Einblendung: Patrick Zachmann in München

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Erstmalig sind in Deutschland Arbeiten des Fotografen Patrick Zachmann, Mitglied der renommierten Fotoagentur Magnum, in einer Einzelausstellung zu sehen…

Mit drei thematischen Anklängen – ein Tag, die Nacht, – China, sowie – Auf der Suche nach Identität, möchte die Münchner Galerie °CLAIR auf einige wichtige Aspekte von Zachmanns fotografischem Schaffen aufmerksam machen.

Patrick Zachmann
Ausstellungseröffnung 23.03.2010, von 19.00 – 22.00 Uhr
23.03. bis 08.05.2010

Ein Tag, die Nacht bezeichnet eine thematische Serie von großformatigen Farbfotografien. Während tagsüber die Stadt in zurückhaltendem Grau erscheint, stellen Zachmanns nächtliche Impressionen die Künstlichkeit der Farben heraus. Es sind die grellen Lichter auf den Gesichtern der Menschen, die kulissenartigen Schatten der Häuserwände, die eine Faszination auf ihn ausüben. Alles ist diesem Wechselspiel des Lichts unterworfen. Es kann in einem warmen schmeichelhaften Ton Spuren glätten, um im nächsten Augenblick hart und gnadenlos Fehler offen zu legen.
Hin und her gerissen zwischen dem Verlangen selbst Teil dieses Treibens zu werden, gleichzeitig aber den erforderlichen Abstand zu wahren, der den fotografischen Blick erst möglich macht, begibt Zachmann sich auf eine Suche. Nicht so sehr das Spezifische der einzelnen Orte interessiert ihn dabei, sondern vielmehr das allgemeingültige Wesen der Nacht.

Quartiers Nord de Marseille
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Zachmanns Interesse als Fotograf gilt immer der Suche nach Identität und Erinnerung. Seine Fotografien drücken das Gefühl besonderer, manchmal dramatischer Lebensumstände aus. Seine Aufnahmen wirken dabei niemals flüchtig. Er verleiht jedem einzelnen Foto Gewicht, indem er es in einen größeren Zusammenhang einbettet. Langfristigen Projekten verpflichtet, kehrt er oft an Orte zurück, an denen er selbst, Jahre zuvor als Fotograf Anteil am Geschehen nahm.

So machte er eine Erinnerungsreise nach China, zum Platz des himmlischen Friedens in Peking. Im Jahre 2009 jährte sich die Niederschlagung des dortigen Aufstandes zum 20sten Mal. Zachmann war bereits 1989 dort, um eine Reportage über Chinesen in der Diaspora zu machen. Damals wurde er Zeuge jenes anfänglich hoffnungsvollen Ereignisses, das er selbst das chinesische Woodstock nennt. 20 Jahre später beschäftigt ihn die Frage, was aus den Erinnerungen an die Geschehnisse von damals geworden ist. Er spürt Zeugen auf. Mit seiner Kamera sucht er dabei nach Spuren der Vergangenheit, insbesondere nach Spuren des Verschwindens und Vergessens. Eine Reihe von s/w-Fotografien ist dabei entstanden, von denen einige hier ausgestellt sind.

Enquête d’identité
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Den wohl persönlichsten Aspekt der Ausstellung bildet die Serie Auf der Suche nach Identität.
Über das Fotografieren französischer Juden und jüdischen Lebens gerät Patrick Zachmann in die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit. Die jüdischen Wurzeln und das persönliche Trauma seiner Familie bleiben im Elternhaus bis dahin ausgeblendet. Fotograf zu sein, bedeutet für ihn auf die Suche nach den verlorenen Bildern der eigenen Vergangenheit zu gehen. Aus dieser Suche entstehen, neben einer Reihe von wundervollen Fotografien, ein Buch und ein Film: Die Erinnerungen meines Vaters. Ein Film über den Vater, das Schweigen seiner Familie und über verdrängte Erinnerungen, der im Rahmen der
Ausstellungseröffnung gezeigt wird.
„Alle meine Projekte schließen das Reisen in Vergangenheit und Zukunft, das Reisen zwischen äußerer und innerer Welt, zwischen öffentlichem Interesse und persönlicher Biografie, Identität, und dem Unterbewussten mit ein. Ich stelle die Identität anderer infrage, um mich selbst besser verstehen zu können. Fotografie ist dafür bestens geeignet, denn als ein Medium ist es die Schnittstelle zwischen Identität und Gedächtnis“.

