„Der Jude wird verbrannt“

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Deutsche Redewendungen, die nachwirken…

Von Robert Schlickewitz

Wen man ‚mit allen Fasern seines Körpers‘ hasst, den schmäht und verunglimpft man nur zu gerne auch verbal, und, wenn der Hass lange genug wirken kann, dringt er sogar in Redensarten oder Sprichwörter ein. Christliche Deutsche hassen Juden bereits eine ‚halbe Ewigkeit‘ und so verwundert es keineswegs, dass das deutschsprachige Jüdische Lexikon von 1927 das Stichwort „Juden in deutschen Redewendungen“ enthält.

Judenverfolgungen in Deutschland waren definitiv keine Erfindung der „Nazis“ bzw. des „Dritten Reiches“, sie haben vielmehr eine mehr als tausendjährige, traurige Tradition und sie hinterließen zahlreiche deutliche Spuren in der deutschen Kultur, zum Beispiel in der deutschen Sprache. Gleichsam zum vertrauten Allgemeingut gewordene deutsche Sprüche und Wendungen transportierten jahrhundertelang den alltäglichen Hass, bzw. verwandte zutiefst negative Gefühle wie Abneigung, Missgunst, Intoleranz, Geringschätzung, Häme, Spott, Unverständnis, etc. Zugleich offenbarten sie beschämende Defizite an Menschlichkeit, bürgerlichem Gemeinsinn, Einfühlungsvermögen und Intelligenz, bis sie, per ungeschriebenem Dekret, und ‚von oben‘, nach 1945 zu Tabus erklärt wurden.

Jedoch was nützen Dekrete oder Tabus, wenn sie nicht von ehrlicher Einsicht getragen werden? – Rein gar nichts!

Deutsche Schüler, die das Wort „Jude“ als Schimpfwort missbrauchen, Bundeswehrsoldaten, die symbolisch Juden verbrennen, Angehörige der bürgerlichen Intelligenz sowie Stammtischbrüder, die sich in ihrer schroffen Ablehnung von Juden und Israelis gallig einig sind, sie gehören bis in unsere Tage zum schwarzrotgoldenen Alltag. Bedenklich, dass sich darüber in Deutschland selbst niemand mehr so recht aufregen will. Eher schon kommt irgendwie geartete Kritik von außerhalb. Es sind Individuen mit Mut zu unpopulärem Auftreten, die ihre Unverständnis darüber äußern, wie sowas möglich sei, nach all dem was, vor einer immer länger zurückliegenden Zeit, mal war, in Deutschland…

„JUDE(N)“ in deutschen Redewendungen. Wie zahlreiche Namen von Pflanzen und Steinen im Deutschen in volkstümlich-bildhafter Weise auf die bes. im Mittealter mit einem gewissen Charakter der Unheimlichkeit umgebenen Juden Bezug nehmen. – Judenbart, Judenbaum, Judendorn, Judenhütlein, Judenkirsche, Judenpappel, Judenweihrauch, Judenpech (= Asphalt), Judenfolie (Spiegelstanniol), Judensteine (versteinerte Seeigel) –, so ergab die Fremdartigkeit der Juden für das Märchen („Der Jude im Dorn“, ferner schon in 1001 Nacht) und die Volksdichtung reizvolle Themen; ebenso findet das Schicksal der Juden auch in einigen Redewendungen der deutschen Sprache seinen Niederschlag, wobei die maßlose Spannung und Feindseligkeit deutlich wird, die das Volk den Juden gegenüber empfand und betätigte. Erwähnt seien hier:

1. „Juden und Judengenossen“, eine aus Apostel Geschichte 2, 11 (Judengenossen = Proselyten) stammende, in der antisemitischen Polemik des 19. Jhdts. vielfach verwendete Bezeichnung für die mehr oder weniger geheime politische Verbindung von Juden mit linksstehenden politischen Parteien. Ähnlich werden diese Parteien selbst in der Gegenwart

2. „Judenschutztruppe“ genannt.

3. „Lärm wie in der Judenschul (= Synagoge)“, in neuerer Zeit gehässige Bezeichnung für Zusammenkünfte zahlreicher Menschen mit lebhaft-lärmender Unterhaltung, davon herrührend, daß mit dem jüdischen Gottesdienst nicht Vertraute den Organismus der in der Synagoge vielfach jeder für sich und laut singende Beter nicht zu erkennen vermögen und nur lärmendes Durcheinander bemerken. – Zum Wort vgl. Artikel Judenschule.

4. „Der Jude wird verbrannt“ (Tut nichts, der Jude …), Zitat aus Lessings „Nathan der Weise“, 4. Aufzug, 2. Szene, wo der verblendete Patriarch das Wort dreimal wiederholt; Ausdruck für hartnäckige Verfolgung eines Unschuldigen sowie für verallgemeinernde Aufbürdung von Anklagen und Vorwürfen auf die jüdische Gesamtheit oder den einzelnen Juden als Typ, ohne Unterlage und Berechtigung für die Verallgemeinerung.

5. „Schlägst (oder haust) Du meinen Juden, hau‘ ich deinen Juden“, wahrscheinlich volkstümliche Zusammenfassung des Inhalts von Hebels Geschichte „Die zwei Postillone“ (im „Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes“), wobei für die seelische Einstellung des Volkes kennzeichnend ist, daß in der Hebelschen Vorlage von Juden überhaupt nicht die Rede ist. Büchmann (Geflügelte Worte) wirft allerdings die Frage auf, ob Hebel seine Geschichte vielleicht nach einer vorgefundenen Redensart, die so viel als „Wie du mir, so ich dir“ bedeutete, bearbeitet hat. Die Wendung „mein, dein Jude“ läßt auf urspr(üngliche) Beziehung auf Hausjuden oder Landesjuden schließen. Vielleicht ist auch die Redensart historisch auf Drohungen kleiner Städte oder Fürsten zurückzuführen.

6. „Jedes Land hat die Juden, die es verdient“, ein von Karl Emil Franzos stammendes Schlagwort, das die Schuld der einzelnen Völker bzw. Regierungen, in deren Ländern Juden leben, namentlich an dem moralischen Zustand der jüdischen Bevölkerung kennzeichnen will und übrigens dem Worte: „Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient“ (Lit. bei Büchmann, Geflügelte Worte) nachgeahmt zu sein scheint.

7. „Fürs Gewesene gibt der Jude nichts“, im Sinne von: der Jude hat in der Hauptsache auf Gegenwart und Zukunft gerichtete praktische Interessen, während ihm Dinge und Erklärungen aus der Vergangenheit gleichgültig sind. Die Redensart dürfte von der Pfandleihe herrühren, die nur Gegenwartswerte belieh.

8. Kinderlieder und -spiele (Volkslieder).

z. B.

Ist ein Jud‘ ins Wasser gefallen,

Hab‘ ihn hören plumpen;

Wär‘ ich nicht dazu gekommen,

Wär‘ der Jud‘ ertrunken.

Ursprünglich ein Studentenscherzlied, das im deutschen Volke auch vom Bauer, Schreiber, Mann gesungen wird.

9. „Bandjud, Bänneljud“ (mecklenburgisch bzw. pfälzisch), ein mit Bändern, Posamenten handelnder Hausierer, auch von Nichtjuden gebraucht (Schirmer, Wörterbuch der deutschen Kaufmannssprache, 1911); ähnlich „Ellenjude“ für Manufakturist; plattdeutsch „Tûgjud“ für Zeugjude.

10. „Judenzopf“, mundartliche Bezeichnung im Deutschen für die Weichselzopf genannte Verfilzung des Haupthaars mit Knotenwickelung der Strähnen, die an die gedrehten Schläfenlocken der jüdischen Haartracht (Peot) erinnerten.

11. Ferner wurde bzw. wird das Wort „Jude“ an sich, je nach Landesgegend, zu verschiedenen Bezeichnungen verwendet: so für einen Studenten, der keiner Verbindung angehört (heute: Finke); für einen Wucherer; für einen langen Bart; für eine fleischlose Mahlzeit; in einem Gedichtbuch aus dem 17. Jhdt. werden die Spanferkel Juden genannt (Kluge, Rotwelsch, S. 134ff.).

Zahlreich sind die Wortzusammensetzungen mit „Jude“: in eigenen Artikeln (des Jüdischen Lexikons) werden behandelt: Hofjude, Münzjude, Schutzjude; andere bekanntere Verbindungen sind: Dorfjude, Erzjude und Stockjude (in Lessings Nathan der Weise 2, 5) soviel als Jude durch und durch; Geldjude, Handelsjude, Schacherjude, Trödeljude.

12. Die starke Durchdringung gewisser Kultur- und Wirtschaftszweige der Wirtsvölker mit Juden und jüdischem Geist (z. B. Handel, Börse, Journalismus usw.) brachte den Begriff der „Verjudung“ auf; siehe hierüber diesen Artikel (im Jüdischen Lexikon).

