Die inner-palästinensischen Verhandlungen wurden am Donnerstag nach nur einem Tag wieder unterbrochen. Hauptstreitpunkte sind die Anerkennung Israels und die Frage nach dem künftigen Wahlsystem. Die Fatah will Verhältniswahlen, die Hamas lehnt dies ab…
Auf der Tagesordnung ging es auch um die Anerkennung von Abkommen, die früher mit Israel unterzeichnet wurden. Die Hamas möchte ganz neue Verhandlungen. Sie fordert ein Ende der israelischen Siedlungspolitik und einen Abzug aus allen 1967 besetzen Gebieten (Westbank, Gaza, Ostjerusalem) und bietet dafür einen vorerst auf 30 Jahre angelegten Waffenstillstand. Die Fatah will auf den im Oslo-Prozess ausgehandelten Vereinbarungen aufbauen und sich die Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft sichern.
Zur Frage der Anerkennung Israels durch die Hamas hatte Mohammed Dahlan, früherer Fatah-Sicherheitschef von Gaza, in einem Gespräch mit dem Fernsehsender der Autonomiebehörde in Ramallah vor Kurzem erklärt, die Hamas müsse Israel nicht anerkennen. Dies sei keine Voraussetzung für eine Einigung, auch die Fatah akzeptiere Israel nicht.
Dahlan nahm damals Bezug auf einige strittige Punkte im innerpalästinensischen Dialog zwischen den verfeindeten Parteien Hamas und Fatah: „Es wird immer gesagt, die Fatah will, dass die Hamas Israel anerkennt. Das ist falsch. Ich habe schon tausend Mal gesagt, ob in meinem eigenen Namen, oder im Namen all meiner Kollegen in der Fatah: Wir fordern nicht, dass die Hamas Israel anerkennt. Warum sollten wir?“ Die Fatah als Partei werde einer anderen Partei nicht vorschreiben, was sie in ihr Parteiprogramm schreiben solle. Jede Partei sei für ihr eigenes Programm verantwortlich und der Wähler entscheide bei freien Wahlen. Allerdings müsse jede gewählte palästinensische Regierung Israel anerkennen, um ihrerseits als Teil der internationalen Staatengemeinschaft akzeptiert zu werden, so Dahlan.
Die der israelischen Siedlerbewegung nahestehende Organisation „Palestinian Media Watch“ (PMW) weist darauf hin, dass die von Dahlan vertretene Position, die Legitimität Israels müsse nicht von den politischen Parteien, sondern der Regierung, anerkannt werden, schon früher geäußert worden war. Wenn Dahlan heute betone, dass nur eine Regierung die den Staat Israel anerkenne in der Lage sei, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, wie den Kranken zu helfen, Erleichterungen für Familien zu bringen oder Wiederaufbau zu leisten. Dies könne nur mit einer Regierung geschehen, die Beziehungen mit der internationalen Gemeinschaft hat und von dieser akzeptiert ist, sei dies nicht neu.
Ganz ähnlich habe sich Mahmud Abbas (Abu Masen), Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, schon im Oktober 2006 gegenüber Journalisten geäußert. In einer Sendung des Fernsehsenders „Al-Arabija“ betonte er, dass im Rahmen einer Einigung mit der Autonomiebehörde von der Hamas nicht verlangt werde, Israels Legitimität anzuerkennen: „Die PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) hat Israel 1993 anerkannt. Damals hat auch Israel die PLO anerkannt. Jedes Individuum hat natürlich das Recht zu sagen, ‚ich schließe mich dem nicht an, ich erkenne nicht an‘. Das muss jede Organisation für sich entscheiden. Aber jede Regierung, die gebildet wird und mit den Israelis tagtäglich zusammenarbeiten muss, die Kontakt halten muss in jeder Stunde und vielleicht jeder Sekunde, denn es wird Kontakte geben, zwischen palästinensischen und israelischen Ministern, die muss Israel anerkennen. Denn ich frage mich doch, wie sollte der eine Minister mit dem anderen Umgang pflegen, wenn der eine den anderen nicht anerkennt? Wie könnte eine solche Regierung oder ihre Minister ihr Gegenüber nicht akzeptieren und dennoch die Probleme des Volkes lösen? … Ich fordere also nicht von der Hamas oder irgendeiner anderen Organisation, Israel anzuerkennen. Sehr wohl aber von der Regierung, die mit den Israelis im täglichen Leben arbeiten muss“.
Ähnlich erläuterte auch ein palästinensischer Sprecher: „Fatah und Hamas sind Parteien innerhalb der politischen Landschaft der Palästinenser, ebenso wie der Likud, Israel Betenu, Schas oder Avoda in Israel“. In den Parteistatuten des Likud stehe beispielsweise das Ziel eines Staates in allen Teilen Palästinas. Dies thematisiere niemand, so lange die souveräne Regierung Israels die Grenzen souveräner Staaten wie Ägypten und Jordanien respektiere. Ein souveräner Staat Palästina und seine Regierungen werden die Grenzen Israels entsprechend der in den Oslo-Verträgen erwähnten UN-Resolutionen ebenfalls respektieren. Dies gelte für Fatah und Hamas gleichermaßen.
Ob man das den Palästinensern widerfahrene Unglück von 1948 als „rechtens“ akzeptieren werde, sei eine ganz andere, eher prinzipielle, vielleicht auch philosophische Frage. Arafat habe in Camp David auf eine Anerkennung des 1948 den Palästinensern zugefügten Unrechts gehofft. Leider habe Barak jede israelische Verantwortung für die Flüchtlingstragödie der Palästinenser abgelehnt, ebenso eine Anerkennung des palästinensischen Rechts auf Heimat, gemäß entsprechender Menschenrechts- und UN-Resolutionen. Diese Anerkennung hätte eine symbolische, die demographischen Ängste und Interessen Israels berücksichtigende Umsetzung des Rückkehrrechts ermöglicht. Hier sei vieles versäumt worden. Man solle sich vorerst mehr der Umsetzung praktischer Schritte widmen, dies versuche man aber, so seine Einschätzung, zu vermeiden, indem man sich an irrelevanten Formalitäten aufhalte.
An den Gesprächen unter ägyptischer Vermittlung sind insgesamt zwölf palästinensische Gruppierungen beteiligt. Außerdem waren einige unabhängige Vertreter beteiligt. Das Ziel ist eine Regierung der nationalen Einheit, der sich zumindest Hamas und Fatah anschließen sollen. Derzeit gibt es zwei palästinensische Regierungen, die sich gegenseitig nicht anerkennen. Die Hamas herrscht nach ihrem Putsch vom Sommer 2007 im Gazastreifen. Im Westjordanland wird die politische Führung von der Fatah dominiert. Ende April sollen die Gespräche in Ägypten fortgesetzt werden.