Ein ausgezeichneter Partner: Die Doppelmoral deutscher Politik Tunesien gegenüber

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Mit einer grotesken Volte reagiert Berlin auf den Sturz seines langjährigen tunesischen Verbündeten Zine el-Abidine Ben Ali. Es sei zukünftig „unabdingbar, die Menschenrechte zu respektieren“, verkündet die Bundeskanzlerin in völligem Einklang mit ihrem Außenminister…

German-Foreign-Policy.com

Jahrzehntelang hatten Menschenrechts-organisationen sich im Kanzleramt sowie im Auswärtigen Amt über gravierende Menschenrechtsverbrechen des tunesischen Regimes beschwert – vergeblich. Tatsächlich gehörte die äußerst repressive Regierung unter Staatspräsident Ben Ali zu den Verbündeten der Bundesrepublik in Nordafrika; sie war nicht nur politisch kooperationswillig, sondern schuf auch für deutsche Unternehmen lukrative Rahmenbedingungen – mit Niedriglöhnen, die Tunesien zum beliebtesten Produktionsort deutscher Manager in Nordafrika machten. Ben Ali, den Berlin heute verteufelt, um nach seinem Sturz in Tunis Einfluss behaupten zu können, wurde von der deutschen Wirtschaftspresse vor nicht allzu langer Zeit als „milder Diktator“ gelobt. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung nannte sein Regime noch vor wenigen Wochen einen „ausgezeichneten Partner“.

Verlängerte Werkbank

Mit dem Regime des jetzt gestürzten tunesischen Staatspräsidenten Zine el-Abidine Ben Ali waren Berlin und deutsche Unternehmen in den letzten 20 Jahren gewöhnlich eng verbunden. Einige Bedeutung besitzt Tunesien für die deutsche Industrie – als verlängerte Werkbank. Deutschland ist drittgrößter Handelspartner Tunesiens. Es lässt insbesondere industrielle Vorprodukte in das Land einführen, die dort weiterverarbeitet werden – oft von Firmen mit deutscher Beteiligung -, um dem Konsum in Deutschland zugeleitet zu werden. Als klassisches Beispiel gilt die Textilindustrie, die Materialien importiert und sie in Tunesien zu Niedrigstlöhnen weiterverarbeiten lässt. Auf solche Durchlaufbetriebe entfallen rund 40 Prozent der tunesischen Einfuhren aus Deutschland sowie 80 Prozent der Exporte in die Bundesrepublik. „Tunesien ist der bedeutendste deutsche Exportpartner unter den Maghreb-Ländern“, schreibt das Auswärtige Amt über die ökonomische Handlangerrolle des nordafrikanischen Staates.[1] Gleichzeitig ist Deutschland der viertgrößte Auslandsinvestor in Tunesien: In dem nordafrikanischen Land sind mehr als 250 meist exportorientierte Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung aktiv; bekannt ist etwa der Standort des Automobilzulieferers Leoni, der rund 12.000 Tunesier für deutsche Gewinne arbeiten lässt.

Hungerlöhne

Über die Ursachen der Beliebtheit Tunesiens bei deutschen Managern berichtete die bundeseigene Außenwirtschaftsagentur Germany Trade and Invest (gtai) exemplarisch im Jahr 2008. Damals war bei gtai zu lesen [2], „die Lohnkosten in Tunesien“ lägen „im internationalen Vergleich am unteren Ende der Skala“. Nur einige Länder in Ostasien wiesen „ein niedrigeres Lohnniveau“ auf; selbst „in Marokko und der Türkei“ müssten „höhere Löhne gezahlt werden“. Damit sind die Armutszustände recht präzise beschrieben, die – in Verbindung mit für deutsche Firmen offenbar nicht schädlicher Korruption – nun die Revolte gegen das Regime von Staatspräsident Ben Ali ausgelöst haben. „Ein aufgeklärtes Land mit liberaler Wirtschaftsordnung“ sei Tunesien, lobte die Wirtschaftspresse vor Jahren angesichts der Hungerlöhne; es profiliere sich so „als Standort für industrielle Investoren“. Maßgeblich verantwortlich für die lukrativen Bedingungen sei der „milde Diktator“ Ben Ali.[3]