13. In bes. Maße hat sich das Sprichwort mit den Juden beschäftigt. Bot im Mittelalter, in dem wohl die meisten der lebenden Sprichwörter entstanden sind, das abgesonderte Leben der Juden an sich vielfachen Anreiz zu Spott und Kritik, so führte die Rolle, die die Juden fast überall in gleicher Weise zwangsläufig in der Wirtschaft spielen mußten, zu den selben Erfahrungen und Formulierungen. Überall spricht bei den ungebildeten Leuten des kleinen Mittelstandes (Bauern, Handwerker, Krämer), in deren Gesichtskreis sich die Bilder und Vergleiche des Sprichworts bewegen, aus dem Sprichwort der Haß gegen die Juden als die angeblichen Wucherer und Aussauger. Eduard Fuchs hat hierzu in dem Abschnitt: „Die sprachliche Satire“ seines Werkes „Die Juden in der Karikatur“ einschlägiges Material von großer Eindringlichkeit zusammengestellt.

Lit.: R. von Liliencron, Die historischen Volkslieder der Deutschen vom 13.-16. Jhdt., Bd. 3, 1868, S. 316f. und 355ff.; O. Frankl; Die Juden in den deutschen Dichtungen des 15., 16. und 17. Jhdts., 1905; Büchmann, Geflügelte Worte; H. Meyer, Der richtige Berliner (1904); Fr. Kluge, Deutsche Studentensprache, S. 96.

Quelle: Jüdisches Lexikon, Berlin 1927

Anmerkungen:

Der Lexikonartikel wurde in seiner Originalschreibweise übernommen; als Autor ist Bruno Kirschner, Berlin, angegeben.

Die Redewendung „Haust Du meinen Juden, hau‘ ich deinen Juden“, wurde zum Beispiel von allerprominentester christlich-bayerischer Seite, vom Thronfolger der Dynastie der Wittelsbacher, von Kronprinz Rupprecht von Bayern, gepflegt, wie dessen Kriegstagebuch (Berlin 1929, Bd. I, S. 350, Eintrag vom 11.5.1915) zu entnehmen ist:

Meine dringenden und wiederholten Anträge auf Zuweisung von Kampfflugzeugen aber waren unberücksichtigt geblieben. Es konnte infolgedessen  unsere Artillerie eigentlich nur auf die feindlichen Infanteriestellungen schießen, wie freilich auch umgekehrt die feindliche Artillerie den Hauptnachdruck auf die Bekämpfung unserer Schützengräben legte. Beide Artillerien verfuhren mehr oder minder nach dem Grundsatze: ‘Haust du meinen Juden, hau ich deinen Juden!‘, nur verfügte die feindliche Artillerie über mehr Munition.

Das Verbrennen von Juden, siehe, die entsprechende Redewendung (oben, Punkt 4) lebt im kollektiven Gedächtnis der Nachkommen der Täter fort. Es war der Reformator Luther gewesen, der einst die Einäscherung der Synagogen forderte. Konsequent verbrannten vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert hinein christliche Deutsche eine unbekannte, hohe Anzahl Juden. Ebenfalls bis in das 20. Jahrhundert wurden in vielen Teilen des katholischen Deutschlands Judaspuppen unter Absingen eindeutiger Sprüche lodernden Flammen übereignet; 1977 verbrannten Bundeswehrsoldaten symbolisch Juden; und auch gegenwärtig ist das Motiv vom Juden im Feuer aus den Köpfen und Herzen der Deutschen noch längst nicht verbannt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Luther_und_die_Juden#Von_den_Juden_und_ihren_L.C3.BCgen_.28Januar_1543.29

https://www.hagalil.com/2009/04/30/brauchtum/

»Herrlich, die ganze Stadt müßte abbrennen!«

http://www.fluchschrift.net/verbrech/juni/27061941.htm

http://www.asfrab.de/bundeswehrchronik/bundeswehrchronik-1976-1985.html

http://www.fr-online.de/fr-themen/antisemitismus–dann-lasst-uns-doch-juden-verbrennen-,4377584,4376942.html

https://www.nd-archiv.de/artikel/1826151.bjudenverbrennen-auf-schulhof-gespielt.html

Der ganz alltägliche deutsche Antisemitismus der Gegenwart:

2005:

http://www.zeit.de/2005/02/antisemitismus

https://www.hagalil.com/2005/05/moral.htm

http://neofa-ausstellung.vvn-bda.de/s6/

http://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2005/12/15/a0159

2006:

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/rechtsextremismus-im-osten-du-jude-ein-ganz-normales-schimpfwort-a-442534.html

http://www.bpb.de/politik/extremismus/antisemitismus/37962/sekundaerer-antisemitimus?p=all

http://www.bpb.de/politik/extremismus/antisemitismus/37967/traditioneller-und-moderner-antisemitismus

https://www.hagalil.com/2006/04/antisemitismus.htm

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/antisemitische-welle-an-schulen-juedische-schueler-fliehen-vor-nazis-und-aggressiven-muslimen-a-453133.html

2007:

https://www.hagalil.com/01/de/Antisemitismus.php?itemid=323

http://www.derwesten.de/staedte/essen/wenn-du-jude-wieder-ein-schimpfwort-wird-id1934433.html

http://www.tagesspiegel.de/politik/deutschland/extremismus-antisemitismus-in-deutschland-waechst/1088924.html

2008:

http://www.derwesten.de/kultur/jude-ist-wieder-ein-schimpfwort-id1859605.html

http://www.deutschlandradiokultur.de/du-jude-du-opfer.1278.de.html?dram:article_id=192133

http://www.tagesspiegel.de/politik/deutschland/antisemitismus-und-islamfeindlichkeit-historiker-wolfgang-benz-verteidigt-seine-thesen/1391584.html

http://www.dw.de/moderner-antisemitismus/a-3681277

2009:

Schimpfwort „Jude“

http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/1365

http://www.migration-online.de/data/arug_antisemitismus_chronik_2009.pdf

http://www.tagesspiegel.de/politik/deutschland/langwierig-antisemitismus-immer-noch-kein-expertengremium/1527732.html

2010:

http://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/news/reportagen/was-fuer-ein-beklopptes-schimpfwort

http://www.bpb.de/politik/extremismus/antisemitismus/37969/antisemitismus-und-islamophobie?p=all

http://www.lautgegennazis.de/blog/2010/07/05/05-07-2010-antisemitismus-in-deutschland-ein-beklemmender-beitrag-von-anetta-kahane-eine-bittere-erkenntnis-65-jahre-nach-dem-ende-der-nazis/

2011:

http://www.linksfraktion.de/interview-der-woche/antijuedische-stereotypen-zunehmend-ungehemmter/

Schlimmer als Hakenkreuze

http://www.taz.de/!81513/

http://www.transodra-online.net/de/node/14857

Schulhof-Schimpfwort „Jude“

http://www.taz.de/!81527/

2012:

http://www.welt.de/politik/deutschland/article13830150/Du-Jude-alltaegliches-Schimpfwort-auf-Schulhoefen.html

http://www.focus.de/politik/deutschland/zentralrat-der-juden-das-schimpfwort-jude-ist-eine-brennende-wunde_aid_889053.html

http://www.morgenpost.de/berlin-aktuell/article108921681/Jude-ist-an-Berliner-Schulen-wieder-ein-Schimpfwort.html

http://www.derwesten.de/staedte/essen/jude-ist-immer-noch-ein-weit-verbreitetes-schimpfwort-id6323736.html

http://de.wikipedia.org/wiki/Antisemitismusbericht_des_Deutschen_Bundestages

2013:

http://www.katholisch.de/de/katholisch/themen/gesellschaft/131020_gewalt_gegen_juden.php

http://www.zeit.de/politik/2013-11/Antisemitismus-Deutschland-Gedenktag

http://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-10/synagogen-deutschland-anschlaege

http://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/hr/28102013-die-story-im-ersten-antisemitismus-heute-100.html

2014:

http://www.neues-deutschland.de/artikel/922065.zentralrat-der-juden-besorgt-ueber-antisemitismus.html

http://www.deutschlandfunk.de/holocaust-gedenktag-keine-toleranz-der-intoleranz.1818.de.html?dram:article_id=275698

http://www.youtube.com/watch?v=2WbpmIKquPw

http://www.huffingtonpost.de/nathan-warszawski-/antisemitismus-im-wandel_b_4602638.html

 

39 Kommentare

  1. Die jüdisch-israelische Psychologin Iris Hefets schreibt zu deutsch-israelischen Befindlichkeiten:

    “ Das deutsche Grundgefühl gegenüber Israel ist eben das Schuldgefühl. Und Verteidigung als Staatsräson – irgendwie ist das ja auch eine Art Einverleibung Israels. Als ob wir noch in Europa wären. Wir sind aber nicht in Europa. Die Juden wurden aus Europa verstoßen, und diese Einverleibung bedeutet das Gegenteil von Trauer und Verarbeitung des Genozids, dahinter steckt der Wunsch zum Ungeschehenmachen.

