Art Willkommensgruß ein Zuhause bietet.


Peter Finkelgruen (l.) während des Internationalen PEN-Kongresses in Berlin 2006