Nicht ernst gemeint

Tatsächlich sorgte Ben Ali dafür, dass sein Land europäischen Unternehmen gewinnbringend zur Verfügung stand. Unter seiner Regierung schloss Tunis im Jahr 1995 ein Assoziationsabkommen mit Brüssel, näherte sich danach der EU handelspolitisch weiter an und trat 2008 in eine Freihandelszone mit Europa ein – als erstes Land in Nordafrika. Dabei half auch die deutsche Entwicklungspolitik, die sich dem Auswärtigem Amt zufolge die „Modernisierung der tunesischen Wirtschaft“ auf die Fahnen schrieb – zwecks „Vorbereitung“ des Landes „auf die Zollunion mit der EU“.[4] Auch in der Migrationsabwehr erfüllte Ben Alis Regierung gewöhnlich Europas Wünsche, nicht zuletzt mit einigen gebrauchten Marine-Schnellbooten, die Tunis im Jahr 2005 der deutschen Kriegsmarine abkaufte. Lediglich Menschenrechtsorganisationen protestierten. Es gebe im Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Tunesien eine Klausel, die theoretisch die Achtung der Menschenrechte vorschreibe, erinnerte Amnesty International im Jahr 2006: „Wenn die EU diesen Passus wirklich ernst nähme“, hätte sie das Abkommen mit Tunesien längst „kündigen“ müssen.[5]

Kein Anspruch auf Hilfe

Selbstverständlich hatte auch Berlin keinerlei Interesse, die höchst lukrative Kooperation durch das Insistieren auf Menschenrechten zu belasten. Selbst wenn man die Bundesregierung mit Vorwürfen konfrontiere, denen zufolge die tunesischen Repressionsapparate folterten, bekomme man lediglich zu hören, „dass die tunesische Regierung die Vorgänge anders darstellt“, berichtete der Journalist Marc Thörner im Herbst 2005 im Gespräch mit dieser Redaktion.
Thörner selbst war im Jahr 2003 bei der Recherche in Tunesien illegaler Polizeirepression ausgesetzt. Als er die deutsche Botschaft als deutscher Staatsbürger um Unterstützung bat, erhielt er die Auskunft, er habe sich den Behörden des Landes zu fügen – einen Anspruch auf Hilfe durch die Botschaft habe er keinesfalls.[6] Oberster Dienstherr der diplomatischen Vertretung der Bundesrepublik war damals Joseph Fischer (Bündnis 90/Die Grünen).

Änderungen in seiner Tunesien-Politik nahm Berlin bis Jahresende 2010 nicht vor. Als etwa im November 2010 eine hochrangige Parlamentarierdelegation aus Tunis die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin besuchte – unter der Leitung eines auch für „Menschenrechte“ zuständigen Ausschussvorsitzenden -, da nannte der stellvertretende Generalsekretär der deutschen Stiftung Ben Alis Tunesien einen „ausgezeichneten Partner“.[7]

Mit einer grotesken Volte sucht Berlin sich von seinem gestürzten Partner Ben Ali abzusetzen

Tunesien ist über ein Assoziierungsabkommen mit der EU verbunden (im Bild Ben Ali und Herman Van Rompuy, Präsident des Europäischen Rates).
Schon am Wochenende verkündete die Kanzlerin – auch Vorstandsmitglied der Konrad-Adenauer-Stiftung, die den tunesischen Repressionsstaat soeben noch gelobt hatte -, es sei nun „unabdingbar, die Menschenrechte zu respektieren, Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit zu garantieren“. Die EU und insbesondere Deutschland stünden selbstverständlich bereit, „bei einem solchen Neuanfang unterstützend zur Seite zu stehen“.[8] Der Außenminister, dessen Behörde zuvor selbst Journalisten aus Deutschland im Stich gelassen hatte, die von den tunesischen Repressionsapparaten bedrängt wurden, teilt nun mit, Tunesien brauche „einen nachhaltigen und dauerhaften Reformkurs“.[9]

Dass seine Behörde gewisse Schwierigkeiten hat, den Sturz ihres langjährigen Verbündeten in Tunis zu verarbeiten, zeigt ein Blick auf die aktuellen Informationen des Auswärtigen Amts über Tunesien. Dort findet sich – Stand: August 2010 – die Feststellung: „Die Beziehungen zwischen Deutschland und Tunesien sind gut und intensiv.“[10] Über die Menschenrechtslage in dem nordafrikanischen Repressionsstaat heißt es, zwar gebe es „in der Praxis“ gewisse „Defizite“. Pessimismus sei jedoch unangebracht: „Die Verfassung garantiert die Menschenrechte und eine unabhängige Justiz.“[11]

[1] Beziehungen zu Deutschland; www.auswaertiges-amt.de August 2010
[2] Lohn- und Lohnnebenkosten – Tunesien; www.gtai.de 28.03.2008
[3] Milder Diktator; www.wiwo.de 03.06.2006
[4] Beziehungen zu Deutschland; www.auswaertiges-amt.de August 2010
[5] Nichts hören, nichts sehen; AI-Journal April 2006
[6] s. dazu Interview mit Marc Thörner
[7] Ausgezeichnete Partnerschaft stärker in Wert setzen; www.kas.de 11.11.2010
[8] Bundeskanzlerin Merkel zur Lage in Tunesien; Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 15.01.2011
[9] Bundesaußenminister Westerwelle begrüßt Bildung einer Regierung der nationalen Einheit in Tunesien; Pressemitteilung des Auswärtigen Amts 17.01.2011
[10] Beziehungen zu Deutschland; www.auswaertiges-amt.de August 2010
[11] Innenpolitik; www.auswaertiges-amt.de August 2010