    Bzw. die angstvolle Reaktion, die klarstellen will, ‚damit habe ich nichts zu tun‘.

    So sehe ich das auch.

  2. Deutscher Judenhass zieht sich wie ein roter Faden durch die deutsche Kultur; sehr viele herausragende „bedeutende“ deutsche Persönlichkeiten (solche, die einem zuerst und solche, die einem erst danach einfallen, wenn man an Deutschland denkt) haben sich judenfeindlich geäußert und konnten, zumindest bis 1945, damit rechnen, von ihrem Volk nicht missverstanden zu werden.

    „Sollen wir von den Jüden Lästerung rein bleiben und nicht teilhaftig werden, so müssen wir geschieden sein und sie aus unserem Lande vertrieben werden; sie mügen gedenken in ihr Vaterland, so dürfen sie nicht mehr für Gott über uns schreien und lügen, daß wir sie gefängen halten – wir auch nicht klagen, daß sie uns mit ihren Lästern und Wucher beschweren.
    Ich will denn meinen treuen Rat geben.
    Erstlich, daß man ihre Synagoge oder Schule mit Feuer anstecke, und was nicht verbrennen will, mit Erden überhäufe und beschütte. (…)
    Zum andern, daß man auch ihre Häuser desgleichen zerbreche und zerstöre. Denn sie treiben eben dasselbige drinnen, das sie in ihren Schulen treiben. (…)
    Zum dritten, daß man ihnen nehme alle ihre Betbüchlein und Talmudisten, darin solche Abgötterei, Lügen, Fluch und Lästerung gelehret wird.
    (Martin Luther, Von den Juden und ihren Lügen, 1543)

    Niemand hat wohl besser als er (ein bestimmter Theaterdirektor seiner Zeit) den Charakter eines jüdischen Rabbiners vorgestellt. Den vertrackten Eifer, den sinnlichen, ekelhaften Enthusiasmus, die verrückten Gebärden, das verworrene Gemurmel, das scharftönende Geschrei, (…) die Verschrobenheiten eines alten Unsinns hatte er so fürtrefflich ergriffen, (…) daß diese Abgeschmacktheit einen jeden geschmackvollen Menschen auf eine Viertelstunde glücklich machen konnte.
    (Johann Wolfgang von Goethe, Wilhelm Meisters theatralische Sendung, 1773-85)

    Der Jude spricht die Sprache der Nation, unter welcher er von Geschlecht zu Geschlecht lebt, aber er spricht sie immer als Ausländer. (…) Als durchaus fremdartig und unangenehm fällt unsrem Ohre zunächst ein zischender, schrillender, summsender und murksender Lautausdruck der semitischen Sprechweise auf. Eine unsrer nationalen Sprache gänzlich uneigentümliche Verwendung und willkürliche Verdrehung der Worte und Phrasenkonstruktion gibt diesem Lautausdruck vollends noch den Charakter eines unerträglich verwirrten Geplappers.
    (Richard wagner, Das Judentum in der Musik, 1850)

    Und der Jud‘ mit krummer Ferse,
    krummer Nas‘ und krummer Hos‘
    schlängelt sich zur hohen Börse,
    tiefverderbt und sittenlos.
    (Wilhelm Busch, Die fromme Helene, 1871)

    Unter den führenden Männern der Kunst und Wissenschaft ist die Zahl der Juden nicht sehr groß; um so stärker die betriebsame Schar der semitischen Talente dritten Ranges. Und wie fest hängt dieser Literatenschwarm unter sich zusammen; wie sicher arbeitet die auf den erprobten Geschäftsgrundsatz der Gegenseitigkeit begründete Unsterblichkeits-Versicherungsanstalt, also daß jeder jüdische Poetaster jenen Eintagsruhm, welchen die Zeitungen spenden, blank und bar, ohne Verzugszinsen ausgezahlt erhält.
    (Heinrich von Treitschke, 1879)

    Fatal waren die Juden; ihre frechen, unschönen Gaunergesichter (denn in Gaunerei liegt ihre ganze Größe) drängen sich einem überall auf. Wer in Rawicz oder Meseritz ein Jahr lang Menschen betrogen oder wenn nicht betrogen, eklige Geschäfte besorgt hat, hat keinen Anspruch darauf sich in Norderney unter Prinzessinnen und Comtessen herumzuzieren.
    (Theodor Fontane, 1882)

    Was (…) gegen die Juden spricht, ist vorab ihre Internationalität. Es ist nicht wahr, daß die deutschen, französischen, englischen, russischen Juden sich als Angehörige des Landes fühlen, in dem sie wohnen. Sowie es möglich ist, treten sie als Söhne der jüdischen Nation auf, und dadurch sind sie Feinde jeder europäischen Nation. Ihre Deklamationen, daß es anders sei, glaubt ihnen niemand. Sie stehen mit den Jesuiten und Sozialdemokraten auf einer Stufe; sie sind vaterlandslos…
    Es gehört ein Herz von der Härte der Krokodilhaut dazu, um mit den armen, ausgesogenen Deutschen nicht Mitleid zu empfinden und – was dasselbe ist – um die Juden nicht zu hassen, um diejenigen nicht zu hassen und zu verachten, die – aus „Humanität“ – diesen Juden das Wort reden oder die zu feige sind, dies Ungeziefer zu zertreten. Mit Trichinen und Bazillen wird nicht verhandelt, Trichinen und Bazillen werden auch nicht „erzogen“, sie werden rasch und so gründlich wie möglich unschädlich gemacht.
    (Paul de Lagarde, 1887)




    ?“unschädlich gemacht“? – eigentlich doch ein Terminus, den wir von den Tagesbefehlen ganz normaler Wehrmachtsgeneräle und Sonderkommandoleiter kennen, die in Holland, in Polen, in der Ukraine, in Ungarn, in Italien und sonstwo ihrer mörderischen Hatz auf Juden nachgingen, im Zweiten Weltkrieg. Aber hier lesen wir ihn in einem Buch von 1887, in „Juden und Indogermanen“.

    Und – de Lagarde wird nicht der erste Deutsche gewesen sein, der ihn gebrauchte.

    Der eliminatorische deutsche Judenhass ist alt, sehr alt, geradezu țdlich alt Рund er lebt immer noch.

    • Eine Lanze für den Frankfurter, den „geheimbden Rat“, wie ihn Tucholsky benennt.

      Ihn in eine Reihe mit den anderen (mehr oder weniger Unholden), denen ihr Antijudaismus bzw. Antisemitismus zum Teil Passion war, zu stellen, ist gewagt. Sicherlich war er, das ist belegt, nicht völlig frei von bestimmten Ressentiments gegenüber jüdischer Lebensart, und viele haben sich darüber Gedanken gemacht. Eine Einführung bietet beispielsweise diese Buchrezension: http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=460
      Titel: „Goethe und das Judentum
      Ein wenig spektakuläres Verhältnis“

      In dem im obigen Beitrag Zitierten heißt es richtig: „… niemand hat wohl besser als er die Karikatur eines jüdischen Rabbinen vorgestellt …“ und nicht: “ … den Charakter eines jüdischen Rabbiners vorgestellt …“. – ein himmelweiter Unterschied. Und er sagt auch: „eines“ und nicht „des“, was verallgemeinern würde. Karikaturen überzeichnen bekanntlich. Ãœber den, den Goethe so sprechen lässt, hat er aber zuvor bereits den Stab gebrochen: „sein glückliches Naturell fand jeden Ausdruck, nur das Rührende, Herzliche nicht“. Das kann nichts anderes heißen, als dass er ihn nicht als Vorbild darstellt, sondern im Gegenteil Ablehnung erwecken will bei den Lesenden und damit natürlich auch sein Auftreten samt seinen Vorführungen verurteilt. Goethe zeichnet, so könnte man sagen, in ihm das Bild eines „Apparatschik“ der Schauspielkunst, für dessen VertreterInnen er generell ohnehin nicht die allergrößte Sympathie hegte.

      • Was ich vergaß: wie benennt er denn die geschilderte Darbietung? Mit dem Wort „Abgeschmacktheit“: http://synonyme.woxikon.de/synonyme/abgeschmacktheit.php

        „… daß diese Abgeschmacktheit einen jeden geschmackvollen Menschen auf eine Viertelstunde glücklich machen konnte.“

        Er stellt bewusst zwei aus dem gleichen Wortstamm abgeleitete Worte als Gegensätze sozusagen unsichtbar in den Raum. Darin verbleiben sie für 15 Minuten. Dann fällt der Groschen bei den Zuhörenden… Nicht zustimmend: sie sind nicht – nicht mehr – „glücklich“ darüber. Anders lässt sich der Text kaum deuten.

