Marine Le Pen sahnt ab

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…und steht erstmals bei 20 % Wahlabsichten in den Vorwahlumfragen. Unterdessen setzt Nicolas Sarkozy auf die glorreiche Idee, eine „Islamdebatte“ (mal wieder!) zu initiieren. Brandgefährlich !…

Von Bernard Schmid, Paris

Einen gestrengen Lehrer hat die neue Parteivorsitzende des französischen Front National (FN), Marine Le Pen, offenkundig – relativ – zufrieden gestellt. Der rechtsextreme Gelehrte und Menschenrechts-Kritiker Alain de Benoist, der bislang gegenüber Parteien im Allgemeinen und dem FN im Besonderen als hochgradiger Skeptiker auftrat, hat ihr jedenfalls jüngst öffentlich Pluspunkte zugesprochen.

Bis vor kurzem hatte de Benoist sich eher vornehm aus den Niederungen der Parteipolitik herausgehalten, trotz einer (verhüllten doch erkennbaren) Unterstützung für die Anführer der rot-braun und nationalrevolutionär geprägten „Antizionistischen Liste“ bei den Europaparlamentswahlen 2009, Alain Soral und Dieudonné M’bala M’bala. Dem FN hatte er jedoch lange Jahre hindurch so Einiges vorgeworfen. Etwa primitiven Chefkult, einen viel zu simplen Rassismus – Stichwort: „Sündenbock Ausländer“ statt eines (durch de Benoist propagierten) „Ethnopoluralismus“, der die „Differenzen“ positiv hervorhebt und dabei auch die „kulturelle Identität“ der Anderen unterstreicht, um sie gegen „Vermischung“ zu verteidigen – und Theorielosigkeit.

Doch in der Ausgabe der nationalrevolutionär ausgerichteten, 14-täglichen Zeitung ,Flash’ vom 27. Januar 11 verleiht de Benoist nun plötzlich der neuen Parteivorsitzenden Marine Le Pen relativ gute Noten. Und dies ist erstaunlich, denn gerade Marine Le Pen kehrt einer Ausrichtung im Sinne des „Ethnopluralismus“ (auf eine „getrennte Entwicklung“ der Kulturen hin) den Rücken, um eine Orientierung gegen den „Hauptfeind Islam“ zu übernehmen. Im Rahmen der rechtsextremen Theoriedebatte, in der sich Befürworter einer Linie „gegen den Hauptfeind Islam“ ihren scharfen Kritikern – die von einer Anpassung an die US-amerikanische Linie des ,clash of civilizations’ und dadurch einer „Unterordnung unter die Neue Welt-Ordnung“ sprechen – gegenüber stehen, dürften Marine Le Pen und Alain de Benoist eher an entgegen gesetzten Enden stehen. De Benoist zählte folgerichtig zu jenen Vertretern der französischen extremen Rechten, die am 13. April 2010 in Paris mit dem Botschafter der Islamischen Republik Iran zusammentrafen. Hingegen gehört Marine Le Pen im Europäischen Parlament dem Ausschuss für „Freundschaftsbeziehungen zwischen dem Europaparlament und Israel“ an. (Auch wenn ihr die Teilnahme an einer Delegationsreise in den Staat Israel, im Jahr 2005, unter Verweis auf antisemitische Sprüche ihres Vaters und damaligen Parteivorsitzenden verweigert wurde.) Beides sind Ausflüsse der jeweiligen Orientierung in internationalen Fragen.

Nunmehr skizziert Alain de Benoist in den Spalten von ,Flash’ eine Linie der, sozusagen, „kritischen Unterstützung“ für Marine Le Pen und den neuen Kurs des FN. Am selben Ort erklärt er auch, noch nie im Leben bei Wahlen für den FN gestimmt zu haben. Nun aber interessiere ihn die Neuausrichtung der Partei. Der rechtsextreme Philosoph und Chefdenker der Theoriefabrik der „Neuen Rechten“ – wie sie in den 1970er Jahren hieß, heute ist sie nicht mehr so neu und bestreitet selbst, überhaupt rechts zu sein – in Gestalt des GRECE argumentiert dazu folgendermaßen: „Es gibt drei neue Elemente“ im Diskurs der neuen Chefin der Nationalfront: „Ihre betonte Kritik am Wirtschaftsliberalismus und der Macht des großen Geldes; ihre sehr jakobinische Kritik am ,Kommunitarismus’ (Anm.: soll bedeuten, an angeblichen Sonderinteressen der Moslems); und schließlich eine Kritik an der ,Islamisierung’, die mir mehr und mehr den Platz der (bisherigen) Kritik an der Immigration einzunehmen scheint.“