Dank an German-Foreign-Policy.com
Quelle: http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57986, Erscheinungsdatum des Originalartikels: 18/01/2011, Artikel in Tlaxcala veröffentlicht: http://www.tlaxcala-int.org/article.asp?reference=3484

22 Kommentare

  1. (ein kleines „offtopic“)
    Ihr Tunesier, die Weiber des Maghreb werdet Ihr genannt, mit Jasmin hinterm Ohr, Didos stolze Stadt bewohnt Euch, die Vandalen haben bei Euch gehaust, die Römer haben Euch zivilisiert, die Araber haben Euch genommen, die Griechen manche Spur hinterlassen.
    Stolze Berber, Ihr habt den Ali verjagt, nun verjagt auch seinen „Onkel“!
     
    Gedenket Dihya al-Kahina, stolze Berber, erinnert Euch, wer sie verraten hat!
     
    Kämpft für Eure Freiheit, für Euer Volk, besinnt Euch Eurer reichen Geschichte, seht, wie alt ist Eure Kultur, bevor der Islam über Euch kam, seit stolz, daß Ihr Menschen seit, nehmt Euch die Freiheit, die einem freien Menschen geziemt!
     
    Werft nicht fort Eure Religion, werft fort die Lügner, die Seinen Namen beschmutzen und Euch knechten, nennen sie es Islam, nennen sie es Kapital, werft sie fort und seit frei unter der stolzen Sonne des Atlas!
     
    Ihr seit wie der Wind, sanft wie Jasmin und brutal wie der Orkan, wer kann Euch knechten, Ihr Weiber des Maghreb!
     
    Seit mutig und entschlossen gegen die Lügner die Euch knechten!
    Der große Himmel, die tiefe Erde, die starke Sonne, der Glanz des Mondes, das Licht der Sterne, Ihr Löwen Tunesiens, Haschem stehe Euch bei, Ihr Weiber des Maghreb!
    (ja, so träumte ich)

  2. Aus den Worten meiner Gegner geht hervor, selektive Wahrnehmung scheint weit verbreitet, der kritische Blick auf sich selbst vollkommen verstellt, die Eigenwahrnehmung auf das Wort ’normal‘ geradezu fixiert, ‚Hopfen und Malz‘ somit verloren zu sein.
     
    Glücklicherweise gibt’s auch andere Deutsche und die lob‘ ich mir.
    Schluss mit der Debatte (für mich).

  3. @Robert Schlickewitz
    Oder sind auch Sie der Meinung, dass es ‘ganz normal’ ist, dass ein Land, das noch vor weniger als siebzig Jahren den industrialisierten Massenmord an Juden betrieb, heute, im 21. Jh., im europäischen Vergleich den höchsten Anteil an Antisemiten aufweist?

    Herr Schlickewitz, antideutsche Ressentiments wie die Ihren, implizite Kollektivschuldandichtungen, weshalb die Deutschen auch heute ‚kein normales Volk‘ seien, all das kommt stets aus der Ecke eingefleischter Hardcore-Zionisten, die auf der anderen Seite bisher noch jedes Verbrechen Israels tolerierten.

    Ich wundere mich deshalb eher, dass der Judenhass unter den jüngeren Deutschen nicht viel stärker ausgeprägt ist, wie z.B. in Ungarn. Dort würden Sie und Ihresgleichen sich zumindest dreimal überlegen, was Sie an hanebüchenen Vorhaltungen der heutigen Generation auftischen, um sich und Ihresgleichen zum ‚Opfer und Wächter in einem‘ gerieren zu können. Menschen wie Sie sind mir zutiefst unsympathisch.

    • Also bei Ihnen spürt man ja bald die Panzerknackerfaust aus dem Text herausspringen.
      Sonst alles gut?
      Hardcore-Zionist, ist das punk?
      ZB. in Ungarn steht man sehr auf hardcore. Ihre Freunde?
      Juden bewegen sich dort übrigens nicht unter Polizeischutz wie in Ihrem voll korrektem Deutschland.

  4. @Jane
    So, was für eine „Sache“ ist das denn mit den 30-50 %?
    Wollen Sie die Umfrageergebnisse in Frage stellen und seriöse Studien damit nicht gelten lassen? Ist wohl auch ein Teil Ihrer Selbstschutztaktik, nach dem Motto, was nicht in mein Weltbild passt, glaub‘ ich einfach nicht. Sie machen es sich schön einfach.
     