      • Das Goethesche Verhältnis zu Juden ist zwar inzwischen recht häufig untersucht worden, jedoch sind die erzielten Resultate oft nicht frei von nationalen und sogar nationalistischen Befindlichkeiten (Goethe gilt immerhin als der Volksheld Nummer Eins in Deutschland. Was wäre Deutschland ohne Goethe?), außerdem scheint den einzelenen Untersuchungen häufig die nötige Tiefe zu ermangeln; die Wissenschaftler untersuchten eher Teilaspekte als den ganzen Goethe.

        Es gibt auch (leider) Hinweise darauf, dass neuere Goetheausgaben von modernen Lektoren ihrer als antisemitisch zu interpretierenden Passagen beraubt wurden. D.h., wer eine moderne Ausgabe erworben hat, liest nur die halbe Wahrheit und ist nicht in der Lage, Goethe so einzuschätzen, wie er es verdiente.

        Was man mit Sicherheit sagen kann, ist, dass Goethe sich zeitweise ganz eindeutig judenfeindlich geäußert hat. Zu untersuchen und zu bewerten wäre der Grad seiner Judenfeindlichkeit.

        Hier der Link zum Eintrag Goethe in der Encyclopaedia Judaica von 2008: http://www.jewishvirtuallibrary.org/jsource/judaica/ejud_0002_0007_0_07461.html

        Daraus: „He opposed legislation aimed at liberalizing the position of Jews in German society.“

        Goethe gehörte also der großen Mehrheit jener in Deutschland an, die der Judenemanzipation feindlich gegenüberstand, die Juden nicht als gleichwertige Bürger anerkennen wollten.

        Interessant wären folgende Publikationen:
        http://leobaeck.oxfordjournals.org/content/34/1/xi.extract
        http://www.amazon.co.uk/Cambridge-Companion-Goethe-Companions-Literature-ebook/dp/B00A4A68MK/ref=dp_kinw_strp_1

        Bzw. diese Links, die die aktuelle deutsche Haltung zu Goethe und den Juden repräsentieren:
        http://www.ursulahomann.de/GoetheUndDasJudentum/kap008.html
        http://forum.grenzwissen.de/showthread.php?t=4586

      • @ zeitgenosse

        „wer eine moderne Ausgabe erworben hat, liest nur die halbe Wahrheit“ Na, da kann ich mich ja glücklich schätzen, meine Ausgabe ist 32 Jahre nach des großen Dichters Tod erschienen…

        Da wir hier uns mit einem Beitrag des Jüdischen Lexikons von 1927 beschäftigen, ist es sicherlich auch nicht uninteressant, was darin zu (Stichwort) „Goethe, Stellung zu Juden und Judentum“ zu finden ist. Wenigstens sei zitiert, womit der Eintrag beginnt, geschrieben vom Literaturhistoriker und Schriftsteller Dr. phil. Hugo Bieber, Berlin, dem das Lexikon einen eigenen Beitrag widmet. Bieber arbeitete demnach viel über Heinrich Heine, dem wiederum Goethe keine besondere Beachtung schenkte. Aber davon lässt Bieber sich nicht beeinflussen, wenn er schreibt:

        Im Laufe eines langen Lebens, bei verschiedenen Anlässen, in sehr verschiedenen Situationen und Stimmungen hat G. sich so oft in wechselnder Gesinnung und Wertung gegenüber J. und J.-tum geäußert, daß es selbst bei vorsichtigster Kritik der einzelnen Zeugnisse methodisch unzulässig ist, durch Zusammenstellung aller dieser Aussprüche seinen Standpunkt zu konstruieren oder gar ihn auf Grund einer Statistik der positiven oder negativen Wertungen für eine Partei in Anspruch zunehmen.

        Weiterhin:

        … hat G. … die Entwicklung seiner Anschauungen und Empfindungen vom J.-tum von einem Standpunkt aus betrachtet, der jenseits von Sympathie uns Antipathie liegt. … … Erst die sich allmnählich ausbreitende Bekanntschaft mit „vielen geistbegabten, feinfühligen Männern dieses Stammes“ erweckt in G. Achtung für die Nachkommen des bibelschöpferischen Volkes. In diesen, von G. selbst skizzierten Rahmen lassen sich alle seine Äußerungen über das J.-tum zwanglos einordnen, …

        Ja. Also sprach Dr. Bieber.

        Goethe in eine Reihe mit dem alternden Luther, mit Wagner, mit einem Treitschke und Legarde, alles ausgemachte Judenfeinde erster Güte, in eine Reihe zu stellen ist – jetzt würde ich gerne eine lange Multiple Choice – Liste anhängen, von hervorragend bis dämlich. Aber bilde sich jede/r selbst ein Urteil 🙂

      • Zu Dr. Bieber gilt das Selbe wie weiter unten bereits zu Bruno Kirschner gesagt; jüdische Autoren der Endzwanziger in Deutschland waren alles andere als frei in ihrer Ausdrucksweise, Wortwahl und Akzentuierung. Sie vermieden um jeden Preis Provokationen und glätteten lieber als dass sie zu offen über den allgemeinen, oder wie hier, ganz speziellen, deutschen Judenhass berichteten. Sie wussten warum. Die jahrhundertealte Erfahrung mit Deutschen und deren berüchtigtem ‚Furor teutonicus‘ hatte sie gelehrt sich vorsichtig auszudrücken. Deutsche fühlen sich, wenn es um ihre nationalen Belange („Ehre“) geht, sehr rasch auf den Schlips getreten; das ist heute nicht anders als damals.

        efem nehme sich bitte einmal das Schoepsesche Moderne Lexikon des Judentums (Bertelsmann) von 1998 vor und staune ruhig darüber, wie offen und ehrlich da über den Goetheschen Judenhass berichtet wird! (Und bilde sich dann erst sein Urteil)

        Allein das Verhalten Goethens sich mit seiner beachtlichen Reputation gegen die Emanzipation der Juden zu stemmen, reicht aus um den Geheimrat („das deutsche Genie“) genau dahin zu stellen, wo er hin gehört, in eine Reihe mit (dem älteren) Luther, Bach, Wagner, Busch, Treitschke und Co.

        Auch Mythen, Legenden und Idole müssen sich gefallen lassen, dass an ihnen gekratzt wird; und bei Goethen tut kratzen doppelt Not. Die Schonzeit ist vorbei. Piff-paff.

      • After he moved to Weimar in 1775, Goethe’s social life brought him into contact with many Jewish and converted Jewish intellectuals and artists, including Heinrich *Heine, who did not impress him, and Felix Mendelssohn-Bartholdy, whom he loved. „Goethe allowed the artist Moritz *Oppenheim to paint his portrait and to illustrate his poetic idyll Hermannund Dorothea (1798). He opposed legislation aimed at liberalizing the position of Jews in German society. In general, however, contemporary Judaism did not play a major role in his work.“

        So die vollständige Passage in der Jewish Virtual Library.

        Es mag zwar irritieren, dass Goethe nicht für eine Liberalisierung der STellung der Juden einsetzen wollte, allerdings betraf dies genauso die politischen Verhältnisse in Deutschland; Goethe war kein Demokrat, aber so wie es bei Ursula Hohmann stand, kann man diesen Zug Goethes so verstehen, dass er indem er die politischen Verhältnisse nicht in Frage stellte, maximale innere Freiheit fand.

        Selbst wenn man die Jewish Virtual Libary über Goethe liest, wird sehr klar, dass Goethe kein Antisemit war.

        Das Bedürfnis mancher Leute alles was in Deutschland war und ist, in ein eindimensionales Schema zu pressen, ist halt bei manchen da – soll man das ’selbsthassende Deutsche‘ nennen?

      • „Sie vermieden um jeden Preis Provokationen und glätteten lieber als dass sie zu offen über den allgemeinen, oder wie hier, ganz speziellen, deutschen Judenhass berichteten.“

        Ja da schau na. Katze aus dem Sack? Hier weiß jemand nämlich ganz genau, was die verdienstvollen Autoren der Beiträge dachten und – wie sie geschickt taktierten. Man könnte auf die Idee kommen, das sei nicht gerade freundlich, bestätigt es doch althergebrachte Vorurteile…

        Ein Lexikon, das Fünfe gerade sein lässt, verdient seinen Namen nicht. Im Nachhinein kann man allem und jedem was anhängen, sie/er kann sich ja nicht mehr wehren aus der Kiste heraus.

        Das Jüdische Lexikon von 1927 widmet dem Antisemitismus viele Seiten und beschreibt ihn nach dem damaligen Stand für den quasi gesamten europäischen Raum samt Russland, erwähnt auch Palästina, nimmt niemand in Schutz, weder die Politik noch die Kirchen noch sonstwen, natürlich auch nicht Herrn Hitler und seine Kumpane noch das deutsche Land, von dem der Nazismus seinen Ausgang nahm, spricht unverhohlen von Judenhass.

