YouthNet – Ein Ort der Begegnung

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Ein ehrgeiziges Projekt in München bringt Jugendliche mit christlichem, muslimischem, jüdischem, und ezidischem Hintergrund zusammen. Begleitet von professionellen Mentoren und Trainern haben sie die Möglichkeit sich auszutauschen, gemeinsam kreativ zu sein und Instrumente der interkulturellen Kommunikation zu erlernen…

Das Pilotprojekt unter dem Namen Youthbridge endete im vergangenen März mit einer Foto-Ausstellung, die die Früchte der gemeinsamen Arbeit zeigte. Nach einer intensiven Schulung von sechs Teilnehmern des Pilotprojekts zu Mentoren , ist im Oktober die neue Projektrunde unter dem Namen YouthNet gestartet.

Ein Gespräch mit Eva Rapoport, der Initiatorin von YouthNet.

Frau Rapoport, wie ist die Idee zu YouthNet entstanden?

Schon  im Jahr 2015, als ich mein Elternhaus zur Unterbringung unbegleiteter ,minderjähriger Geflüchteter einem Münchener Verein zur Verfügung gestellt habe, war ich mir der Chance und Herausforderung bewusst, welche die intensive Zuwanderung zahlreicher Jugendlicher mit Fluchtbiographie für unsere Stadt darstellt. Schon damals habe ich begonnen ein Konzept  zu entwickeln, welches Münchner Jugendliche unterschiedlichster Abstammung und Religion in einem Zeitraum von 6 Monaten zu gemeinsamen Projekten auf einer Augenhöhe zusammenbringt.

Inspiriert wurde ich des Weiteren von der Organisation Youthbridge aus New York, welche  ihr Konzept einige Monate später in der EJKA vorstellte. Deshalb lief das Pilotprojekt auch unter dem Namen Youthbridge  und als Partner fungierte die EJKA München. Allerdings  unterscheidet sich unser Programm ganz erheblich von jenem der New Yorker Organisation. Seit April 2017 nennen wir uns YouthNet und arbeiten unter dem Dach des Vereins Lichterkette e.V.

Mit Sharon Bruck und Dr. Oren Osterer habe ich kompetente Partner gefunden. Gemeinsam haben wir ein 9 Stufiges Programm entwickelt, welches auf die Bedürfnisse von Münchner Jugendlichen –geflüchtet, oder nicht geflüchtet, christlich, muslimisch, jüdisch, ezidisch, oder anderen Glaubens, genau zugeschnitten ist. Dieses Programm respektiert die knappe Freizeit der Jugendlichen, ihren Wunsch nach interkulturellem Austausch, ihr Bedürfnis nach Spaß. Gleichzeitig wird der zentrale Gedanke des Projektes nicht aus den Augen gelassen: In gemischten Arbeitsteams und auf einer Augenhöhe Aufgaben aus dem kreativen  Bereich und themenbezogene Workshops zu absolvieren. Dadurch werden mögliche Vorurteile abgebaut und die Jugendlichen lernen spielerisch, dass in einem modernen Arbeitsteam von heute nicht die Abstammung, sondern nur das gemeinsame Ziel eine Bedeutung hat.

Das Pilotprojekt hat mit einer Ausstellung von Fotos geendet, die die teilnehmenden Jugendlichen von „ihrem“ München gemacht haben. Was war das Interessanteste an diesen Bildern?

Es sind ausnahmslos kleine Kunstwerke von großer Sensibilität entstanden. In 4er Teams wurde die Stadt fotografiert , in 2er Teams wurden die Werke digital bearbeitet. 

Entstanden sind Werke, welche die ganz individuelle Sichtweise auf  München zeigen. So bunt wie diese Stadt, so unterschiedlich war der Fokus, den die Teilnehmer angesetzt haben. Die Vielfältigkeit der künstlerischen Ausdrucksweise hat uns alle sehr überrascht.

Die zweite Runde von YouthNet hat bereits begonnen. Seit Anfang Oktober treffen sich 19 Jugendliche im Alter von 15-19 Jahren. Nach drei Vorschulungen im Oktober läuft das Hauptprojekt von Dezember 2017 bis März 2018. Wie ist diese neue Gruppe zusammengesetzt?