    In Ihren wortreichen Beiträgen war auf Deutschland bezogen bisher ausschließlich von der Vergangenheit und von der Geschichte die Rede. Wie sehr Sie das scheußliche etc. von damals Alles bedauern. Lesen Sie selbst nach. Dies ist keine Unterstellung von mir. Die antisemitische, deutsche Gegenwart hingegen blenden Sie systematisch und konsequent aus, richten vielmehr Ihren Blick starr auf Israel und dessen „Verbrechen“.
     
    Sollte man nicht lieber zuerst vor der eigenen Tür kehren?
     
    Oder, um es mit einem ehrwürdigen Christenwort zu sagen, ehe Sie der Splitter im Auge des anderen stört, beschäftigen Sie sich lieber mit dem Balken im eigenen Auge.
    Denken Sie mal darüber nach.

    • Hallo, Kompagnon, noch ist Deutschland nicht verloren! Wo ich Sie hier finde, einen kleinen Nachhieb habe ich mir erlaubt auf unsere Deutschtümelei. Wenn Sie gucken mögen…? Chasak…!
      (Lassen Sie sich von Jane oberschlau liest sehr genau und mfb naseweis nicht ärgern)

  5. @ Herr Schlickewitz,

    nur weil etwas in irgend einem Buch steht, muss es noch lange nicht den Tatsachen entsprechen. Ich habe mal gelesen, dass eine Großmutter lebend aus dem Bauch eines schlafenden Wolfes beschnitten wurde. Ich glaub es trotzdem nicht.

    Herr Gessler ist sichlich ein guter Journalist (hoffe ich jedenfalls). Aber er ist, so vierl ich weis, nicht der anerkannte Sozialwissenschaftler, der aufgrund einer anerkannten neutralen Studie Prozentzahlen nachweisen kann. Das behaupte ich jetzt mal ohne sein Buch gelesen zu haben.

    Zur Studie in Münster. Ich nehme mal an, dass Sie die Studie „Wahrnehmung und Akzeptanz religiöser Vielfalt" meinen. Tatsächlich stellt diese Studie heraus, dass Deutsche im Vergleich zu anderen westlichen Ländern deutlisch intolleranter sind. Ca 60% der befragten Deutschen erklären, dass sie eine eher negative oder sehr negative Meinung zum Islam haben. Und jeweils ca. 30% der befragten Deutschen erklären, dass sie eine eher negative oder sehr negative Meinung zum Judentum, zum Buddismus oder zum Hinduismus haben. Jetzt daraus zu folgern, dass diese 60% Antiislamisten, und die jeweils 30% Antisemiten, Antibuddisten oder Antihindusten sind, halte ich für fragwürdig. Zumal in der Studie ebenfalls festgestellt wird: "Dennoch will die Bevölkerung in Deutschland nichtchristlichen Religionsgemeinschaften die Anerkennung nicht verweigern. Man muss alle Religionen respektieren – dieser Aussage stimmen in Westdeutschland über 80 Prozent der Befragten zu, in den anderen Ländern etwa 90 Prozent. Und wenn die Ausländer sich an unsere Gesetze halten, dann meinen sogar über 90 Prozent, dass es auf ihre Religion nicht ankommt."

    Wenn Sie also weiterhin mit der Aussage die Deutschen seien zu 30-50% Antismiten durch das Web tingeln ohne das Ihnen bessere Belege einfallen, sagt das nun mal mehr über Sie als über die Deutschen aus.

  6. Ach Herr Schlickewitz – erstens ist das so eine Sache mit ’30-50%‘ und zweitens gibt es so viel, was Sie fraglos absichtlich in meinen Beiträgen ‚überlesen‘, dass eine ‚Auseinandersetzung‘ auf einer solchen Ebene einfach fruchtlos ist.

    ‚So, Sie finden es normal, dass das Land, das alleine im 20. Jh. 6 Millionen Juden ermordet hat‘

    Nur eine von vielen überflüssigen Fragen, würden Sie meine Beiträge vollständig lesen, dann könnten Sie sich solche Unterstellung jedenfalls sparen.

  7. @Jane
    Schon wieder Ihre notorische Unaufmerksamkeit.
     
    Gerade auf das Heute bezog ich mich doch, als ich die Umfrageergebnisse der Studie der Uni Münster  nannte. Lesen Sie doch bitte. Jeder dritte bis jeder zweite Deutsche (30-50%) ist Antisemit, heute, im 21. Jahrhundert. Ich hatte es extra für Sie auch noch in Fettdruck hervorgehoben. Warum blenden Sie das aus, wenn Sie  von einem „normalen Volk HEUTE“ sprechen?
    Hier zu der Studie, zum nachlesen:
    http://www.welt.de/politik/deutschland/article11347194/Deutsche-sind-intolerant-gegen-Muslime-und-Juden.html
     
    Es geht nicht ums Dritte Reich bzw. um die NS-Zeit, es geht ums Heute. Ich hatte das Buch von Gessler erwähnt; auch er bringt die Ergebnisse von Studien wonach bis zu 50 Prozent der Deutschen an der Wende zum 21. Jh. antisemitisch eingestellt sind.
     
