Universelle Menschenrechte, internationale Vielfalt, boomendes Lizenzgeschäft und ein Fest für Autorinnen und Autoren…
Von Yvonne de Andrés
Die 70. Frankfurter Buchmesse (10.-14. Oktober 2018) fällt in eine bewegte Zeit: Während die Idee des geeinten Europas in die Defensive gerät, gewinnen populistische Gruppierungen in vielen demokratischen Ländern an Zulauf. Auch dieses Jahr zeichnet sich ab, dass diese Konflikte auf der Buchmesse ihren Widerhall finden werden.
„Angesichts der drängenden Themen, die unsere Gesellschaft heute beschäftigen, ist die Frankfurter Buchmesse eine wichtige öffentliche Plattform“, sagte Jürgen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse auf der Pressekonferenz in Berlin. „Die internationalste Buchmesse steht seit ihrer Wiedereröffnung nach dem Zweiten Weltkrieg1949 für Meinungs- und Publikationsfreiheit, für internationale Vernetzung und Dialog.“
Einstehen für das freie Wort
In diesem Jahr feiert nicht nur die Buchmesse ihren 70. Geburtstag, sondern auch die Vereinten Nationen begehen am 10. Dezember den Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Dies war Anlass, sich zusammen mit Partnern wie dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels, ARTE, ZDF, DER SPIEGEL zu einem Aktionsbündnis zusammenzuschließen und mit den Vereinten Nationen und Amnesty International die Kampagne „On The Same Page“ zu starten. „Diese `Bühne für das Weltgeschehen´ funktioniert nur, weil hier freiheitliche Grundregeln und Respekt gegenüber anderen absolute Gültigkeit besitzen. Ohne das Recht auf Meinungsäußerung oder das Recht auf Bildung würde es die Frankfurter Buchmesse nicht geben. Wir wollen gemeinsam mit Institutionen und Medienpartnern ein Zeichen setzen für eine friedliche Begegnung der Kulturen“ führt Jürgen Boos aus.
Das Lizenzgeschäft boomt
Die nächsten fünf Tage stehen im Zeichen vibrierender Geschäfte, wirtschaftlicher Tendenzen und intensiver Debatten über kulturelle und politische Trends und Entwicklungen. THE ARTS+ 2018 ist ein solcher Raum für Versuche, die Neuordnung des kulturellen Ökosystems zu thematisieren.
Die Buchmesse ist eine bedeutende Lizenzplattform und versucht, die Angebote an Stoffen der Buchbranche näher, schneller und strukturierter an die Film- und Gameindustry heranzutragen. Erstmalig in diesem Jahr werden auf der Frankfurter Buchmesse Film Awards in den Kategorien „Beste Adaption eines literarischen Werkes“ und „Beste Adaption eines Kinder- und Jugendbuches“ sowie neu in diesem Jahr die Kategorie „Bester Bildband zum Thema Film“ verliehen.
Gender Equality kommt
Gender equaltity ist ein weiterer Schwerpunkt auf der Buchmesse. Die nigerianische Autorin Chimamanda Ngozi Adichie, deren Manifest „We Should All Be Feminist“ eine Diskussion über Feminismus ausgelöst hat, hielt zur Eröffnung der Buchmesse eine flammende Rede zur Rolle der Literatur in Zeiten der Angstpolitik. „Es ist an der Zeit,beim Geschichtenerzählen Mut zu zeigen. Es ist an der Zeit zu sagen, dass wirtschaftliche Überlegenheit nicht moralische Überlegenheit bedeutet. Es ist an der Zeit für Männer, Bücher von Frauen zu lesen. Geschichten von Frauen werden noch nicht als universell angesehen“, so Chimamanda Ngozi Adichie. Die #MeToo-Debatte, Women´s March, Frauenquote – mit dem erfolgreich erkämpften Frauenwahlrecht vor 100 Jahren hört der Streit für die Gleichberechtigung nicht auf. Wie die Wege zur gleichberechtigten Gesellschaft aussehen können, greift täglich die Talkreihe „Streiterinnen“ auf.
#frauenzählen
Der neue Genderreport der Buchbranche #frauenzählen dokumentiert in seiner Pilotstudie die Sichtbarkeit von Frauen in Medien und im Literaturbetrieb. Medien prägen Bilder der Gesellschaft, sie tragen dazu bei, Vorstellungen über Männer und Frauen zu verbreiten. Ein wichtiger Faktor ist die Literaturkritik: Sie hebt heraus, wessen Blick auf die Welt wesentlich sei. Um zu untersuchen, in welchem Umfang Autorinnen in der Literaturkritik dargestellt werden, erhob das Projekt #frauenzählen zusammen mit dem Institut für Medienforschung der Universität Rostock die Pilotstudie zur Sichtbarkeit von Frauen in Medien und im Literaturbetrieb.„Es ist auch auffällig, dass in den deutschen Feuilletons die Werke von männlichen Autoren öfter rezensiert werden. Männer rezensieren Männer ‒ wenn Frauen rezensiert werden, stammen die Rezensionen meistens von Frauen. Da ist noch lange keine Gleichstellung, Gleichberechtigung oder gleiche Wahrnehmung erreicht. Ich glaube, das geht sehr früh los: Männer haben gelernt, sich mit Männern zu identifizieren und haben mehr Schwierigkeiten, Literatur von Frauen so zu lesen, als sei es auch Literatur, die sie selbst betrifft“, so Regula Venske, Präsidentin des PEN-Zentrum Deutschland, die dem verbandsübergreifenden Projekt der AG Diversität vorsteht, gegenüber dem NDR.
Riesiges Buchfest auf der Messe und in der Stadt
In Zeiten in denen internationale Marktplätze immer mehr ökonomisch unter Druck geraten und auch die Käuferinnen und Käufer von Büchern dramatisch schwinden, setzen die Veranstalter auf ein hochkarätiges internationales Literatur-Programm. Eine Bühne für Autorinnen und Autoren. Neu auf der Buchmesse ist auf der Agora, der zentralen Freifläche ein leicht geschwungener neuer Frankfurt Pavilion entstanden. Hier setzt die Buchmesse Themen und Diskussionen mit internationaler Beteiligung und versucht die großen Linien der Politik und der Buchbranche abzuschreiten. Zusätzlich gibt es eine Vielzahl an Bühnen, Podien und unterschiedliche Salons in den Hallen aber auch über die ganze Stadt Frankfurt verteilt. Bestseller-Events, Poetry Slam, Tastings und Talkrunden, Begegnung mit dem Ehrengastland Georgien machen aus der Buchmesse fünf Tage lang eine große Party. Es geht darum, die Besucherinnen und Besucher für kleine und große Geschichten zu begeistern, neue Welten zu eröffnen, die Lust auf weitere Geschichten zu machen.