In unserer neuen Projektgruppe haben wir 8 Jugendliche christlichen Glaubens , aber unterschiedlichster Herkunft,  6 Jugendliche moslemischen Glaubens geflüchtet aus Afghanistan, 2 Teilnehmer sind jüdischen Glaubens, eine kommt aus Südkorea, eine Teilnehmerin hat türkische Wurzeln, ein Jugendlicher ist Atheist. Dazu kommen noch unsere 6 Mentoren, welche ehemalige Teilnehmer des Pilotprojekts sind und nach einer vierteiligen Schulung bei  YouthNet als Co-Leiter der Gruppe fungieren. Von diesen 6 Mentoren  sind 3 Jugendliche jüdisch, einer ezidisch, eine Mentorin ist christlichen Glaubens und ein Jugendlicher ein aus Afghanistan geflohener Muslim.

Gibt es aus den Erfahrungen des Pilotprojektes auch Dinge, die geändert wurden?

Am Ende jedes Projekt-Treffens halten wir eine Feedbackrunde ab. Konstruktive Kritik  setzen wir umgehend um. Des Weiteren haben wir nach Ende des Pilotprojekts umfangreiche Fragebögen mit den Jugendlichen bearbeitet. Die Erkenntnisse hieraus haben zu einigen Nachbesserungen und Veränderungen für unsere neue Runde geführt. Die Meinung und Kritik unserer jugendlichen Teilnehmer ist unser wertvollstes Kapital.

Sie stellen Ihr Haus, eine Villa in Solln mit großem Garten, für die Flüchtlingsarbeit zur Verfügung. Wer lebt dort? Wie ist das Verhältnis zu den Nachbarn und was sind die Pläne für die Zukunft?

Momentan leben dort 15 unbegleitete , meist  minderjährige Geflüchtete aus Afghanistan, Eritrea, Syrien uns Somalia. Die meisten dieser Jugendlichen haben vor und während ihrer Flucht schwere Traumata erlitten. Sie leben in 2 Gruppen , einer heilpädagogischen und einer psychotherapeutischen. Regelmäßiger Schul- und Sprachschulbesuch, ein Schulabschluss, eine Berufsausbildung, Therapie, Sport, Struktur mit klaren Regeln und liebevoller Umgang sind die Pfeiler dieser Einrichtung. Das Verhältnis zur Nachbarschaft ist entspannt, da schon vor der Eröffnung 2015 ein Informationsabend für alle Anwohner abgehalten wurde. Dieses Haus und die Arbeit des dort tätigen Vereins für Sozialarbeit ist die Quelle meiner großen Freude, dass mein Elternhaus eine so sinnvolle Bestimmung gefunden hat. Ich hoffe , dass diese Einrichtung noch lange betrieben wird.

Die zweite Runde läuft nun in Zusammenhang mit dem Verein Lichterkette und die Jugendlichen erhalten mit Abschluss des Projektes ein Zertifikat. Was wird ihnen bescheinigt?

Da jede Projektrunde aus 2 Teilen besteht, erhält jeder Teilnehmer*in 2 Zertifikate, sofern er/sie regelmäßig teilgenommen hat.

Für die dreiteilige Vorschulung  gibt es ein Zertifikat, welches die 3 absolvierten Workshops auflistet. Für das sechsteilige Hauptprojekt erhalten alle ein gesondertes Zertifikat ,in welchem Inhalte und Ziele aufgeführt werden.

Beide Zertifikate werden von der Lichterkette ausgestellt.

Die Mentoren erhalten ebenfalls 2 Zertifikate sofern sie bei  Vorschulung und Hauptprojekt mindestens  3 mal teilgenommen haben. Bei ihnen wird auch auf die besondere Leistung hingewiesen.

Parallel zu den Projekten hat YouthNet ein digitales Netzwerk aufgebaut. Alle ehemaligen und aktuellen Teilnehmer können Mitglieder in diesem Netzwerk sein, um sich gegenseitig zu unterstützen und zu informieren. Die Vision ist also ein großes Netzwerk von Ehemaligen?

Im Moment bieten wir von YouthNet den Teilnehmern des digitalen Netzwerks die regelmäßige Teilnahme an diversen Kulturveranstaltungen an, um den gegenseitigen Kontakt auszubauen.

Vision ist ein interkulturelles , interreligiöses Netzwerk aus autonomen Jugendlichen, ehemalig, zukünftig, oder aktuell, die sich als Gestalter unserer Münchner Gesellschaft definieren, sich unterstützen, informieren und auch Treffen und bei denen Religion und Abstammung der anderen keine Rolle spielt, sondern als Bereicherung gesehen wird.

Herzlichen Dank und weiterhin viel Erfolg!

Weitere Informationen unter www.youthnet-muenchen.com
Kontakt: youthnet@t-online.de