        Eine editorielle Beschwichtigungsstrategie ist daraus wirklich nicht zu erkennen: wieso auch sollte das irgendwie nützlich sein: im Gegenteil wird Ross und Reiter genannt. Dass die Nazis sechs Jahre später tatsächlich an die Macht kommen würden, konnte kein Mensch wissen, höchstens fürchten, und da war es gut, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, eben damit es nicht passieren möge.

  3. Lieber efem,

    ich würde Dir wirklich gerne zustimmen.
    Dachte als Gutmensch, die 10-20% angenommenen antisemitischen Spinner erkennen und einordnen zu können.

    Bin eines Besseren belehrt worden.

    Ein endvierziger Nachbar, erfolgreicher Handwerker, durchaus begeisterter Hippie Musik anhängender, seinen Söhnen diverse Pflanzen erlaubend anzubauen und diese auch zu nutzen, erklärte definitiv ernsthaft:

    Eine ehemals beliebte z.Zt. unbeliebte Bekannte (Mitglied des e.V. Kirchenvorstandes), hätte- wie er von seinen verstorbenen Eltern hörte – und man ja wohl am Aussehen und Verhalten erkennen könnte, jüdische Wurzeln. Daher sei ihr jetziges Verhalten erklärbar, besonders da man wisse, daß es ja wohl einen Grund geben müsse, warum Juden weltweit verfolgt und ausgeschlossen waren und sind.

    Ein Abend auf dem Land!

    Aus dem Nichts.

    Völlig unverdächtige Bekannte.

    Einfach so.

    Es sitzt wohl sehr tief!

    Einige Monate her, aber sicher nicht verarbeitet und daher erstmal aus den Kommentaren aussteigend.
    lG Ente

    • Hallo ente,
      derartige Erfahrungen, die ich leider öfters erlebt habe, sind in der Tat ernüchternd, doch sind sie ein Resultat der antisemitischen Grundeinstellung vieler Deutsche.
      Aufklärung, wie ich sie in der Schule erlebt habe, nützt hier leider gar nichts. Ich befürchte, auch eine bessere Aufklärung würde nicht helfen.
      Und ja, es waren vermeintlich gebildete Menschen, die sich antisemitisch geäußert haben aller politischen Richtungen … 🙁
      Obwohl, Alternative und Tierrechtler haben sich, meiner Erfahrung nach, hier sehr hervorgetan…

      Wünsche Dir alles Gute!
      Kyniker

  4. Wie sieht es denn mit Redewendungen zu DEUTSCHEN aus, um nah am obigen Thema zu bleiben?

    Folgende konnte ich auftreiben:

    Ein Deutscher mag ein guter Mensch sein. Aber es ist besser, ihn zu hängen. (Russisch)

    Gott schuf den Menschen, der Teufel den Deutschen. (Polnisch)

    Wenn du zu einem Deutschen sprichst, tu es mit einem Stein in der Tasche. (Polnisch)

    Der Deutsche will mich sprechen. (Ungarisch; so entschuldigt man sich vor dem Gang auf den Abort)

    Gott bewahre uns vor der deutschen Gesundheit und der französischen Krankheit! (Englisch)

    Die Deutschen sind methodisch, eingebildet, zutiefst sentimental und nicht gerade feinfühlig. Am wohlsten fühlen sie sich, wenn sie im Chor singen, salutieren und Befehle ausführen. Das Ausführen von Befehlen ist ihre allesbeherrschende Leidenschaft.
    (Herbert G. Wells, 1939)

    Die Deutschen sind Barbaren, und die Besten unter ihnen wissen es.
    (Charles Maurras, 1937)

    Geborene Künstler ohne Geschmack; Techniker, die im Feudalzeitalter steckengeblieben sind; (…) Unterdrücker, die geliebt werden wollen; Eigenbrötler, die aufs Wort gehorchen; Ritter der blauen Blume, die ihr Bier erbrechen.
    (Charles de Gaulle, 1934)

    Die Deutschen mit ihren düsteren Augen, die alle kleinen Dinge mit dem Vergrößerungsglas betrachten und mit dem Verkleinerungsglas alle großen.
    (Jean Giraudoux, 1922)

    Der Deutsche ist der stärkste, wildeste Feind, den die Menschheit jemals hatte. Man hat aus ihm einen Vernichtungsautomaten gemacht. Seine Armeen sind die Legionen des Teufels. Mensch ist er nur, um zu zerstören und zu töten – beides mit wissenschaftlicher Akribie. Seine Methode ist die Perfektion in allen Disziplinen. Humanität und Menschenrecht (…) gelten ihm nichts. Seine Todsünden werden von den Pfarrern nicht getadelt, sondern gesegnet. Statt seine Verbrechen wiedergutzumachen, tun die Gelehrten alles, um sie noch zu vermehren. Die Meister dieser Rasse zügeln die Bestie nicht, sondern lassen sie wüten. Sie preisen die Freveltaten, statt sie zu verhindern, und wo es Richter gibt, verurteilen sie nicht die Verbrecher, sondern rechtfertigen sie. Ihre Moral gilt nur für sie selbst; für den Rest der Menschheit zählt nur eins – Gewalt.
    (Andre Suares, 1915)

    Deutsch ist die Sprache, in der ich am liebtsen schweige. (Jules Renard 1897)

    Der Krieg hat ihren schlechten und gemeinen Charakter ans Licht gebracht, den sie bisher unter einer Schale der Zivilisation verborgen hielten. Das deutsche Tier ist im tiefsten Grund brutal, hart, despotisch, barbarisch.
    (Hippolyte Taine, 1870)


    Gewiss doch, gewiss doch, ganz und gar nicht schmeichelhaft, was das Ausland da über die Deutschen sagt. Jedoch noch wesentlich bedenklicher muss doch stimmen, dass hier über Eindrücke von, und Erfahrungen mit Deutschen geredewendet wurde, die andere Völker mit Deutschen lange vor Bekanntwerden des Holocaust machten!

    War womöglich die Hitlerei doch nicht die einzige Ausnahme in der Geschichte, in der die Deutschen so völlig ‚außer sich‘ gerieten?

    Irgendetwas scheint schon dran zu sein, wenn es soviele, aus so vielen verschiedenen Ländern in ihre Redewendungen (und Bonmots) packten…

  5. Ich kann mich noch erinnern, wie meine Mutter zu uns Kindern die Worte „Bei euch gehts zu wie in einer Judenschule“ gebraucht hat, wenn wir ihrer Meinung nach zu laut oder zu lebhaft waren. Dabei war sie – aus einfachen, katholischen Verhältnissen kommend – keineswegs eine ausgeprägte Antisemitin. Diese Form des Antisemitismus war quasi eher „normal“ und ihre Bemerkung zeigt mir im Nachblick, wie sehr solche „Sprüche“ im damaligen Sprachgebrauch verankert waren. Als Kind konnte ich mir übrigens unter diesem Spruch nichts konkretes vorstellen, außer vielleicht ein großes „Durcheinander“ in einer Schule.

  6. Erfreulich, dass mit dem Zitat des bayerischen Kronprinzen Rupprecht („Haust Du meinen Juden, hau‘ ich deinen Juden“) wieder einmal daran erinnert wurde, dass dieser allerhöchste Würdenträger der Wittelsbacher ein ganz besonders übler Tropf war.

    Bedauerlicherweise hält es Wikipedia bis heute nicht für nötig die Wahrheit über diesen langjährigen Thronprätendenten der Bayern und fürchterlichen Rassisten preis zu geben. Kaum ein Volk dieser Welt, das Rupprecht in seinen Reiseerinnerungen nicht schlecht geredet hätte. Jahre lang hatte Rupprecht mit Hitler zusammengearbeitet, und, gleichsam der histor. Wahrheit zum Trotz, verharmlost ihn Wikipedia als einen „Gegner des Nationalsozialismus“ (!).

    Erfreulich, dass haGalil solche Hemmungen, die Wahrheit zu sagen, nicht kennt, und mindestens dreimal über den Misogyn, Schwulenhasser, Nazikollaborateur, Antisemiten und Fremdenfeind Rupprecht berichtet hat:

    http://test.hagalil.com/2012/11/04/rupprecht-von-bayern/
    http://test.hagalil.com/2013/10/30/rupprecht/
    http://test.hagalil.com/2012/02/29/saloniki-4/

    Zum Vergleich der (armselige) Wiki-Eintrag:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Rupprecht_von_Bayern

  7. ! ! !

    Wissenschaftlicher Name
    Auricularia auricula-judae

    ! ! !

    Im Handel sind Judasohren meist getrocknet erhältlich und werden in großen Mengen vor allem aus Vietnam importiert. Sie sind reich an Eisen, Kalium und Magnesium und enthalten Phosphor, Silicium und Vitamin B1.