Patrick Zachmann bei www.clair.me, info@clair.me.

Biografie (english/francais)
geb. 1955 in Frankreich, lebt in Paris
(siehe auch Video, am rechten Seitenrand)

Patrick Zachmann ist seit 1976 als freischaffender Fotograf tätig und seit 1990 Mitglied bei Magnum. Er hat sich langfristigen Projekten verschrieben, in denen er sich mit kultureller Identität, Erinnerungen und Immigration in verschiedenen Gesellschaften beschäftigt. Von 1982 bis 1984 arbeitete er an zwei Projekten. Eines drehte sich um Landschaften an Autobahnen und wurde vom französischen Kultusministerium unterstützt. Das zweite hatte die Probleme junger, in den nördlichen Vororten von Marseille lebender Immigranten zum Thema.

In die von Gewalt geprägte Welt des Kampfes zwischen der neapolitanischen Polizei und der Mafia – der Camorra – tauchte er im Jahr 1982 ein. Daraus entstanden ein später veröffentlichtes Buch und ein fiktionaler Text, der von seinen cinematographischen Bildern inspiriert wurde. Im Jahr 1987 veröffentlichte Zachmann, nach intensiver Arbeit an einem persönlich motivierten Projekt über jüdische Identität, sein zweites Buch mit dem Titel „Enquête d’Identité ou Un Juif à la recherche de sa mémoire“ (Identitätsfindung oder ein Jude auf der Suche nach seiner Geschichte). Seine Reportage zu den Ereignissen auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking ging im Jahr 1989 durch die internationale Presse. In diesem Jahr wurde er auch mit dem renommierten Prix Niepce für sein Lebenswerk ausgezeichnet.

In den sechs darauf folgenden Jahren führte Patrick Zachmann seine Forschungen zur weltweiten chinesischen Diaspora fort, die 1995 in der Veröffentlichung seines gefeierten Buches „W., ou L’Œil d’un Long Nez“ gipfelte. Begleitet wurde die Buchveröffentlichung von einer Ausstellung, die in zehn Ländern in Asien und Europa zu sehen war. Zwischen 1996 und 1998 führte Zachmann Regie bei dem Kurzfilm „La Mémoire de Mon Père“ (Die Erinnerungen meines Vaters) und bei dem Spielfilm „Aller-retour: Journal d’un Photographe“ (Rundreise: Tagebuch eines Fotografen), der sich mit dem Verblassen der Vergangenheit, vor allem in Chile, beschäftigt.

2006 begann Zachmann ein neues Projekt in China, das er „Confusions chinoises“ nannte. Ausgezeichnet wurde er hierfür mit dem Preis l’Aide à la Création de la Délégation aux Arts Plastiques (DAP). Zur selben Zeit hatte Zachmann Lehraufträge an der Kunsthochschule in Paris und der Hochschule für Fotografie und Grafik in Rom.

Zwischen 2006 und 2008 drehte Zachmann einen Spielfilm mit dem Titel „Bar Centre des Autocars“. Darin beschäftigt er sich mit dem Schicksal von zehn jungen Menschen, die er zwanzig Jahre zuvor in den ärmsten Vierteln von Marseille kennen gelernt und fotografiert hatte. Im Mai 2009 präsentierte Patrick Zachmann im „Cité d’Histoire de l’Immigration in Paris“ (Zentrum für Immigrationsgeschichte) einen Überblick über sein gesamtes Werk zum Thema Immigration und Vorstadt, das einen Zeitraum von 25 Jahren umspannt.

