Die eigentliche Nachricht ist schon einige Tage alt: Umar Faruk Abdul Mutallab hatte am ersten Weihnachtsfeiertag versucht, in einem voll besetzten Airbus der US-Gesellschaft Delta kurz vor der Landung in Detroit einen in seiner Unterhose versteckten Sprengsatz zu zünden, war dabei aber von Passagieren überwältigt worden. Während man nur spärliche Informationen über die Hintergründe des vereitelten Attentats lesen konnte, hat man im Internet den eigentlichen Drahtzieher des Anschlags längst festgemacht: das „internationale Judentum und seine Marionette, die USA“…
Von Ramona Ambs
Derlei findet man sowohl auf scheinbar harmlos-privaten, links-anmutenden Blogs, als auch auf rechten Webseiten oder in islamistischen Foren. Akribisch wird dabei „belastendes Material“ zusammengeklaubt. Dabei glaubt man auf den links-kritischen Blogs, dass „der Unterhosen-Bomber gar kein Nigerianer, sondern einer der israelischen Terror-Rekruten im Jemen“ war und erklärt den Anschlag damit, dass „Israel ganz sicher ein Interesse daran hat, die USA in militärische Konflikte mit all seinen potenziellen Feinden zu verwickeln, die etwas gegen Israels territoriale Ausdehnung einzuwenden haben.“ Als geradezu überwältigenden Beweis werten die Verschwörungstheoretiker, dass bei dem Vorfall die „selbe israelische Sicherheitsfirma (ICTS) involviert war, die schon den Schuhbomber einsteigen ließ und es überdies derselbe Sprengstoff wie beim Schuhbomber war.“
Diese Einschätzung teilt man denn auch, mit beinah identischem Wortlaut, auf den rechten Webseiten. Bei altermedia beispielsweise hat man „den Eindruck als handele es sich bei dem Vorfall um eine Art Initialzündung auf die man seit langem gewartet hat, um eine angeblich weltweite Bedrohung durch sogenannte Terroristen am Leben zu erhalten“. In den rechten Foren ist man sich einig, dass der Mossad hinter dem Anschlag steckt und „den Nigger dafür bezahlt hat“. Man ist deshalb verärgert über die sogenannte „Systempresse“: „Mich versetzen solche Meldungen höchstens in Wut, weil man es wagt, uns auf so niedrigem Niveau für dumm zu verkaufen. Wenn schon lügen, dann doch ein bisserl gscheiter Moishe!“
Im rechten, rund 350 Mitglieder starken „Ketzerforum“ hat man vor allem einen Mann im Visier: Michael B. Chertoff. Ihm lastet man die Inszenierung mit an, da er unmittelbar nach dem vereitelten Anschlag für die Einführung von Nacktscannern plädierte. Über ihn liest man: „der Typ sieht wirklich wie der Leibhaftige aus. Die Anbeter des Luzifers (…) erkennt man schon beim Ansehen“ – und natürlich glaubt man auch, dass er mit der Einführung der Scanner ein Riesengeschäft macht.
