Nahost-Gipfel: Hoffnung, aber geringe Erwartungen

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Am Mittwoch wird US-Präsident Barack Obama separate Gespräche mit Gästen aus dem Nahen Osten führen. „Es bahnt sich an, dass Obama danach die Gäste zu einem gemeinsamen Abendessen einlädt“, schreibt eine israelische Zeitung zu dem bevorstehenden Nahost-Gipfel in Washington…

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 29. August 2010

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Netanjahu wird Israel vertreten. Netanjahu reist ohne seinem Außenminister Avigdor Lieberman. Der sieht in dem bevorstehenden Gipfel „einen weiteren Festakt, wie es schon viele gegeben hat, ohne Folgen für den Nahen Osten“.

Netanjahu steht innenpolitisch ein salomonischer Beschluss bevor. Sollte er am 26. September den befristeten Baustopp in den Siedlungen fortsetzen, drohen ihm die rechten Koalitionspartner mit Austritt aus der Regierung. Sollte er die Bulldozer wieder rollen lassen, wollen seine linken Koalitionspartner der sozialistischen Arbeitspartei die Regierung verlassen. Denn „ein paar neue Häuser in den Siedlungen in den besetzten Gebieten sind es nicht wert, die Chance für einen Friedensschluss mit den Palästinensern aufs Spiel zu setzen“, sagte am Wochenende der Abgeordnete Avishai Braverman.

Mahmoud Abbas wird als PLO-Chef im Namen der Palästinenser antreten. Seine Kadenz als Präsident der Autonomiebehörde ist eigentlich schon im Januar abgelaufen. Neuwahlen zum palästinensischen Parlament, das seit drei Jahren nicht mehr tagen konnte wegen der Spaltung der Palästinenser in Gaza und Westjordanland, in Fatah und Hamas-Partei, sind auf unbestimmte Zeit ausgesetzt worden. Obgleich Abbas anstelle von Jassir Arafat am 13. Oktober 1993 in Washington die Osloer Verträge ohne Baustopp in israelischen Siedlungen unterzeichnet hat, kommt Abbas zu dem Gipfel mit einem Ultimatum: Sollte Israel erneut bauen, würde er die Friedensgespräche sofort verlassen. Trotz eines Baustopps verweigerte Abbas direkte Gespräche seit dem Sturz von Netanjahu-Vorgänger Ehud Olmert. Abbas weiß zudem, dass jeder Vertrag wertlos ist, solange die Spaltung der Palästinenser nicht überwunden ist. Denn die Hamas will Israel nicht anerkennen und deshalb auch keinen Vertrag mit Israel einhalten.

Der alte und kränkliche ägyptische Präsident Hosni Mubarak, 82, will sich gemäß Medienberichten auf dem Weg nach Washington in Paris ärztlich behandeln lassen, nachdem ihm vor einigen Monaten in der Heidelberger Uni-Klinik die Gallensteine entfernt worden sind. Wie krank oder gesund ist Mubarak wirklich? In Ägypten darf dieses Tabu-Thema nicht angesprochen werden. Wer wird ihm nachfolgen? Sein Sohn Gamal oder vielleicht die Moslem-Brüder? Ägypten steht auf der Kippe und der bevorstehende Machtwechsel am Nil wird Auswirkungen auf den ganzen Nahen Osten haben. Erst am Wochenende haben die Ägypter zwölf Schmugglertunnel vom Sinai in den Gazastreifen zerstört und ein riesiges Lager mit Boden-Luftraketen auf dem Weg von Iran zur Hamas entdeckt und ausgehoben. Die Bewaffnung der Hamas und der Hisbollah-Miliz im Libanon durch Syrien und Iran droht, das militärische Gleichgewicht im Nahen Osten aus den Angeln zu heben, befürchten nicht nur israelische Sicherheitsexperten.

Auch der andere arabische Gast beim Gipfel, König Abdullah von Jordanien, ist der Einladung von Präsident Obama gefolgt, weil er handfeste eigene Interessen befolgt, ohne sie offen aussprechen zu können. Das heutige Jordanien war bis 1921 Teil von Palästina. Die Briten machten daraus eine Schenkung für den Emir von Mekka, dem Großvater des Königs Abdullah. 70 Prozent der Jordanier betrachten sich als Palästinenser. Der König jedoch ist ein Beduine und lässt sich von Tscherkessen beschützen. Die israelische Präsenz entlang des Jordans garantiert einen politischen wie demografischen Keil zwischen den Palästinensern beiderseits der Grenze.

Ebenso garantiert die israelische Kontrolle der Grenze, dass keine Luftabwehrraketen und andere Waffen von Jordanien in das Westjordanland geschmuggelt werden können. Sollte dort nach einem israelischen Rückzug ein palästinensischer Staat mit Verhältnissen wie im Gazastreifen entstehen, vielleicht gar mit der Hamas an der Regierung, könnte jedes in Israel landende Passagierflugzeug abgeschossen werden. Jerusalem, Haifa und Tel Aviv lägen dann in Reichweite von „selbstgebastelten“ Raketen, wie sie heute „Aktivisten“ der Hamas und anderer radikalislamischer Gruppen auf Sderot und Aschkelon abschießen. „Diese Sicherheitsprobleme sollten im Vordergrund stehen“, warnte Dore Gold, israelischer Forscher und Vertrauter von Netanjahu. „Der Iran wird indirekt beim Gipfel in Washington anwesend sein.“ Zwar hat der amerikanische Präsident die Einladungen zum Gipfel verschickt, aber wahrer Gastgeber ist das Nahost-Quartett, dem die USA, die UNO, die EU und Russland angehören. Die hatten 2002 die sogenannte „Straßenkarte für einen Friedensprozess in Nahost mit dem Ziel einer Zweistaatenlösung“ entworfen und zum verpflichtenden politischen Programm gemacht. Alle darin erwähnten Termine sind längst verstrichen. Ein palästinensischer Staat hätte schon 2005 errichtet werden sollen. Dennoch gilt weiterhin diese Roadmap. Tony Blair, ehemaliger britische Premierminister, ist vom Quartett offiziell mit „Vermittlung“ betraut worden und wird deshalb gleichberechtigt mit den nahöstlichen Regierungschefs beim Auftakt eines neuen Anlaufs zu Friedensverhandlungen in Nahost am Tisch sitzen.

© Ulrich W. Sahm / haGalil.com