    Der Apostel Judas soll sich der Legende zufolge nach der Verurteilung Jesu an einem Holunderbaum erhängt haben. Da Judasohren besonders häufig an diesem Substrat wachsen und durch sein ohrförmiges Aussehen erhielt der Pilz diesen deutschen Namen.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Judasohr

    Anmerkung: nicht allein „diesen deutschen Namen“. In vielen europäischen Sprachen hat sich das Wort, natürlich entsprechend der Sprache, eingebürgert.

    Und wie schmeckt ein Menschen- resp. Judasohr? Einfach lecker. Gut in herzhaften Saußen zu Teigwaren etc. Ganzjährig, d.h. auch im Winter, zu ernten.

    • Ergänzung: Judasohren machen sich beispielsweise auch gut in Zigeunersauce zusammen mit den darin obligatorischen Champignons. Ausprobieren!

    • Und im südwest-deutschen Raum gibt es die beliebten ‚Nonnenpfürzchen‘:

      Milch und Butter aufkochen. Mehl, 1 EL Zucker, Salz und Vanillinzucker mischen und unter Rühren auf einmal in den Topf geben. Weiterrühren, bis sich ein Teigkloß bildet und diesen unter Rühren ca. 1 Minute „abbrennen“. Teig in eine Schüssel umfüllen und Eier einzeln gründlich unterschlagen, bis der Teig glänzt und schwer reißend vom Löffel fällt. Ãœbrigen Zucker mit Zimt mischen.

      Frittieröl in einem Topf erhitzen, bis an einem hinein gehaltenen Holzlöffelstiel Blasen aufsteigen. Mit 2 Esslöffeln Portionen vom Teig abstechen und in das heiße Fett gleiten lassen. Unter mehrmaligem Wenden 3-4 Minuten goldgelb frittieren, dabei kleine Teigstückchen, die sich ablösen entfernen, damit sie nicht verbrennen. Nonnenpfürzchen aus dem Fett heben, kurz auf Küchenpapier abtropfen lassen und sofort im Zimtzucker wenden. Warm oder abgekühlt servieren.

      • Da fehlt was:

        „Zutaten für 20 Stücke

        125 ml Milch, 1,5%
        30 g Butter, weich
        100 g Weizenmehl, Type 405
        65 g Zucker
        1 Prise Salz
        1 Päckchen Vanillin-Zucker
        2 – 3 Eier
        1 TL Zimt, gemahlen
        2 l Frittieröl
        Küchenpapier“

        Aber – sind mit Flatulenz geplagte Nonnen denn jüdisch, oder wie ist hier der Bezug? Ablenkung vom Thema?

        Nachher kommt hier noch wer mit Kaltem Hund, Katzenzungen, Mäusehirnen etc. – die Palette skurriler Bezeichnungen für Nahrungs- und Genussmittel ist groß und wird täglich größer Dank fleißiger Werbe-Texter.

        Es geht hier aber um sichtlich diskriminierende Redewendungen, deren sorgloser Gebrauch Hemmungen anscheinend derart absinken lässt – es schließt sich jedenfalls zwanglos an – dass Botaniker*)
        nichts dabei fanden, einem weltweit verbreiteten Baumpilz einen wohl oder übel von allen Menschen zu akzeptierenden, eindeutig jüdische Menschen diskriminierenden wissenschaftlichen Namen, so wie, nicht diskriminierend etwa homo sapiens**) für uns zu verpassen. Das ist schlicht skandalös. Aber solange sich niemand dagegen wendet – natürlich muss das die Zunft der BotanikerInnen tun – bleibt es dabei. Für alle Ewigkeit…

        *) diese, sie lebten vor ca. zwei Jahrhunderten, seitdem gilt der unsägliche Name:
        http://de.wikipedia.org/wiki/Elias_Magnus_Fries und
        http://de.wikipedia.org/wiki/Jean_Baptiste_Fran%C3%A7ois_Bulliard
        http://de.wikipedia.org/wiki/Lucien_Qu%C3%A9let

        **) worüber man lachen oder weinen darf, besonders bei so einem Beispiel: q.e.d. („was zu beweisen war“)

      • Das Thema des obigen Artikels waren deutsche Redewendungen, die blinder Hass hervorgebracht hatte, ein Hass der Millionen Menschen auf grausame Weise das Leben kostete. Der Artikel endet mit Belegen dafür, dass auch heute (2014) noch dieser Hass nicht überwunden ist, dass er weiterwirkt und dass er das zwischenmenschliche Klima in Deutschland vergiftet.

        Nichts aber auch wirklich gar nichts in diesem Artikel war dazu angetan, Fröhlichkeit oder Spaß zu erzeugen. Dennoch haben drei Deutsche die unerhörte Geschmacklosigkeit besessen, das Thema ins Lächerliche zu ziehen und untereinander auch noch Kochrezepte auszutauschen.

        Für mich ist ein derartiges Verhalten unbegreiflich und ich stehe fassungslos davor.

        Die einzigen möglichen Erklärungen wären:

        Die Deutschen sind methodisch, eingebildet, zutiefst sentimental und nicht gerade feinfühlig… (Herbert G. Wells, 1939)

        Bzw.:

        Die Deutschen sind Barbaren, und die Besten unter ihnen wissen es. (Charles Maurras, 1937)

      • „deutsche Redewendungen, die blinder Hass hervorgebracht hatte“

        Quatsch. Sowas entsteht, wenn das Gegenüber sich überraschend anders verhält, als man es von ihm erwartet hat. Man kommentiert abwertend, wenn und dann weil das eigene Wertesystem keine Abweichung zulässt und handelt deshalb intolerant, zu Deutsch „kloppt Sprüche“, oder anders: erfindet eine diskriminierende Aussage, um die Situation verarbeiten zu können. Was dann u.U. von der Umgebung aufgenommen und verbreitet wird.

        Das Negative dabei ist, dass es stereotyp angewendet wird auf alle Angehörige einer Gruppe, dass es nicht auf den Einzelfall beschränkt bleibt – bekanntlich ein Standbein des Faschismus. Mit Hass hat das wenig bis nichts zu tun, sondern mit menschlicher Unzulänglichkeit, was freilich keine Entschuldigung bedeutet.

        Bruno Kirschner, der Autor des Lexikonartikels, bringt es auf den Punkt:

        „… Bot im Mittelalter, in dem wohl die meisten der lebenden Sprichwörter entstanden sind, das abgesonderte Leben der Juden an sich vielfachen Anreiz zu Spott und Kritik, … “

        Er spricht von „Spott und Kritik“, nicht von Hass.

      • Nicht alle oben genannten Zitate, sind tatsächlich ‚Redewendungen‘ und nicht alle haben den intendierten negativen Impetus, wie vom Autor behauptet.

        Wenn zum Beispiel Lessing in seinem Stück ‚Der Jude wird verbrannt‘ drei mal wiederhlt, dann ist das ein dramaturgischer Kunstgriff, aber noch lange keine deutsche Redensart.

        ‚Mein Jude, Dein Jude..‘ bei Hebel ist auch keine deutsche Redensart.

        Wenn man ‚Juden und Judengenossen‘ für Juden und Linke, in ihrem im 19 Jahrundert aufkeimenden Bestreben nach Emanzipation bezeichnet, dann ist das fraglos abfällig – augenfällig dabei – auch christliche Deutsche werden ja gleichermaßen verunglimpft, nämlich dann, wenn sie bestrebt sind die politischen Verhältnisse zu mehr Rechten und zu mehr sozialer Gerchtigkeit zu reformieren.

        Ich frag mich auch, wer heute noch Linke gerne als ‚Judenschutztruppe‘ bezeichnet – na ja – vielleicht die Antideutschen – aber ansonsten ist man ja auch in Israel und hier heute eher bestrebt Linke als Antisemiten zu diffamieren. Ich persönlich habe jedenfalls in meinem Leben noch nie von irgendwem was von ‚Judenschutztruppe‘ oder ‚Judenschul‘ gehört – letzteres ist vielleicht was bayrisches. Regionale Unterschiede werden dann auf ganz Deutschland und alle Zeiten hochgerechnet – nicht unbedingt fair.

        Das macht schon deutlich, wie fragwürdig es eben auch ist, in einer solch verdichteten Sammlung immer recht diffamierend über ‚die Deutschen‘ herzuziehen, was nicht weniger unsachlich ist, als Klischees über ‚die Juden‘ zu verbreiten.

        Zahlreiche Begriffe und Texte wie oben angeführt, sind überhaupt nicht zwangsläufig negativ besetzt, machen aber recht deutlich, dass vor dem 2. Weltkrieg Juden Deutsche und hier zu Hause waren und dass das jüdische Leben in Deutschland tatsächlich ausgelöscht wurde – und wir eben nach dem 2. Weltkrieg eine ganz andere Situation hatten, da mit dem Massenmord und der Verdrängung der Juden aus Deutschland – das jahrhunderte lange mitteinander – und/oder – Nebeneinander, zerstört war.