    Warum nehmen Sie das nicht wahr? Warum verdrängen Sie das?
     
    Weil für Sie Deutschland ’normal‘ sein muss, stimmts? Damit Ihr Weltbild nicht ins Wanken gerät, damit Sie sich weiter jeden Tag (im Spiegel) ins Gesicht sehen können, damit Ihre kleine Welt in Ordnung ist und Sie nicht mehr länger nachdenken müssen. Ist doch so, oder?
     
    @mfb
    Wenn ich Tatsachen, wie die Resultate von allgemein anerkannten Umfragen hier wiedergebe und zur Diskussion über die eigene Identität anrege, ist dies etwas anderes, als wenn ich Deutschland, wie Sie es mir unterstellen, als „urböse“ oder „erzböse“ bezeichne. Denken Sie ferner daran, ich liefere für meine Behauptungen stets Belegstellen aus der Literatur, die jeder überprüfen kann.
     
    Oder sind auch Sie der Meinung, dass es ‚ganz normal‘ ist, dass ein Land, das noch vor weniger als siebzig Jahren den industrialisierten Massenmord an Juden betrieb, heute, im 21. Jh., im europäischen Vergleich den höchsten Anteil an Antisemiten aufweist?
     
    Gerade dadurch, dass ich dieses Unthema aufgreife und zur Diskussion stelle, versuche ich zur mentalen Gesundung dieses Landes, das wie Jane alle unpopulären Tatsachen nicht an sich herankommen lässt, sie verdrängt, sie ausblendet, beizutragen. Darüber sollten Sie mal nachdenken.
     
     

  8. mfb, ich möchte Ihre Liste noch um einen Punkt ergänzen:
     
    Es gibt ja durchaus Juden, die meine Ansicht teilen, die sich genauso ein Ende der Besatzung wünschen, die sich für die Wahrung der Menschenrechte der Palästinenser einsetzen und durchaus nicht unerhebliche, tatsächlich durchaus positive Unterschiede, zwischen Deutschland HEUTE und Deutschland 1940 ausmachen können.
     
    Da eine solche Gesinnung aber lt. Herrn Schlickewitz Ausdruck des ‚Urbösen‘ ist – müsste man natürlich noch alle Juden die meine Ansicht teilen, lt. Herrn Schlickewitz manichäischem Weltbild zu:
     
    11) Deutschen ehrenhalber – ernennen.
     
    12) Herrn Schlickewitz müsste man in anbetracht seiner 100% Loyalität zum israelischen Staat dann freilich zum ‚Un-Deutschen‘ ehrenhalber ernennen.
     
    (bitte nicht ernstnehmen – ist nur Satire)

  9. @ Musikant,

    eine Diskussion im Web mit menschen, die mensch eigentlich nicht kennt, ist immer schwierig, Besonders, wenn jemand ein Land für das Paradies auf Erden hält (jetzt mal egal ob USA, Deutschland, Israel oder Iran) und/oder ein anderes für des Teufels Vorhölle (jetzt mal egal ob USA, Deutschland, Israel oder Iran). Mit jemandem dieser einstellung ist schlecht rational zu diskutieren, denn wer des Teufels Vorhölle nicht sofort, immerzu und ausreichend negiert, muss doch zumindest der Schwager vom Teufel seiner Großmutter sein .. oder ein bisken irrsinnig.
    Herr Schlickewitz hat entschieden, dass für ihn Deutschland das Urböse ist. Nicht nur für die 12 Jahre, die manchem wie 1000 Jahre vorkamen – nein .. der Deutsche ansich und schlechthin ist ur- und erzböse. Wieso er dann allerdings der Meinung ist, wenn denn schon der Deutsche so erzgrundübel ist, müsse er zu Israel besonders nett sein, entzieht sich meiner Logik. 
    Jedenfalls, jeder, der dies nicht sofort einsieht, ist selber des Teufels. Und kein Deutscher, der ja mit der deutschen Erbsünde beladen ist, kann jemals gut sein. Deswegen kann ja Deutschland auch nienich erin normales Land sein.
    Ich muss gestehen, dass sich mir da viele Fragen auftun:
    1) Wenn denn der Deutsche ansich und schlechthin schon immer erzböse war, gilt dies auch für den gemeinen Hölländer, der ja als Friese zumindest genauso deutsch ist wie der Ostfriese?
    2) Was ist mit dem Angelsachsen, der ja als Angel und als Sachse eigentlich eindeutig ein Germane ist?
    3) Wie steht das mit den Bayern? Wie schon Caesar feststellte, sind die Bayern keine Germanen, sondern ein Mischvolk. Sind sie deshalb vom deutschen Fluch befreit?
    4) Deutsche Einwanderer sind zu einem nichtunwesentlichen Teil Grundbestandteil der weissen US-Bürgerschaft. Hat sich so der urdeutsche Fluch auf die USA übertragen?
    5) Oder liegt es nicht am deutschen Blut sondern am deutschen Boden? Dringt das Urböse aus deutschem Boden parasitär in die Menschen, die dort leben?
    6) Aber was macht die Deutschen jüdischen Glaubens dann imun? Oder sind sie genauso urböse?
    7) Kann sich ein Deutscher erretten, in dem er zum jüdischen Glauben übertritt oder ist er verdammt, Moslem zu werden?
    8) Ist ein Immigrant nach Deutschland (Chinese, Türke, Israeli) verdammt, innerhalb kürzester Zeit ebenso urböse zu werden?
    9) Hilft einem Deutsche die Teufelsaustreibung oder nur Spenden an Israel?
    10) Sind wir nicht alle ein bisken Bluna?