Aus Anlass des 20. Jahrestags der Ereignisse auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking realisierte Zachmann 2009 den Dokumentarfilm: „Générations Tiananmen“ (Generation Tiananmen) der unter anderem auf den Websites von Le Monde und Der Spiegel zu sehen war.

Aktuell arbeitet Patrick Zachmann an einem Projekt über illegale Einwanderer in Europa, u.a.in Malta, Frankreich und Griechenland. Eine Dokumentation über den Weg eines Gastarbeiters aus Somalia wird auf der Website von France5 zu sehen sein.

AUSSTELLUNGEN (Auswahl)

2010 Un jour, la nuit. Galerie Negpos, Nîmes, Frankreich.
2010 Paysages autoroutiers (Serie).Galerie Magnum, Paris-St. Germain, Frankreich.
2009 Ma proche banlieue. Cité Nationale d’Histoire de l’Immigration (CNHI), Paris, Frankreich.
2009 Un jour, la nuit. Galerie Les Voutes. Les frigos, Paris, Frankreich.
2008 Confusions chinoises. Faux-semblants, Festival de Photographies en Plein Air, La Gacilly, Frankreich.
2008 L’oeil d’un long-nez. Hartlepool Art Gallery, Newcastle, Großbritannien.
2007 L’image d’après. Le cinéma dans l’imaginaire de la photographie (Gruppenausstellung). Cinémathèque Française, Paris, Frankreich.
2005/2006 Euro Visions (Gruppenausstellung). Centre Georges Pompidou, Paris, Frankreich; Ludwig Museum Budapest, Ungarn.
2004 Musulmanes, Musulmans (Gruppenausstellung). Parc de La Villette, Paris, Frankreich.
2001-2004 Chili. Une mémoire en route. Museum der schönen Künste, Santiago de Chile, Chile; Centre d’Histoire de la Résistance et de la Déportation, Lyon, Frankreich; Internationales Fotografie-Festival, Pingyao, China; FotoGrafia Internationales Festival der Fotografie, Rom, Italien; Galerie des Institut Français, Barcelona, Spanien.
1997 Maliens, ici et là-bas. Parc de la Villette, Paris, Frankreich.
1995/1997/2000 L’oeil d’un long-nez: Tour durch zehn asiatische Ländern. Visa pour l’Image, Perpignan, Frankreich; Photographer’s Gallery, London, Großbritannien; Sala Municipal, Valladolid, Spanien.
1984/1987-1998 Enquête d’identité. Galerie Photo FNAC Forum, Paris, Frankreich; Galerie Magnum, Paris; Musée d’Art et d’Histoire du Judaïsme, Paris, Frankreich.

MONOGRAFIEN

“Ma proche banlieue”, Editions Xavier Barral, Frankreich, 2009
“Photo Poche Patrick Zachmann”, Robert Delpire, Frankreich, 2009
“Good Nights”, Biro éditeur, Frankreich, 2008.
“Chili, les routes de la mémoire”, Marval, Frankreich, 2002
„Maliens, ici et là-bas“, Plume, Frankreich, 1997
“20 ans de rêves”, Syria Editions,Paris, 1994
“W. ou l’oeil d’un long-nez”, Marval, Frankreich, 1995
“Enquête d’identité, Contrejour”, Frankreich, 1987
“Madonna!, Cahiers du Cinéma”, Frankreich, 1983

PREISE FÜR FOTOGRAFIE

2009 Beaux Livres de l’Année für „Ma proche banlieue“ (Ed. Barral), Paris.
2007 Aide à la Création de la Délégation aux Arts Plastiques (DAP) des Kultusministeriums, Paris.
1992 Art Directors Club Merit Award, New York.
1989 Prix Niépce, Paris.
1986 Prix Villa Médicis Hors Les Murs, Paris.