Das erste dieser drei Elemente, betont de Benoist, „unterstütze ich“. Hingegen lehne er die anderen beiden ab. Dazu führt er aus: „Man kann die Pathologien der Einwanderung kritisieren, ohne die Einwanderer – die in mancherlei Hinsicht selbst ihre Opfer sind – zu attackieren. Hingegen kann man nicht die ,Islamisierung’ kritisieren, ohne die Muslime zu stigmatisieren. Dies bedeutet ferner auch, widernatürlichen Allianzen die Türe zu öffnen, deren Vervielfachung man zur Zeit beobachtet; mit der Auswirkung, dass die islamophobe Rechte und extreme Rechte dabei sind, in Europa ein Bestandteil der Strategie Israels zu werden.“ Dabei hatte Alain de Benoist sicherlich auch die gemeinsame Israel-Reise von österreichischer FPÖ, belgisch-flämischem Vlaams Belang, „Pro Deutschland“ und den „Schwedendemokraten“ – auf der Suche nach einem Persilschein als Philosemiten – aus der ersten Dezemberwoche 2010 im Blickfeld.

Rechte Sozialdemagogie

Doch am neuen Kurs Marine Le Pens interessiert ihn offenkundig vor allem die vordergründig „soziale“, anti-wirtschaftsliberale und (betont) protektionistische Ausrichtung. Diese hat Marine Le Pen tatsächlich in ihrer Kongressrede, ihrer ersten Ansprache als neue Vorsitzende, vom Sonntag den 16. Januar 2011 sehr stark in den Vordergrund gerückt. Inzwischen hat ihr dies übrigens Kritik von der Arbeitgeber-Präsidentin Laurence Parisot eingebrockt („nichts“ gefalle ihr am Wirtschaftsprogramm von Marine Le Pen, antwortete die wirtschaftsliberale Dame in einem Radio-Interview vom 13. Februar 11; und Marine Le Pen sei durch ihr Vorhaben eines Euro-Austritts einem „Delirium des Grenz- und Zollzaun-Errichtens“ verfallen ((Vgl. http://www.europe1.fr/Politique/Parisot-veut-une-assurance-privee-obligatoire-411177/)) ). Woraufhin Marine Le Pen noch am selben Tag – in einem Pressekommuniqué vom selben Datum – antwortete, dies sei „absolut normal“.

Denn, so diese Presseerklärung, „die Repräsentantin des globalisierten Großkapitals hat es richtig gesehen: Das Programm des Front National platziert sich in einer totalen Absage an die ultraliberalen Dogmen des (Anm.: Haupt-Arbeitgeberverbands) MEDEF und seiner verlängerten Arme in der Politik, der UMP und der Sozialistischen Partei.“ Und fügte hinzu: „Wir versichern: ,Nichts gefällt uns’ am Wirtschaftsprogramm des MEDEF, das darin besteht, unsere Arbeitnehmer einer unloyalen Konkurrenz mit der ganzen Welt auszusetzen, uns in das europäische Korsett zu zwängen, und unser Land einer Waffe zu berauben, die durch 95 % der Länder der Welt benutzt wird – die Währung.“ Gemeint ist, dass im Rahmen einer eigenen, souveränen Währungspolitik Abwertungen der jeweiligen Nationalwährung möglich wären, um sich Wettbewerbsvorteile (wieder) zu holen. Dies ,funktioniert’ jedoch überhaupt nur der Voraussetzung, dass die auf diese Weise erfolgte Verbilligung von Ausfuhren auch in eine reale Möglichkeit zur Übernahme von zusätzlichen Absatzmärkten mündet (welche auch durch andere Konkurrenten oder „nationale“ Anbieter der jeweiligen Länder übernommen oder verteidigt werden können). Und dass dem nicht gleich schwer wiegende Nachteile durch die Verteuerung von Importen entgegen stehen. Das Hexen-Einmaleins der Nationalfrontisten funktioniert also nicht ganz so einfach, wie es dargestellt wird, respektive könnte sich auch als Milchmädchen-Rechnung erweisen.