        Was soll an Judenkirsche, Judenpappel oder Judenweihrauch negativ sein?

        Auch das volkstümliche Lied, beschreibt, dass ein Jude am Ertrinken war und jemand dazu kam und ihn rettete.

        Was daran soll negativ sein? Negativ wäre es, wenn da stünde, dass man sich drüber gefreut und tatenlos zugeschaut hätte – aber da steht doch, dass man den Juden aus dem Wasser gerettet hat.

        Die heute etwas derbe und urtümlich anmutende Diktion war allgebräuchlich in älteren Zeiten und entspricht so auch dem Sprachgebrauch von Christen untereinander und zahlreicher Volkslieder, die nichts mit Juden zu tun haben.

        Insofern betrachte ich diese Sammlung als sehr tendeziös und aufgebauscht.

        Wir brauchen uns nicht darüber streiten, dass vor 70 Jahren ein schlimmer Massmord stattfand und auch nicht darüber, dass Juden über Jahrhunderte in Europa diskriminiert wurden – aber ich finde diese Sammlung wenig schlüssig und da frage ich mich, was das Motiv dahinter ist? Letztendlich ist das eine anti-deutsche Sammlung, die offenkundig durch eine ziemlich negative Brille, einfach alles diffamiert, was aus christlich-deutschem Munde zu jüdisch-deutschen Bürgern gesagt wurde.

        Insofern finde ich es schon legitim darauf aufmerksam zu machen, dass man in dieser Sammlung so manches in die rechte Relation rücken müsste – und da kommt der Begriff ‚Nonnenpfürchen‘ für ein schmackhaftes Gebäck durchaus gelegen.

      • @efem
        Die Deutschen sind in einem unseligen Wahne befangen. Sie meinen immer noch, es käme darauf an, Recht zu haben, zu zeigen, dass man es hat. (Ludwig Börne)

        @Jane
        Die deutsche Sprache ist die tiefste, die deutsche Rede die seichteste. (Karl Kraus)

      • @ zeitgenosse

        Vor Zitieren von Aussagen tut mensch gut daran, sich schlau zu machen über die Original-Quelle. Das heißt, hier ist der Zusammenhang des verkürzten Zitats, das sich auf ein bestimmtes, konkretes Ereignis bezieht, bei dem es um das darin „Recht behalten“ geht, zu beachten:

        „Von einem jüdischen Komitee und dessen Schreibereien erwarte ich nichts. Es sind eben Deutsche, wie die andern auch. Sie sind in einem unseligen Wahne befangen. Ihre Ehrlichkeit richtet sie zugrunde. Sie meinen immer noch, es käme darauf an, recht zu haben, zu zeigen, daß man es hat. Jetzt sprechen sie für die Freiheit wie ein Advokat für einen Besitz. Als käme es hier noch auf Gründe an; als wäre seit einem halben Jahrhunderte nicht alles ausgeschöpft worden, was man für Freiheit, für Menschenrechte, für Bürgerrechte der Juden sagen kann.“ (Ludwig Börne, geschrieben 1831 mit 45 – es blieben ihm nur noch sechs Jahre! – in „Briefe aus Paris“, einunddreißigster Brief, Dienstag, 1. Februar, Mitte des zweiten Abschnitts.)

        Denn ich möchte wohl gern mal die oder den auf der Erde sehen, die/der nicht meint, Recht zu haben, so sie/er es denn meint 🙂 (Scharen von Abvokaten leben davon, weltweit). So einfältig, um diese nur allzu menschliche, letztlich lebenserhaltende Eigenschaft (man denke nur an das Lied: „Die Gedanken sind frei“), nicht zu wissen, ist der überaus kluge Ludwig Börne ja nun wohl doch nicht gewesen.

        Um aber nochmal auf mein obiges Statement zurückzukommen: Sehr viel spielt mit darin, dass negative oder auch positive Setzungen, d.h. Zuschreibungen, ihren Eingang finden in den allgemeinen Sprachgebrauch: Unbedachtsamkeit, Ãœberlieferung (Tradition), Unsicherheit, Lobhudelei, Dummheit… aber Hass? Mag schon sein, jedoch eher gegenüber wirklich Mächtigen, vor denen man sich real fürchtet.

        Mir fällt da immer das ein, was mal ein Gelbfüßler, sorry, ein Badener mir in vollem Ernst sagte: „De Franzose san al´ unsre Feinde“. „Der Erbfeind“ war so ein Ausdruck des Hasses. Was der frankophile Goethe (im Faust, Auerbachs Keller) persifliert mit dem Satz: „Ein echter deutscher Mann mag keinen Franzen leiden, doch ihre Weine trinkt er gern.“

      • @ Jane

        Bevor du sowas, halbwahr nur, nämlich im Anfang, vom Stapel lässt:

        „Wenn zum Beispiel Lessing in seinem Stück ‘Der Jude wird verbrannt’ drei mal wiederhlt, dann ist das ein dramaturgischer Kunstgriff, aber noch lange keine deutsche Redensart.“

        machst du dich das nächste Mal besser in den vielen Links unter dem Artikel schlau. Denn da belegt Robert Schlickewitz (zweite URL) an Hand vieler Beispiele eineindeutig, dass es Gang und Gäbe war, vom Juden- (oder auch Judas-, letztlich synonym für Jude, daher mein Beispiel mit der Pilzbenennung) Verbrennen zu reden und es wenn auch nur selten real, so doch realistisch symbolisch ausgeführt über Jahrhunderte durchzuführen.

        In was es gipfelte, wissen wir:

        “ … der Tod ist ein Meister aus Deutschland
        er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft
        dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng“.

      • Hallo zeitgenosse,
        antisemitische Momente und Äußerungen wurden in DE schon immer schön geredet, schließlich sind die Deutschen nach 1945 keine Antisemiten mehr…

        Dass viele mit dem Begriff „antisemitische Momente“ nichts anfangen können, liegt an deren Meinung (defizitäres Wissen) darüber.

        Klar, wer möchte gerne überführt werden, dass er/sie antisemitische Momente im Denken hat …

        Bezüglich Kochrezepte: könnte noch ein Fliegenpilze-Ragout anbieten.

        Ein einmaliger Genuß … Mir scheint, hier haben Leute den sprichwörtlichen Schuß nicht gehört 🙁

        Kyniker

      • Hallo efem,

        „Vor Zitieren von Aussagen tut mensch gut daran, sich schlau zu machen über die Original-Quelle.“

        Korrekt, nur haben sich jene Zitate als antisemitische Momente im (deutschen) Denken verselbständigt.

        Ich schreibe hier bewußt von antisemitischen Momenten.

        Kyniker

      • Hallo efem:
        „Denn ich möchte wohl gern mal die oder den auf der Erde sehen, die/der nicht meint, Recht zu haben, so sie/er es denn meint :-)“

        Netter Nebenkriegsschauplatz, hat aber mit den Artikel wohl nicht so viel zu tun – oder? SCNR

        Kyniker

      • Efem…
        … der Tod ist ein Meister aus Deutschland
        er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft
        dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng”.
        ______________________________________________________________

        Na ja … Celan.

      • „antisemitische Momente und Äußerungen wurden in DE schon immer schön geredet, schließlich sind die Deutschen nach 1945 keine Antisemiten mehr“ (danke, Kyniker, trefflich formuliert)

        Wer genau hinschaut, ist klar im Vorteil. Der obige Beitrag endet doch mit zahlreichen Links, die den handfesten Antisemitismus (basierend auf massivem Judenhass, auf was denn sonst?) der letzten zehn Jahre detailliert wiedergeben.

        Und wie antisemitisch die Deutschen von heute sind! Sie merken es oft gar nicht, schieben lieber alles Ãœble auf die „Faschisten“ und den „Ersatzteufel“ und „synthetischen Beelzebub“ Hitler (gemäß einem Zitat von Erwin Chargaff).

        Oben wurde von lieben Mitmenschen bezweifelt, dass es sich um deutschen Hass handelte, der seit dem Mittelalter Millionen Juden das Leben gekostet hat; man wollte hier lieber „Spott und Kritik“ als Hass in den deutschen Wendungen erkennen und berief sich dabei auf Bruno Kirschner, den Autor des Lexikonartikels.

        Man bedachte jedoch dabei nicht, dass das Klima für Juden in Deutschland bereits in der zweiten Hälfte der 1920er derart vergiftet war, dass nicht nur polemische Attacken in den Medien, sondern gewalttätige Ãœbergriffe auf Juden sich gefährlich häuften. U.a. wurde doch Lion Feuchtwanger bereits um 1925 mit Steinwürfen aus seiner Heimatstadt München vertrieben, andere Juden wurden bedroht, niedergeschlagen, bespuckt, überfallen etc. Es gibt in der jüdischen Presse und Literatur der Endzwanziger zahlreiche Hinweise darauf, dass Juden sich in ihren Publikationen in Deutschland bewusst vorsichtig ausdrückten und mit dem Vorsatz „wir dürfen die Deutschen unter keinen Umständen reizen, spielen wir die antisemitischen Vorfälle lieber herunter“ veröffentlichten.