PREISE FÜR FILME

“La mémoire de mon père”: Erster Preis des Les Ecrans du Documentaires-Festivals, Frankreich, 2000. In der offiziellen Auswahl des Festival du Réel au Centre Georges Pompidou, Paris, 1999.
“Aller-retour. Journal d’un photographe”: Grand Prix des Festival de Creación Audiovisual, Pamplona, 2002.
Ausgewählt für und vorgestellt bei Etats Généraux du Film Documentaire Lussas, 2002.

FILMOGRAFIE

1992 Video-Beitrag zu Jean-Christophe Victors Sendung “Hong-Kong”, 1997 bei Arte (26Min).
1993 Video-Kurzfilm über Belleville im Rahmen der Serie “The Magnum Eye“ für das japanische Fernsehen (NHK; 10 Min.).
1994 Dreharbeiten und Produktion eines Video-Kurzfilms über die Rückkehr eines Emigranten aus Mali in sein Heimatdorf, vorgeführt in La Villette im Rahmen der Foto-Ausstellung “Maliens, ici et là-bas“.
1996-1998 Kurzfilm “La mémoire de mon père“ (Gédéon Programme; 31 Min.).
In der offiziellen Auswahl von und vorgestellt beim Festival du Réel au Centre Georges Pompidou (1999) und dem Les Ecrans du Documentaire-Festival 2000, Festivalspreis.
Aufgenommen ins Programm Cinéma des Cinéastes par Doc sur Grand Ecran im Rahmen von “Vies privées“; in der Auswahl des Festival Côté Court Pantin (2000).
Vorgestellt in La Maison Européenne de la Photographie, Paris; dem Musée d’Art et d’Histoire du Judaisme, Paris (2000); dem Museum der schönen Künste, Santiago de Chile; dem Internationalen Fotografie-Festival, Pingyao; dem Forum des Images, Paris (2002); der Universität Vichy (“Memoire et images“;2003). Vorgestellt im Cinéma La Palette, Tournus, aus Anlass des “Monats des Dokumentarfilms” und beim Les Ecrans du Documentaire-Festival (auf Wunsch von Joëlle Van Effenterre) sowie bei Cinéma des Cinéastes par Doc sur Grand Ecran in der Reihe “ Affaires de familles“ (2003).
1999-2002 Erster Spielfilm: “Aller-retour. Journal d’un photographe“. Produktion: l’INA (68 Min.). In der Auswahl von und vorgestellt bei Etats Généraux du Film Documentaire Lussas (2002); Rencontres Internationales de la Photographie d’Arles; Festival International du Film Francophone de Namur (Belgien); Festival de Creación Audiovisual, Pamplona (Grand Prix beim Festival de Navarre 2002); Internationales Dokumentarfilm-Festival, Santiago de Chile (Direktor: Patricio Guzman); Human Rights-Festival Buenos Aires; Centre d’Histoire de la Résistance et de la Déportation, Lyon (2002); Internationales Filmfestival der Menschenrechte, Nürnberg (2003); Internationales Exil-Film-Festival, Schweden; Festival de Documentaires von Arte bei l’Espace Confluences sowie in la Maison Européenne de la Photographie, Paris und in la Maison de l’Amérique Latine, aus Anlass des 31. Jahrestags des Staatsstreiches von Chile; in Cinéma la Palette, Tournus; in l’Espace Culturel François Mitterand anlässlich des “Monats des Dokumentarfilms” und im Centre Georges Pompidou im Rahmen des Treffens Internationaler Autoren im Exil.
Aufgenommen ins Programm “Présence du documentaire contemporain“, Musée du Jeu de Paume (2004); präsentiert in l’Institut Français, Barcelona (2005).
2006-2008 Film “Bar Centre des Autocars”. Produktion: Les Films d’Ici (56 Min.).
Ausgewählt für das Festival Méditerranée, Marseille und Turin (2008); vorgestellt im Rahmen der Ausstellung “Ma proche banlieue“ bei Cité Nationale d’Histoire de l’Immigration, Paris.