Alain de Benoist, dem es offenkundig darum geht, dass die sozialdemagogisch auftretende extreme Rechte auf Dauer den Marxismus von seinen historischen Grundlagen verdrängen soll, genügt dies noch nicht. Er führt an derselben Stelle aus, „auch das Wahlprogramm des FN von 2007“ sei „noch sehr wirtschaftsliberal“ gewesen. Obwohl damals dem FN, der sich im Jahr 2007 in einem Abwärtssog befand – u.a. weil der konservative Präsidentschaftskandidat Nicolas Sarkozy kurzfristig eine starke Anziehungskraft auf seine früheren Wählern ausübte -, vor allem seine Arbeiterwählerschaft blieb. (Ihr mittelständischer Anteil wurde zu dem Zeitpunkt tatsächlich weitaus stärker durch Sarkozy abgeworben, als der Unterklassen-Anteil an der rechtsextremen Wählerschaft.)

Nunmehr stellt Alain de Benoist – wirklich ein strenger Lehrer! – Marine Le Pen die Kopfzerbrech-Aufgabe, sie möge zukünftig über „Klassenverhältnisse“ sprechen und „die Logik des Profits und der Kapitalakkumulation“ durchblicken und angreifen. Ungefähr so, als weise er einen Schüler in Deutsch und Englisch an, doch, bitte schön, bis morgen seine Aufsätze auf Italienisch verfassen… Aber nein, so weit geht de Benoist Anliegen denn noch nicht. Es soll auch nur so KLINGEN, als sei es irgendwie links, marxistisch oder jedenfalls „sozial“. Der Urgrund soll natürlich rechts bleiben.

„Eine Alarmschwelle wurde überschritten“

Unterdessen hat ihr betont „sozialer“ und wirtschaftspolitische Themen ansprechender Diskurs offenkundig bei Teilen des Publikums und der Wählerschaft bereits voll „eingeschlagen“. Sicherlich auch vor dem Hintergrund der Krise des Sarkozy-Regimes, das im Kontext verbreiteter sozialer Unzufriedenheit und auch in Anbetracht neuer Affären & Skandale – etwa die engen Beziehungen von Regierungsmitgliedern (Außenministerin und Premier), welche auch mit persönlicher Vorteilnahme verbunden waren, zu den soeben gestürzten Diktaturen in Tunesien und Ägypten betreffend – allmählich Verwesungsgeruch auszuströmen beginnt.

Erstmals erreichte Marine Le Pen in der vergangenen Woche in Umfragen einen Wort von 20 % (zwanzig Prozent) in de Wahlabsichten der französischen Stimmbürger/innen, genau vierzehn Monate vor den anstehenden Präsidentschaftswahlen. Der Vorsitzende der neben der konservativ-wirtschaftsliberalen UMP mit regierenden Kleinpartei „Neues Zentrum“ (NC), Ex-Verteidigungsminister Hervé Morin, sprach am vorigen Freitag von einer „Alarmschwelle“, die überschritten worden sei. (( Vgl. http://www.lefigaro.fr/flash-actu/2011/02/18/97001-20110218FILWWW00448-2012-fnsondage-cote-d-alerte-franchie.php))

„Islamdebatte“, die 1.814-te Auflage, oder war es die 1.817-te…

Vor diesem Hintergrund nun hat Staatspräsident Nicolas Sarkozy den glorreichen Einfall entwickelt, auf den 05. April dieses Jahres eine Debatte – in Form eines Kolloquiums der Regierungspartei UMP – zum Thema „Islamdiskussion“ anzuberaumen. ((Vgl. zu den ersten Meldungen diesbezüglich http://www.lefigaro.fr/politique/2011/02/16/01002-20110216ARTFIG00690-sarkozy-souhaite-fixer-des-regles-a-l-islam-en-france.php  und http://www.francesoir.fr/actualite/societe/islam-sarkozy-lance-un-debat-pour-avril-74063.html)) Offiziell lautet das Thema eigentlich „Der Platz der Religionen“. Alle wissen aber ganz genau, was gemeint und beabsichtigt ist. Anlässlich seines Fernseh-Auftritts am 10. Februar und, deutlicher noch, vor UMP-Abgeordneten auf Besuch im Elysée-Palast am 16. Februar ließ Nicolas Sarkozy es diesbezüglich nicht an Deutlichkeit vermissen: Es wird ausschließlich oder quasi ausschließlich um die Rolle der moslemischen Religion in Frankreich gehen. Bei seiner TV-Ansprache stellte er etwa die Suggestivfrage: „Welches sind die Grenzen, die wir dem Islam setzen? Es kommt nicht in Frage, dass wir eine französische Gesellschaft haben, die einen Islam in Frankreich erleidet.“ (Den „Islam IN Frankreich“ setzt er in seiner Rhetorik einem „Islam AUS Frankreich“, der ordentlich angepasst sei und in dessen Moscheen gefälligst ausschließlich auf Französisch gepredigt wird, entgegen.) Das Ganze garnierte Sarkozy mit einem Statement über das „Scheitern des Multikulturalismus“, das in quasi identischer Wortwahl auf jenes von Angela Merkel vom Oktober 2010 sowie dasjenige des britischen Premierministers David Cameron auf der Münchener Sicherheitskonferenz vom 05. Februar 11 folgt.

