Jüdisches München: Synagogenbauten in München – von Dr. Emil Spaeth (1926)

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Über die Synagogen der bayerischen Landeshauptstadt gab bereits der Beitrag zur jüdischen Stadtgeschichte von Eduard Schöpflich überblicksmäßig Auskunft. Sein Aufsatz war der gleichen Ausgabe des Heimatkulturperiodikums „Das Bayerland“ entnommen wie der vorliegende Originaltext, der sich dem Thema ausschließlich widmet. Über den Autor, Dr. Emil Spaeth, konnten, außer dass er zur Zeit der Veröffentlichung seines Artikels in München lebte, bedauerlicherweise keine näheren Angaben ermittelt werden…

Von Robert Schlickewitz

„Synagogenbauten in München.

Wenn wir historisch vorgehen, müssen wir die älteste, im 13. Jahrhundert erbaute Synagoge in der Gruftgasse, dem ‚Judengäßlein‘, streifen. 1285 wurden alle Münchner Juden anläßlich einer Verfolgung in dieser Synagoge mit ihr verbrannt. Es hat etwas Ergreifendes an sich, daß deren Namen in einem jener Memorbücher zum großen Teil erhalten geblieben sind. Dem überaus frühen Bericht der Salzburger Annalen kann man entnehmen, daß sich die Synagoge in ein unteres und ein oberes Stockwerk gliederte. Diesen Tempel nun (oder sollte er bald nach der Zerstörung wieder aufgebaut und vielleicht nach einigen Dezennien neuerdings wieder zerstört worden sein?) hat Herzog Albrecht III. 1442 seinem Schwiegersohn und Leibarzt Hartlieb geschenkt, welcher nach einigen Jahren dort die Gruftkirche errichten ließ.

Im Zusammenhang mit der oben erwähnten Stelle der Salzburger Annalen scheint mir eine Meinung die höchste Wahrscheinlichkeit für sich zu haben: nämlich die, daß die Synagoge teilweise unterirdisch gelegen war wie viele andere mittelalterliche, etwa die Prager Altneuschul. Dies wird auch der Grund für die eigentümliche Anordnung der Gruftkirche sein, welche sich schon im Rahmen ausprägt. Der Grundriß dieser Kirche, in einem Münchner Archiv befindlich, wird vielleicht bei späteren Nachforschungen über die älteste Synagoge noch dienlich sein können. Die aus dem Sandnerschen Modell im Münchner Nationalmuseum ersichtliche Gestalt der ‚Gruft‘ – heute Gruftgasse Nr. 1 – hat für unsere Fragen zunächst wenig Bedeutung. – Der im allgemeinen gutunterrichtete Regnet (Stadthistoriker) berichtet, daß im Jahre 1750 zwei massige Pfeiler entfernt worden seien, welche noch aus der alten Synagoge stammten, was ich für mindestens recht ungewiß halte. Sollte sich diese Nachricht trotzdem bewahrheiten, so wäre daraus zu schließen, daß wesentliche Teile der alten Synagoge beim Bau der Gruftkirche Verwendung gefunden haben. Der Vollständigkeit halber sei noch eine bei J. M. Mayer (Joseph Maria M.) gegebene Notiz erwähnt, nach welcher im Jahre 1866 bei einem Abbruche ein paar alte, geschwärzte Mauern gefunden wurden, ‚die offenbar noch vom Synagogenbrande herrührten‘. Soviel steht jedenfalls fest, dass um 1440 die Synagoge seit mehreren Generationen ihrem ursprünglichen Zweck entfremdet war; denn wir finden die urkundliche Bemerkung: ‚darin vorzeiten die Juden-Schul gewesen‘.

westenriederstrIn den folgenden Jahrhunderten wird nichts vom Bau einer Synagoge in München gemeldet, während einzelne Betsäle bestanden haben. Erst im 19. Jahrhundert erstarkte die Münchener Gemeinde so weit, daß sie sich ein würdiges Gotteshaus erstellen konnte. Der Bau wurde dem Hofbaurat Metivier (1781-1853), einem gebürtigen Franzosen, übertragen. Dieser feinsinnige Klenzeschüler, dessen kurze Selbstbiographie mit Aufzählung seiner Werke seit einigen Jahren in die Staatsbibliothek gelangt ist, hat in der Weise seines Meisters edle klassizistische Bauten, in der bayerischen Hauptstadt und anderwärts, z. B. in Regensburg, geschaffen, von denen ich nur das Almeida-Palais in der Brienner Straße 51 nennen möchte.

Wie wenig man in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts diese Richtung schätzte, zeigt sogar Fritsch in seinem übrigens vorzüglichen, später zu erwähnenden Werk. Sagt er doch, die Synagoge verleugne in ihren trockenen Formen nicht die Überlieferungen der vorangegangenen Empirezeit. Selbst aus einer Einzelform, wie den heute im Betsaal der israelitischen Gemeinde aufbewahrten vasenförmigen Kandelabern spricht demgegenüber der stilreine und vornehme Geschmack jener Epoche. 1824 bis 1825 wurde der Bau in der ‚Theaterstraße‘ – jetzt Westenriederstraße – erstellt. Wegen der Ostrichtung mußte Metivier eine Langseite an die Straße legen. Die in Ansehung der heutigen Münchener jüdischen Gemeinde ungemein geringen Ausmaße jenes Baues illustriert die Tatsache, daß sogar nach der Vergrößerung nur 160 Männer- und fast ebensoviele Frauensitze vorhanden waren. Metivier selbst hat in einer von ihm herausgegebenen Schrift (Grundpläne, Durchschnitte und Fassaden nebst einigen Details der Synagoge in München, erbaut in den Jahren 1824-1825 nach dem Entwurf und unter der Leitung des k. Baurats und Hofbaudirektors Johann Metivier. München, o.J.), welche auch durch den historischen Teil wertvoll ist, über sein Werk berichtet und Schnitte sowie Details abgebildet.