    @ Musikant,
    mensch sollte hier nicht alle Siakussionsbeiträge ernst nehmen. Bei manchem hilft schon etwas googeln um festzustellen, inwieweit derjenige nicht am Geisteszustand ANDERER zweifeln sollte.
    Wir sind alle .. jedenfalls die meisten .. glaube ich, freiwillig hier und sollten es dementsprechend auch gelassen als Freizeitgestltung ansehen.
    In diesem Sinne .. im Rheinland läuft die 5. Jahreszeit 😉

  10. Herr Schlickewitz Рwenn Sie nicht mal das Wort HEUTE lesen k̦nnen, dann ist Ihnen auch nicht zu helfen, wenn Sie alles was ich schreibe ausblenden,

    Es ist auch eine Unterstellung, dass ich mir der finsteren Vergangenheit Deutschlands nicht bewusst wäre

     Sie haben ein schwarz-weiß Bild der Wirklichkeit und weil Sie und ich wohl kaum irgend etwas gemein haben, außer der nun wirklich naheliegenden Erkenntnis, dass die Nazis eine skrupellose Verbrecherbande waren, glauben Sie es wäre in Ordnung, meine Beiträge bis zur Unkenntlichkeit zu verstellen, um Ihre völlig abwegigen Schlüsse zu ziehen.
     
    Aus einem ‚Deutschland über alles‘ machen manche heute eben ein ‚Israel über alles‘
    – auch letzteres verheißt nichts Gutes.

    Sie projezieren so unverholen drauf los, dass einem Angst und Bange werden kann, als eine Art neuer Inquisitor mit seinem selbst rezensierten Hexenhammer unter dem Arm.

  11. @Musikant
     
    Es geht hier nicht nur um Israel, es geht auch um Deutschland.
     
    haGalil nennt sich bekanntlich die größte deutschsprachige jüdische Internetplattform. Die Geschichte und die Gegenwart der Juden und der Deutschen und Israels ist eng miteinander verknüpft, im Bösen wie im Guten. Daher muss es auch erlaubt sein auf gewisse deutsche Lebenslügen, und die Lebenslüge vom „ganz normalen“ Volk, oder Land, ist eine der weitverbreitetsten, einzugehen. Dies hat nichts mit Hetze gegen Janes Person zu tun, sondern mit berechtigter Kritik an einer in Deutschland weit verbreiteten Haltung.
     
    Im übrigen, Israels Regierung ist demokratisch zustande gekommen, sie ist das Resultat demokratischer Wahlen, Ergebnis einer rundherum demokratischen Abstimmung. Beschweren Sie sich daher beim israelischen Volk über dessen scheinbare oder wirkliche „nationalistische“ oder „revisionistische“ Einstellung. Oder besser noch, gründen Sie eine eigene Partei mit überzeugenden, die Mehrheit der israelischen Wähler ansprechenden und einbindenden Zielen und versuchen Sie es besser zu machen, als die in Jerusalem, in der Knesset. Mazel tov!
     