        Kirschner war ein bekannter Mann und er hätte mit der Wiedergabe der ungeschminkten Wahrheit in diesem und anderen Lexikoneinträgen völkisch-antisemitischen Kreisen neue Nahrung für ihren Hass geliefert, daher mässigte er seine Ausdrucksweise.

        Dass Hass hinter den Redewendungen steckt, wird auch jedem bewusst, der sich nur ein klein wenig mit der jüdischen Geschichte in Deutschland von vor der Shoa befasst hat. Im Mittelalter wurden Juden gemeuchelt, verbrannt, vertrieben, beraubt, vergewaltigt, weil sie Juden waren. In den Jahrhunderten danach durften Juden in gewissen Teilen Deutschlands überhaupt nicht leben, weil sie Juden waren. Als Juden im 19. Jh. ihre Emanzipationsbewegung starteten, begenete ihnen ein Hass, der von der Kirche, von Bürgern, von Eliten, von Studenten, von nahezu allen gesellschaftlichen Gruppen und Schichten gemeinsam getragen wurde. Nahezu von Niemanden erhielten Juden in diesem Kampf um die gleichen Rechte Unterstützung.
        Das christliche Deutschland war schon immer ein Land, in dem Unterordnung und Anpassung des Einzelnen in nahezu allen Lebensbereichen nicht nur von den Eliten gefordert wurden, sondern auch vom Bürger als einzig gangbarer Weg angesehen wurden. In China und Indien gab es übrigens diese seltsamen Zwänge zum Konformismus nicht, diese Länder waren nahezu frei von Hass auf Menschen, die Juden waren bzw. weil sie Juden waren.

        Noch ein Blick auf die deutsche Literatur. Wer z.B. Arthur Dinter gelesen hat, wird festgestellt haben, dass ihm der Judenhass eines Adolf Hitler oder eines Hans Zöberlein bereits in einem Roman Dinters aus dem Jahre 1917 begegnet, mit allen abscheulichen Elementen der Diffamierung, die wir eigentlich aus der NS-Zeit gewohnt sind. Und Dinter war nicht der einzige, der den Zöberlein- oder Streicherstil pflegte. Diese Autoren hätten nicht existieren können, wenn es nicht Leser gegeben hätte, die ihre Bücher lasen. Leser, die in ihrem Hass auf Juden einig waren.

        Also nochmals in Güte,
        es war eindeutig Hass, der Deutsche die oben aufgezählten Redensarten prägen und gebrauchen ließ. Nicht „Spott“ oder simple Ablehnung.
        Nur Hass, der sich über lange Zeit aufbauen, Hass, der einen Jahrhunderte währenden Anlauf nehmen konnte, war in der Lage schließlich zu Auschwitz zu führen.
        Leider jedoch endete der Hass dort nicht, sondern er wirkt nach wie vor, wenn auch abgeschwächt, fort (siehe die Links am Ende des obigen Beitrags).
        Jedwede andere Erklärung wäre als amateurhaft zu verwerfen.

      • @ kyniker

        Ragout… beziehst du dich etwa auf eins hierdraus:

        http://www.calvin.edu/academic/cas/gpa/images/giftpilz/scan1.jpg

        Das ließ ich bewusst aus beim Anprangern der botanischen Zunft, denn damit hat sie ja nun kaum*) zu tun.

        *) obwohl… konstruieren ließe es sich eventuell, wenn denn schon ein unsäglicher wissenschaftlicher Name Jahrhunderte überdauert und damit ein Analogieschluss nicht absolut nwahrscheinlich ist

        Jedenfalls ist mir der Versandhandel „amazon“ suspekt, denn er findet nie etwas dabei, das Pamphlet aus dem Hause des
        gehängten Kriegsverbrechers Julius Streicher, dessen Vorderseite das angegebene Bild „ziert“, anbieten zu lassen über sich durch
        Vertragspartner, derzeit auffindbar unter den Stichworten „der giftpilz hiemer“.

      • Hallo Zeitgenosse,

        wie es aussieht, habe ich es nicht so mit der Formulierung von Ironie 😉

        Ich stimme mit Ihnen hundertprozentig überein; besten Dank für Ihren Beitrag.

        Antijudaismus und Antisemitismus sind so alt wie das Christentum, wobei sich der eliminatorische Aspekt aus den anfänglichen theologischen Disput heraus entwickelt und seit (grob) Maar sich von den religiösen Wurzeln gelöst hat (vereinfacht dargestellt).

        Der Begriff Antisemitische Momente habe ich eher euphemistisch gebraucht, da es mich auch nicht wundern würde, wenn einige, die diese Sprüche heute verwenden, sich der Wurzeln jener nicht bewußt sind. Sicher sind andere Redewendungen hierfür besser geeignet, z.B. „mauscheln“.

        „Und wie antisemitisch die Deutschen von heute sind! Sie merken es oft gar nicht, schieben lieber alles Ãœble auf die “Faschisten” und den “Ersatzteufel” und “synthetischen Beelzebub” Hitler (gemäß einem Zitat von Erwin Chargaff).“

        In der Tat, dieses ist die typische deutsche Verdrängung; danach sind schließlich die Deutschen die ersten Opfer von Hitler und den Nazis …

        Eindrucksvoll wird dieses durch die Goldhagen Debatte seiner Zeit gezeigt.

        Kyniker

      • Hallo efem,
        „Ragout… beziehst du dich etwa auf eins hierdraus:“

        Daran habe ich auch gedacht, ja.

        Wie Du bereits schriebst, gibt es die sonderbarsten Bezeichnungen für Speisen. Die antisemitische, rassistische Prägung ist vielen nicht bewußt.

        Zu „amazone“: solange dir Bücher auf keinen Index stehen, kann man derartige „Werke“ als Partner über amazone verkaufen. Solange es ums Geld geht und sie nicht verboten sind…

        Kyniker

      • Hallo zeitgenosse,

        kleiner Nachtrag: Pogrome an Juden gab es bereits bei den Römern, die jedoch politisch motiviert waren, um einen potentiellen Gegner zu bekämpfen. Schließlich stellten die Juden sich durch die Religion gegen das Gott-Kaisertum.

        Letztlich fehlt hier aber ein wesentlicher Punkt: der eliminatorische Aspekt. Maximal Verachtung hatten die Römer für die Juden übrig, wobei die Römer einige Völker verachtet haben (alles grob Dargestellt).

        „In China und Indien gab es übrigens diese seltsamen Zwänge zum Konformismus nicht, diese Länder waren nahezu frei von Hass auf Menschen, die Juden waren bzw. weil sie Juden waren.“

        Richtig, denn die Mär, an den Antisemitismus sind die Juden selber Schuld bzw. muß wegen den Juden etwas dran sein, ist eben nur ein antisemitisches Vorurteil.
        Für sie waren Juden „Exoten“ oder „Barbaren“ (China) unter vielen anderen Völkern, wie Portugiesen oder Engländer.

        Kyniker

      • Hallo Kyniker,
        korrekt, der eliminatorische fehlte den Römern, Juden waren ihnen zu unbedeutend. Erst mit der Ankunft ‚unseres‘ geliebten Christentums und dem gehäuften Auftreten der Teutschen sollte sich das ändern.

        Kyniker, haben Sie das gelesen, was jüngst in dem Report des Außenministeriums stand? Nicht die USA, sondern Indien wird da als bester Freund Israels apostrophiert! Bis 1992 war offiziell noch Funkstille zwischen beiden Ländern (tatsächlich jedoch gab es Kontakte auf sehr vielen Ebenen!); man hielt es nach außen lieber mit den Arabern, auf indischer Seite, weil man die Muslime im eigenen Land nicht vor den Kopf stoßen wollte. Dann, dank islamistischem Terror, kam die Wende.

        Oben erwähne ich Erwin Chargaff. Ein interessanter Mann, lohnt sich, sich mit ihm zu befassen.

        Leben Sie zufälligerweise auch in Haifa? Hätte ja sein können…

      • Hallo zeitgenosse,

        herzlichen Dank für die Infos und Entschuldigung für meine später Rückmeldung.

        Ich lebe nicht in Haifa, sondern als Deutscher gemäß Pass in der Schweiz. Auf Grund des Familienstammbaus und dem Studium habe ich sehr starke Bindungen zu Israel.

        Mit Erwin Chargaff muß ich mich noch intensiver beschäftigen.

        Es hätte aber in der Tat fast die Möglichkeit gegeben, dass ich in Israel leben würde 🙂

        Gruß
        Kyniker

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