Ritter der traurigen Gestalt: Benjamin Quichote und Sancho Liebermann

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Chaim Nachman Bialik hat Don Quichote ins Hebräische übersetzt. Bialik hatte eine Schwäche für „den Ritter von der traurigen Gestalt“, und aus seiner Übersetzung lässt sich erkennen, wie sehr er den Idealismus dieses Ritters und seinen Kampf gegen Windmühlen bewundert hat…

M’ariw, Nadav Eyal

Bialik wäre jedoch sicherlich betrübt gewesen zu hören, dass im Staat Israel selbst ernannte Nachfolger von Don Quichote entstanden sind, die ihr Glück auf der internationalen Arena versuchen: Benjamin Netanjahu und Avigdor Liebermann. Diese beiden, die politisch nicht unerfahren sind, führen die israelische Außenpolitik so, als wären sie Ritter im 16. Jahrhundert, die unbedingt um ihre Ehre kämpfen wollen.

Hin und wieder befindet sich Israel in einer internationalen Kontroverse oder einer tiefen politischen Krise. Manchmal mit den USA, manchmal nur mit der Türkei oder mit Schweden. Die Reaktion ist immer dieselbe: Unsere Ritter werden von heiligem Zorn erfüllt. Sie starten energische politische Aktionen, d.h. sie führen empörte Telefongespräche mit der ganzen Welt.

Der Goldstone-Bericht bringt die Don Quichote-Neigungen der Netanjahu-Regierung auf neue Höhepunkte. Die Regierung sieht sich einer wahren politischen Herausforderung gegenüber, die eine internationale Isolation Israels zur Folge haben könnte. Es muss verhindert werden, dass dieser Bericht an die diversen Instanzen der

UNO gelangt, auch wenn die Chancen auf konkrete Sanktionen gegen Israel gering sind. Es sind sofortige und effektive Maßnahmen erforderlich.

Und was tun Netanjahu und Liebermann? Netanjahu macht einen Vorschlag, der Don Quichote alle Ehre machen würde: eine klitzekleine Korrektur vornehmen, und damit die Kriegsgesetze neu erfinden. Der MP ist nicht dumm, und er weiß sicherlich, dass internationale Kriegsgesetze nicht einfach verändert werden können, da sie ein Produkt langfristiger historisch-juristischer Prozesse sind. Außerdem ist das ein taktischer Fehler: Was würden wir sagen, wenn ein Bericht veröffentlicht wird, der festlegt, dass ein kleines Land in Asien Kriegsverbrechen begangen hat, und sein MP dann vorschlägt, die Kriegsgesetze zu ändern? Das ist ein wenig zu durchsichtig. Liebermann unternimmt seinerseits energische politische Maßnahmen (wie gesagt, führt Telefongespräche) und spricht mit dem UN-GD. Er schlägt eine gewagte Initiative vor: „Man muss Verbesserungen überlegen, um glaubwürdige und ausgewogene internationale Apparate zu schaffen“, so der AM. OK, Netanjahu will das internationale Recht neu erfinden, und Liebermann verbessert den gesamten internationalen Apparat. Sachlich gesehen haben beide recht. Die Kriegsgesetze erschweren die Terrorbekämpfung und die internationalen Systeme sprechen die Feinde Israels automatisch von jeder Schuld frei. Andererseits hat auch Don Quichote recht; und das macht ihn zu einer tragikomischen Figur.

Der Goldstone-Bericht kann nicht durch Megalomanie aus der Welt geschafft werden, sondern durch kluge und ruhige Politik.

2 Kommentare

  1. @ Antione Doinel
    Ja, sie sind ein Pessimist. Die Türkei pflegt auch Kontakte zu Israel und so ein NATO-Manöver oder ne Serie sind auch nicht die Welt. Hamas und Fatah vereinigen sich nicht, man versucht lediglich halbwegs zu einer Aussöhnung zu kommen. Das ist ja auch nicht so schlecht, Verhandlungen zwischen Israel und Palästinensern können ja nicht zu viel führen, solange der Gaza-Streifen überhaupt nicht vertreten wird. Auch Kriege mit Ägypten oder Jordanien sind nicht nur aus militärischen Gründen unwahrscheinlich. Vergessen sie nicht, dass es in Ägypten und Jordanien nicht viel gibt, das von der Bevölkerung getragen wird; autoritäre Regime arbeiten nicht mit demokratischer Zustimmung, sondern mit Akquieszenz. Eine „Katastrophe“ ist jedenfalls nicht absehbar.
    Dass Kämpfe in innerstädtischen Gebieten eine hässliche Sache sein können, ist wohl klar. Auch dass hier ein paar Staaten fabelhaft auf Kosten Israels whitewashing betreiben, haut wohl keinen vom Stuhl. Dennoch muss die israelische Regierung sich den Vorwürfen wenn nötig wieder und wieder direkt stellen, Telefongespräche oder Kritik an anderen bringen da wenig. Das ist die einzige Möglichkeit, Glaubwürdigkeit zu gewinnen/behalten. Andauernd Trivialitäten zu wiederholen bis es auch noch der Letzte kapiert hat, dass sind ja Politiker ohnehin gewohnt; da kann also auch jemand aus der Regierung was über Brandgranaten in Gaza (nochmal) erzählen.

  2. Warum erkennen wir Juden den Hausbrand erst, wenn die Flammen meterhoch schlagen? Israel brennt! Die Türkei pflegt Kontakte mit Syrien und dem Iran. Die Friedensverträge mit Jordanien und Ägypten sind nur noch Papier, werden von der Bevölkerung nicht getragen. In den USA gibt es einen Lobby-Einbruch seit Obama, Hamas und Fatah vereinigen sich. Wer soll denn den nächsten Krieg führen? Bin ich Pessimist, wenn ich sage, dass wir alle auf eine Katastrophe zusteuern?

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