  12. Also entweder man diskutiert, oder man lässt es bleiben. Aber wenn einer den anderen mit psychiatrischen Gutachten mundtot machen will, dann ist das das Ende der Freiheit. Denn Freiheit endet immer dort, wo das Wort verboten wird.
    Was ist so schlimm an Janes Beiträgen, dass man ihr alles Böse unterstellen und alle gute Absicht, inklusive Zurechnungsfähigkeit, absprechen darf. Immer wieder, auch en masse.
    Wenn Euch „Israelfreunden“, genauer gesagt, euch Freunden der nationalistischsten und revisionistischsten Regierung, die Israel je hatte, nicht mehr einfällt als zu beleidigen und nach Zensur zu rufen, dann bedenkt doch zumindest, dass ein Mensch ein Mensch ist und eine Meinung eine Meinung und der Mensch nicht gleich seiner Meinung gesetzt werden darf.
    Geht das?

  13. @Jane

    Aber Deutschland ist HEUTE ein ziemlich normales Land,
     
    So, Sie finden es normal, dass das Land, das alleine im 20. Jh. 6 Millionen Juden ermordet hat, auch noch im 21. Jh. die höchste Rate an Antisemiten in Europa aufweist?
    Pardon, Jane, aber sind Sie noch normal?
     
    Wie kann man im Ernst so etwas als normal empfinden?
     
    Oder blenden Sie die Erhebungen der Studie der Uni Münster bewusst aus?
    Sie wollen die Studie nicht zur Kenntnis nehmen, weil sie nicht in Ihr Weltbild passt, weil sie Sie beunruhigt, weil sie Sie dazu zwingen würde über Ihre jämmerliche Identität einmal ernsthaft nachzudenken. Stimmt’s?
     
    30 bis 50 % (siehe auch das Buch von Philipp Gessler, Der neue Antisemitismus) der Deutschen sind im 21. Jh. Antisemiten! Das kann doch, nach all dem, was war, nicht normal sein! Das können Sie doch unmöglich ernst meinen, Jane!
     
    Genau so wenig normal kann es sein, dass Deutschland heute Israels Feinden Waffen und Vernichtungsmittel in Massen liefert.
     
    Denken Sie doch bitte wenigstens einmal in Ihrem Leben, bevor Sie den Mund aufmachen, bzw. bevor Sie zu tippen beginnen!
     
     

  14. So ein Unsinn Herr Schlickewitz,
     
    Sie brauchen mich nicht zu überzeugen, dass Waffenhandel mit Ländern, die sich nicht an die Menschenrechte und an das Völkerrecht halten, verwerflich ist. (trifft beides auf u.a. auf Israel zu)
     
    Aber Deutschland ist HEUTE ein ziemlich normales Land, bzw. ein Land mit einem vergleichsweise solide etabliertem Rechtssystem und das ändert nichts daran, dass ich diese Art von Waffenhandel gar nicht entschuldbar finde und es ist auch nicht meine Absicht diesen zu bagatellisieren.
     
    Es ist auch eine Unterstellung, dass ich mir der finsteren Vergangenheit Deutschlands nicht bewusst wäre und völlig unangebracht ist die darin wohl irgendwie enthaltene Behauptung, ich ‚würde das nicht gerne hören‘.
     
    Nur für die Opfer von Waffenhandel ist es letztendlich nicht von Bedeutung, ob die Täter nun einer Nation entstammen, die was für eine Geschichte auch immer haben.
     
    Wenn ein Kind auf eine Landmine tritt, dann kann dieses Ereignis wohl kaum relativiert werden, durch den Umstand, welcher Nation das Militär anehört, das dieselbe auslegte.
     
    Was sollen diese Art von Relativierungen.
     
    Ich denke da gibt es gar nichts zu entschuldigen, nicht bei Deutschland, nicht bei Israel und anderen auch nicht.
     
    Ãœbrigens:

    ‚Israel hat die USA und mehrere europäische Länder einem Bericht zufolge in einer geheimen Mitteilung zur Unterstützung der ägyptischen Regierung von Präsident Husni Mubarak aufgefordert. Es sei „im Interesse des Westens“ und des „gesamten Nahen Ostens, die Stabilität des ägyptischen Regimes aufrechtzuerhalten“, zitiert die israelische Tageszeitung „Haaretz“ aus der Mitteilung. Die Zeitung berief sich dabei auf israelische Regierungsvertreter.‘
     
    http://de.news.yahoo.com/2/20110131/tpl-medien-israel-fordert-vom-westen-unt-ee974b3.html
     
    Sicher sind Sie jetzt auch der Ansicht, dass Mubarak doch unbedingt im Amt bleiben solle. Schließlich will es Israel.

    ‚Und unser Deutschland macht mit allen Geschäfte, arrangiert sich mit Diktatoren, Tyrannen, Menschenrechtsverletzerregimen‘

  15. @scytale
    Ich bin nicht für die Aufnahme von Texten bei haGalil zuständig, deswegen fragen Sie wen andern.
     
    @Jane
    Stimmt schon fast alle machen mit fast allen Geschäfte, nur, auch wenn Sie’s ungern hören, hat eben kein anderes Land so eine Geschichte wie wir auf dem Kerbholz und diese verpflichtet uns endlich die richtigen Schlüsse zu ziehen.
     