Synagoge an der Westenriederstraße

Ein ganz besonderer Glückszufall hat uns ein Bild des Innenraumes mit Darstellung von Synagogenbesuchern erhalten. Sein Urheber ist Ferdinand Petzl, einer jener als Künstler nicht eben wichtiger Maler, die, ähnlich wie Lebschee, durch Darstellung historischer Stätten in ihrer Art unschätzbare Dienste geleistet haben. Die Abbildung dieses Gemäldes, welches aus der bekannten Altmünchner Sammlung des Polizeirats Pfister in Privatbesitz gelangt ist, enthebt mich einer Einzelbeschreibung der Synagoge. Vier der Rotmarmorsäulen waren von König Max Joseph gestiftet. Die kassettierte Tonne gibt dem Raum eine eigenartige Stimmung; eine Einzelheit, wie die isoliert dekorierte Kalotte der Apsis, welche in dem Aquarell ein wenig fremdartig berührt, mag durch den Materialeindruck in Wirklichkeit harmonischer gewirkt haben. Die wenig prunkvolle, aber gutgeliederte Fassade mag aus der mitabgebildeten Medaille ersehen werden. Jedenfalls erscheint uns heute diese Stilphase Metiviers ungemein ansprechend, mehr wie etwa eine spätere, als er, wie die im Münchener Polytechnikum aufbewahrten Entwürfe zeigen, sich mit dem modern gewordenen neugotischen Geschmack einließ.

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Gedenkmünze zur Einweihung der Münchner Synagoge an der Westenriederstraße, 1826

Die Bestrebungen, der sich stark vergrößernden Gemeinde eine würdige Stätte zu schaffen, führten zunächst nicht zum Erfolg, jedoch sind die entstandenen Projekte (besonders für die Nordwestecke des Wittelsbacherplatzes) im Hinblick auf das Stadtbild recht interessant. Im Jahre 1884 endlich konnte von Albert Schmidt die noch heute dem Kult dienende Synagoge an der Maxburg als romanischer Hallenbau in Angriff genommen werden (beendigt 1887). Sie ist sicher in ihrem imposanten Aufbau eine der sympathischen Erscheinungen jener historisierenden Richtung, welche sich in breitem Strome über das 19. Jahrhundert hinzieht. Fritsch hat ihr eine ausgezeichnete Monographie gewidmet, welche über alles Wissenswerte Auskunft erteilt. Hier mag nur auf ein Moment hingewiesen sein, welches für die Wirkung des Außenbaues nicht ohne Bedeutung ist. Wenn Fritsch noch schreibt: ‚Während die Laien das zu der Umgebung trefflich abgestimmte Bild der Fassade bewundern…‘, erscheint uns heute diese Fassade etwas versteckt und verbaut. Der Grund liegt in der inzwischen erfolgten Errichtung des Künstlerhauses (1896 bis 1900). Während jetzt insbesondere im Sinne der Lenbachzeit eine reizvolle Gebäudekombination entstanden ist, hat vor Erbauung des Künstlerhauses die Synagogenfassade freieren Wirkungsraum besessen.
Im Vorliegenden sollten einige kurze Beobachtungen zum künstlerischen Ausbau der Münchener Synagogen beigesteuert werden. Mögen sie dargetan haben, daß die bayerische Hauptstadt einige reizvolle künstlerische Erzeugnisse auch auf diesem Gebiete hervorgebracht hat (Der Vollständigkeit halber möge hier die im byzantinischen Stil 1892 erbaute Synagoge an der Herzog-Rudolf-Straße erwähnt sein). Sollte man im Münchner Synagogenbau bedeutende Schöpfungen großer Kunstepochen vermissen, so wäre zu bedenken, daß der hauptstädtischen jüdischen Gemeinde in früheren Jahrhunderten eine länger andauernde gedeihliche Blüte nicht vergönnt war.

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Die neue Synagoge in München, erbaut von Albert Schmidt 1884-87, Aufnahme vor Erbauung des Künstlerhauses

Quelle:
„Das Bayerland“, 2. Oktoberheft 1926; Jahrgang XXXVII, 20, S. 623f

Anmerkung:
Der Text wurde in seiner Originalschreibweise übernommen, Fußnoten, die eine Information enthalten, in Klammern wiedergegeben, andere, die nur aus Literaturhinweisen bestehen, nicht berücksichtigt, Erläuterungen von mir kursiv in Klammern angefügt.

Literatur:
Jüdisches München, (Hg.) R. Bauer u. M. Brenner, München 2006
H. Lamm, Von Juden in München, München 1958
Neues Lexikon des Judentums, (Hg.) J. H. Schoeps, Gütersloh/München 1998, Stichwort: München
B. Vogt: München – Provinz und Metropole, in: Deutsch-jüdische Passagen, (Hg.) W. Jasper u. J. H. Schoeps, Hamburg 1996, S.237-249