Überhaupt aber sieht man den vereitelten Anschlag von Detroit als Teil eines Riesenkomplotts: „Das ganze fing in diesem Jahrzehnt mit dem selbst inszenierten Angriff des 11. September an, mit dem sie die verbrecherischen Eroberungskriege und die massiven Freiheitseinschränkungen, Abbau der Verfassungsrechte und totale Überwachung begründen konnten. Ziel ist es, dass die verängstige Bevölkerung eine totalitäre Kontrolle über ihr ganzes Leben akzeptiert, nach einer diktatorischen faschistische Weltregierung ruft, welche für sie „denkt“ und sie „beschützt“. Dabei müssen wir nur von einem beschützt werden, von diesem Verbrecherpack selber. Fest steht, die Welt wird von einem satanischen Kult regiert, dem jedes Mittel recht ist sein Endziel zu erreichen.“
Bei den islamistischen Seiten gibt es zweierlei Sichtweisen auf das Attentat. In den shiitischen Foren hält man ebenfalls Israel für den Drahtzieher des Ganzen, glaubt aber nicht, dass Mutallab auf der Gehaltsliste des Mossad steht. Vielmehr glaubt man, dass man dem Nigerianer das weiße Pulver untergeschoben habe (wie das konkret gelaufen sein soll, erfährt man nicht – würde ja sonst vielleicht doch auffallen, dass es sehr kompliziert ist, jemandem ohne dessen Wissen Sprengstoff in die Unterhose zu stopfen). Nichtsdestotrotz liest man auf den islamistischen Sites: es „lässt sich nur sagen, dass der versuchte Terroranschlag von Detroit ein wenig zu gut ins Bild passt. Er kommt zu einem überaus günstigen Zeitpunkt für Senator Joe Lieberman.“ Und weiter: „Man möchte sein Imperium ausbreiten, und das Rote Meer kontrollieren, eine der wichtigsten Tanker Routen! Saudi Arabien und die Jementische Regierung waren nicht in der Lage, durch tagelange Bombardements etwas gegen die Schiiten im Land auszurichten, also muss Papa-USA ans Werk.“
Anders sieht es in den sunnitischen Foren aus. Im Ahlu-sunnah-forum beispielsweise, einem deutschsprachigen Forum mit weit über tausend Mitgliedern, ist man zwar auch der Ansicht, dass das Weltjudentum die Ursache allen Übels ist – den Attentatsversuch jedoch hält man für echt – und bejubelt ihn:
„Einzig mit der Gnade Allahs hat der heldenhafte Martyrium-Bomber Umar Al-Faruq es geschafft, eine spezielle Operation auf ein amerikanisches Flugzeug von der niederländischen Stadt Amsterdam zur amerikanischen Stadt Detroit auszuführen. (…) Der Martyrium-Bomber schaffte es mit der Gnade Allahs sein Ziel zu erreichen, jedoch aufgrund eines technischen Fehlers explodierte das IED nicht komplett. Und wir werden unseren Weg weitergehen, bis wir das was wir wollen erreichen und die Religion einzig Allahs ist.
Wir rufen jeden Muslim, der Eifersucht für seinen religiösen Glauben hat, dazu auf, (…) alle Kreuzfahrer, die in Botschaften oder woanders arbeiten, zu töten und gegen die Kreuzfahrer auf dem Land des Propheten Muhammads, Friede sei auf ihn, Krieg zu erklären: auf Land, Wasser und Luft.(…) Daher sagen wir zum amerikanischen Volk: Da ihr eure Führer unterstützt und hinter sie steht, wo sie unsere Frauen und Kinder töten, erwartet das was auf euch zukommen wird. Wir werden zu euch mit Schlächterei kommen, und wir haben Männer vorbereitet, die den Tod lieben, wie ihr das Leben. Und mit der Erlaubnis Allahs werden wir zu euch mit etwas kommen, was ihr nicht kennt. Genauso wie ihr uns tötet, so werden wir euch töten, und der morgige Tag ist nah für jenen, der danach sucht.“
Was bleibt also übrig, nach diesem Spaziergang durchs Netz? Nur die bittere Erkenntnis, dass auch ein verhindertes Attentat Folgen hat, die noch lange gefährlich durchs Web geistern.
„Dabei glaubt man auf den links-kritischen Blogs, dass „der Unterhosen-Bomber gar kein Nigerianer, sondern einer der israelischen Terror-Rekruten im Jemen““
Es hätte mich gewundert, wenn dem nicht so wäre. Leider das Übliche.
„Was bleibt also übrig, nach diesem Spaziergang durchs Netz? Nur die bittere Erkenntnis, dass auch ein verhindertes Attentat Folgen hat, die noch lange gefährlich durchs Web geistern.“
Und leider nicht nur im Netz, sondern vorallem auch in den Köpfen. Wobei die Nacktscanner-Argumentation totaler Quatsch ist, denn Israel selbst arbeitet an den Flughäfen ja mit einer Befragungsmethode.
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