Marine Le Pen hat das Vorhaben einer solchen Debatte sogleich und eilfertig öffentlich „begrüßt“. Und sich bei der UMP „bedankt“, mit den Worten: „Noch eine kleine Anstrengung (Anm.: seitens der Konservativen), und wir sind bei 25 Prozent!“ ((Vgl. http://actu.orange.fr/politique/marine-le-pen-encore-un-effort-de-l-ump-et-le-fn-atteindra-25_102207.html)) Umgekehrt hat am heutigen Tage – dem 21. Februar – die frühere Fernseh-Journalist Anne Sinclair, Ehefrau des möglichen sozialdemokratischen Präsidentschaftskandidatin in Frankreich 2012 und aktuellen Direktors des IWF, Dominique Strauss-Kahn, dieses Vorhaben Sarkozys in heftigen Worten kritisiert. Sie bezeichnete es als „Spiel mit dem Feuer“.

Wahlbündnis: Rechtskonservative – FN – ,Bloc identitaire’ in Nizza

 Zuvor hatte Marine Le Pen am 04. Februar 11 einen Abstecher nach Nizza unternommen, wo sie ein neuartiges Wahlbündnis einfädelte.

Zu den bevorstehenden Bezirksparlamentswahlen vom 20. und 27. März wird dort eine gemeinsame Liste auf der extremen Rechten antreten, auf der sowohl der FN als auch der bisher bitterlich mit ihm zerstrittene Bloc identitaire wie auch Rechtskonservative antreten werden. Bei den letztgenannten Partnern handelt es sich um den  Anhang des früheren Bürgermeisters von Nizza, Jacques Peyrat (von 1995 bis 2008 konservatives Stadtoberhaupt), der allerdings zuvor bis Ende 1994 auch langjähriges Mitglied des Front National und früherer Militärkumpan von Jean-Marie Le Pen war.

Bei den Kommunalwahlen im März 2008 war Peyrat, der zuvor eine eigene Liste gegen die konservativ-wirtschaftsliberale UMP – welcher er zuvor angehörte – und ihren „offiziellen“ Kandidaten Christian Estrosi aufgestellt hatte, gegen Letzteren in der Stichwahl unterlegen. Damals hatte Peyrat im zweiten Wahlgang 25,5 Prozent erhalten, gegenüber 41,33Prozent für Sarkozys Minister Christian Estrosi. Hinter ihm und einer sozialdemokratischen Liste landete Peyrat damals auf dem dritten Platz.

4 Kommentare

  1. Justi, auch hier. Ihr Vokabular lässt tief blicken. Unappetilich.
    Und was soll der martialische Name? Wer soll Sie so ernst nehmen?

  2. Europa steht unter dem negativen Einfluss von Deutschland. Aber, mir persönlich ist eine Gesellschaft von Würmern in Exkrementen, eine Freundschaft von Läusen und kneifenden Parasiten, die Gegenwart von stinkenden Ratten und Ungeziefer allemal lieber, als die Gegenwart eines deutschen Geistes ! Wo ist  Europa, wo ist Kultur, Freundschaft, Humanismus, Moral, Ehrlichkeit, Anstand ? Gewichen, dem zweifelhaften, heimtückischen Glittern des (Obersturmführers) Siegried, dem „deutschen“ Helden !

  3. kerry,
     
    Kurosch hat die Babylonische Gefangenschaft beendet und den Wiederaufbau des Tempels ermöglicht. Richtig, wir sollten das nicht vergessen!
    Aber Ahmadinedschad und seine Schergen schlagen Kurosch und sein Volk, foltern und vergewaltigen es, Ahmadinedschad steht nicht für den Iran, sondern für Grausamkeit, Religionsmißbrauch, Mißhandlung in vieler Hinsicht!
     
    Freiheit für das iranische Volk!

  4. perser haben juden mal aus der sklaverei befreit und nun versuchen juden mit aller macht iran zu schwächen egal mit welchen mitteln.
    traurige geschichte

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