    Zwei Weltkriege mit über 60 Millionen Toten vom Zaun gebrochen, Genozide in Rekordform, Weltmeister in der Disziplin Kriegsverbrechen, systematischer Mord an Kindern, eine mit keinem anderen Land vergleichbare Geschichte und Gegenwart an Antisemitismus (laut der letzten Erhebung der Uni Münster von Dez. 2010 sind 30 % aller Deutschen – Antisemiten, damit doppelt soviele wie im europäischen Durchschnitt).
     
    Eigentlich doch Gründe genug, nicht unbedingt ausgerechnet mit den Hauptfeinden Israels Waffenhändel im großen Stil zu betreiben, sollte man meinen. Noch dazu, wo ‚wir‘ bereits zu den 5 größten Waffenexporteuren der Welt gehören und es doch genügend andere ‚Absatzmärkte‘ geben müsste, wenn schon…
     
    Aber mir ist klar, damit überzeuge ich Sie nicht. Deutschland ist für Sie auch weiterhin ein ganz ’normales‘ Land und wir Deutschen ein ganz ’normales‘ Volk, so wie Belgier, Bulgaren, Bolivianer…

  16. Geschäfte machen fast alle mit fast allen, egal wie’s um die Menschenrechte steht – das ist unrühmlich aber die Wahrheit.
     
    Herr Schlickewitz – das trifft auch auf Ihr geliebtes Israel zu. Das liefert Ãœberwachungstechnik und Waffen nach China und war der treueste Geschäftspartner Süd-Afrikas zu Zeiten der Apartheid.
     
    Diese Doppelmoral ist allgegenwärtig – in Deutschland und sonstwo auch.
     
    Die Ökonomie sucht sich jede Nische, die ‚mehr Freiheit‘ – sprich weniger Menschenrechte und weniger ökologische Rücksicht – verspricht und die Politik schaut weg und Via Globalisierung werden wir dann als Gesellschaft gewissermaßen erpresst und verlieren nach und nach dann auch unsere sozialen Errungenschaften.
     
    In Puncto Streubomben ist das auch so. Die EU hat eine Resolution erlassen, dass das Bauen und auch Aktionen die den Bau von Streubomben und Landminen unterstützt, in den EU-Staaten verboten sind.
     
    In deutschen Anlageprodukten befinden sich aber nicht wenige Investitionen in die Hersteller von Streubomben und Landminen.
     
    Eine Anfrage der EU an Deutschland diesbezüglich beantwortete diese mit der absurden Stellungnahme, man hätte die Staaten, nicht aber Unternehmen reglementiert.
     
    Wenn man z.Bsp. eine Riesterrente bei der Allianz abschließt, dann fließt das Ersparte auch in Investitionen von Landminen und Streubomben mit denen man 6 mal Berlin in die Luft jagen könnte.
     
    Aber ab und an gibt es rühmliche Ausnahmen – Norwegen z.Bsp. hat einen Ethikrat bzgl. Finanzprodukten. Dort gibt es soche unethischen Anlagen nicht. Auch Belgien ist da konsequent – in Deutschland will man sich die Renditen aus dem Geschäft offensichtlich lieber nicht entgehen lassen – und drei Viertel aller Riester-Renten-Anbieter sind daran beteiligt.

  17. Sehe ich das also richtig: Diese Schreibe befindet sich in HaGalil, weil in einem im Artikel mit keinem Wort erwähnten Land der „weitläufigen“ Region, welches an Israel grenzt, ebenfalls ziviler Aufruhr herrscht?
     

  18. @Scytale
     
    Ist denn das wirklich so schwierig herauszulesen? Haben Sie nicht die Nachrichten verfolgt, und mitbekommen, dass nach der tunesischen ‚Halbrevolution‘ nun auch in einem weiteren muslimischen, nordafrikanischen Land, in Ägypten, revolutionsartige Zustände herrschen, dass auch woanders es anfängt zu brodeln? Die bisherige scheinsichere Lage in der weitläufigen Region gerät ins Schleudern. Sicherheitsrisiken für Israel liegen auf der Hand. Niemand kann voraussagen, welchen Kurs die möglicherweise islamistischen Nachfolgeregime verfolgen werden.
     
    Und unser Deutschland macht mit allen Geschäfte, arrangiert sich mit Diktatoren, Tyrannen, Menschenrechtsverletzerregimen, Islamisten, Israelhassern, etc. Es verkauft, kooperiert, handelt mit dem Iran, mit Tunesien, mit Weißrussland, mit Gott und der Welt eben. Hauptsache die Kasse stimmt. Pecunia non olet (Geld stinkt nicht).

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