Du wirst vielleicht sagen: Gott weiß doch alles, was sein wird, ehe es noch ist. Entweder wußte er, daß dieser gut oder schlecht sein würde, oder er wußte es nicht. Wußte er, daß er gut sein werde, so kann er doch unmöglich schlecht sein, oder wenn man einwenden wollte, er wußte, daß er gut sein werde, und doch kann er vielleicht schlecht sein, dann hat Gott doch die Sache nicht recht gewußt…
DIE ALLWISSENHEIT GOTTES UND DIE WILLENSFREIHEIT DES MENSCHEN
Aus Mischne Thora, Hilchoth Tschuwah Kap.5.
Wisse, daß die Antwort auf diese Frage ist »länger ist ihr Maß als die Erde, breiter als das Meer«, und viele wichtige Grundsätze, hohe Berge hängen daran. Was du aber davon wissen und erkennen mußt, ist folgendes: Schon im zweiten Kapitel »von den Grundlagen der Offenbarung« haben wir erklärt, daß Gott nicht erkenne mit einem Erkennen, das außer ihm ist, wie die Menschen, die von ihrem Erkennen verschieden sind, sondern er und sein Erkennen ist eines, und das menschliche Erkenntnisvermögen ist nicht imstande, das ganz zu erfassen.
Und so wie der Mensch nicht imstande ist, das wahre Wesen Gottes zu erfassen und zu finden, wie es heißt: »Es kann mich kein Mensch sehen, während er lebt« (2. Mos. 33, 20), so ist der Mensch auch nicht imstande, das Erkennen des Schöpfers zu erfassen und zu finden; das meint der Prophet mit: »Denn nicht meine Gedanken sind eure Gedanken und nicht eure Wege sind meine Wege« (Jes. 55, 8).
Daher sind wir auch nicht fähig, einzusehen, wie Gott von den Geschöpfen und den Handlungen weiß, aber das wissen wir unzweifelhaft, daß alle Handlungen des Menschen seinem freien Willen überlassen sind und Gott ihn nicht zwingt oder über ihn bestimmt, daß er das und das tue. Und nicht bloß von Seiten der Religion ist uns das bekannt geworden, sondern auch durch klare wissenschaftliche Beweise; daher heißt es bei den Propheten, daß man den Menschen wegen seiner Handlungen in Gemäßheit derselben richtet, ob gut oder schlecht; das ist der Grundsatz, auf dem aile Worte der Propheten fußen.
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