Kafka wird aus Panzerschrank befreit

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Nach vierzig Jahren werden in der kommenden Woche Manuskripte von Franz Kafka und Max Broder aus sechs Panzerschränken in Tel Aviver Banken und weiteren vier in Zürich „befreit“ werden…

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 13. Juli 2010

Montag Morgen um 10 Uhr erschienen Rechtsanwälte in Schlips und Anzug bei brüllender Hitze in der Kikar-Hamedina Filiale der Discount Bank mit einem richterlichen Befehl in der Hand. Nach monatelangen Gerichtsverhandlungen bei einem Familiengericht in Tel Aviv, teilweise hinter verschlossenen Türen, ist das Urteil gefallen, die seit vierzig Jahren in Banktresoren gelagerten Schriftstücke der beiden weltberühmten Schriftsteller der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Wie die Zeitung Haaretz meldet, sei plötzlich Eva Hoffe in der Bankfiliale aufgetaucht und habe mit lauten Rufen „Das gehört mir, das gehört mir“ versucht, die Herausgabe der Papiere an die Anwälte zu verhindern. Hoffe ist die Tochter von Esther Hoffe, der verstorbenen Privatsekretärin Max Brods. Die Schwestern Hoffe, Eva und Ruthie, halten sich für die rechtmässigen Erben des Nachlasses von Brod und von Kafka.

Brod hätte eigentlich Kafkas Hinterlassenschaft verbrennen sollen, brachte sie jedoch im Koffer nach Tel Aviv, als er vor den Nazis aus Prag fliehen musste.

Die Nationalbibliothek in Jerusalem hatte gegen die Schwestern Hoffe geklagt, in deren Privatbesitz sich der Nachlass der Schriftsteller befindet. Die Nationalbibliothek will so auch verhindern, dass jüdischer Nationalbesitz illegal ins Ausland gelangt. 1988 hatte Hoffe das Originalmanuskript von Kafkas „Prozess“ für 2 Millionen Dollar an das Deutsche Literaturarchiv Marbach verhökert. Es handelt sich um die höchste Summe, die jemals für ein literarisches Manuskript gezahlt wurde.

Die Anwälte sollen nun die ihnen ausgehändigten Dokumente auflisten. Über die Inhalte wurde allerdings eine richterliche Nachrichtensperre verhängt, die von der Zeitung Haaretz vor Gericht angefochten wird. Anhand der Liste muss dann die Richterin Talia Koppelmann entscheiden, ob das gefundene Material zu freien Verfügung steht oder aber zum Privatbesitz der Schwestern Hoffe gehört. Sollte es sich bei den Dokumenten um „literarisches Erbe“ handeln, würden die Papiere öffentlichen Archiven zur Aufbewahrung überstellt werden. Deutsche wie israelische Forscher erhoffen sich neue Einblicke in das Leben des Franz Kafka und vielleicht gar unbekannte Werke des 1924 in Prag verstorbenen Schriftstellers.

© Ulrich W. Sahm / haGalil.com

2 Kommentare

  1. Es wäre grossartig, wenn diese Schriften dereinst der Öffentlichkeit zugänglich gemacht würden. Über Kafka kann man gar nicht genug wissen.

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