Filme engagierter Dokumentarfilmer aus Bayern jetzt online

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Die kostenlose Mediathek der MEDIENWERKSTATT bietet eine Auswahl von 80 Produktionen aus drei Jahrzehnten…

Seit über 30 Jahren macht die MEDIENWERKSTATT Franken erst als unabhängige Videogruppe, dann als Spartenanbieter im Regionalfernsehen unbequeme Dokumentarfilme; gerade in den ersten Dekaden oft zu Themen, die in der öffentlich-rechtlichen Berichterstattung kaum vorkamen – wie etwa der Protest gegen die atomare Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf oder über Zwangsarbeit bei der Firma Diehl in der NS-Zeit. Solche und andere „Perlen“ des Schaffens der in der MEDIENWERKSTATT organisierten Journalisten können ab sofort in einer Online-Mediathek abgerufen werden – ein buntes Kaleidoskop von rund 80 Produktionen aus den letzten 30 Jahren ist bereits eingestellt.

Dort findet sich beispielsweise der Film „Gott mit dir, du Land der Bayern“, aus den Anfängen der MEDIENWERKSTATT, eine Reportage über die Nürnberger Massenverhaftungen 1981, bei denen mit kopierten Haftbefehlen 141 Jugendliche nach einer Demonstration gegen Häuserspekulanten inhaftiert wurden. Die Aktion war von langer Hand geplant: Schon Tage zuvor waren Plätze in verschiedenen bayerischen Haftanstalten freigemacht worden. Der von der damaligen CSU-Regierung unter Franz Josef Strauß initiierte Rechtsbruch endete in einem Desaster für die Strafverfolgungsbehörden. Der Prozess platzte aufgrund von manipulierten Beweismitteln – keiner der Inhaftierten wurde verurteilt.

Interview mit empörten Bürgern vor dem Zaun zur geplanten Wiederaufarbeitunganlage Wackersdorf
Aus den Anfängen der MEDIENWERKSTATT: Interview mit empörten Bürgern vor dem Zaun zur geplanten Wiederaufarbeitunganlage Wackersdorf. Foto: © MWF

Weitere viel beachtete Filme folgten, wie etwa „Noch leb’ ich ja“ aus dem Jahr 1986, eine der ersten TV-Dokumentationen, die sich ans Tabuthema Aids wagte und die schließlich in vielen Dritten Programmen der ARD gezeigt wurde. Die Reportage „Wir waren die Sklaven von Diehl“, die 1997 aufdeckte, wie sich die Firma Diehl zur NS-Zeit der Arbeitskraft tausender Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge bedient hat, die aber dennoch nicht verhindern konnte, dass Karl Diehl die Ehrenbürgerwürde der Stadt Nürnberg verliehen wurde. Dies sorgte bundesweit für Aufsehen und heftige Diskussionen.

Das TV-Feature „Nakam“ – die Rächer“, in dem Überlebende der Shoa erstmals gegenüber einem deutschen Fernsehteam über ihre geplanten und durchgeführten Racheaktionen an der deutschen Bevölkerung sprachen, führte zur Ermittlungstätigkeit gegen die Zeitzeugen sowie Einschüchterungsversuche gegen die Autoren vonseiten der Nürnberger Staatsanwaltschaft. Die bayerische Justiz plante allen Ernstes ein Verfahren wegen Mordes gegen die ehemaligen „Rächer“ einzuleiten. Weltweit diskutierten Journalisten kritisch die Frage, ob nun Überlebende der Shoa in Nürnberg vor Gericht gestellt werden sollten. Aufgrund der Berichterstattung in deutschen, israelischen, US-amerikanischen, holländischen, englischen oder spanischen Medien stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren jedoch am 8. Mai 2000, dem 55. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus mit der Begründung ein, dass „der gescheiterte Anschlag wegen außergewöhnlicher Umstände des Falles verjährt“ sei.

Mit weiteren Dokumentationen über NS-Verbrechen, aber auch über den jüdischen Neubeginn im Land der Täter sorgten die Produktionen der Medienwerkstatt immer wieder für Aufsehen, wie etwa die Filme

– „Das Zeugenhaus – die Gräfin und die Nazi-Schergen“, in der die hochbetagte Gräfin Ingeborg von Kalnoky über ihre Rolle als Gastgeberin von ehemaligen KZ-Häftlingen, Widerstandskämpfern und NS-Generälen, die vor dem Kriegsverbrecher-Tribunal aussagen sollten, vor laufender Kamera berichtet.

– „Der Schwarze Mittwoch – Polizeikompanie Nürnberg vernichtet Kortelisy“; hier bezeugen die letzten Überlebenden ein von deutschen Polizisten begangenes Massaker an der ukrainischen Zivilbevölkerung, bei dem nahezu 3.000 Männer, Frauen und Kinder ermordet wurden.

– „Der Kibbuz auf dem Streicher-Hof“, eine zionistische Trainingsfarm für Überlebende der Shoa, die sich auf dem Bauernhof von Julius Streicher, dem Herausgeber der antisemitischen Zeitschrift „Der Stürmer“, auf ihr späteres Leben in Israel vorbereiten konnten.

– „Die vergessenen Kinder von Strüth – ein jüdisches Waisenhaus in Franken“. Hier berichten ehemalige Bewohner des Kinderheims, die seit Ende der 1940er Jahre in Israel leben, erstmals über ihren „Wartesaal“ in Franken sowie ihre abenteuerliche Reise nach Erez Israel.

Aber auch kulturelle Beiträge und Porträts, die Künstler aus der Region oder andere lokale Größen näher vorstellen, sind in der Mediathek zu finden. Zudem können alle preisgekrönten Filme der MEDIENWERKSTATT jederzeit, weltweit und unentgeltlich abgerufen werden, wie zum Beispiel der 2007 mit dem Deutschen Regionalfernsehpreis ausgezeichnete Film „Du hast immer ’ne Chance“ über einen unheilbar an Krebs erkrankten Mann. Aber auch „Brückenbauer – Nürnberger Migranten im Einsatz für die Bildung“, der kürzlich mit dem „Medienpreis der Sparda-Bank“ bedacht wurde. Alle diese Beiträge aus rund 30 Jahren dokumentarischen Filmschaffens spiegeln eindrucksvoll nicht nur die Geschichte der Stadt und der Region wider, sondern bieten umfassende geschichtliche Informationen, die auf „oral history“ sowie aktuellen Wahrnehmungen beruhen. Das gesammelte Material ist historisches Archiv und aktuelle Quelle zugleich – wird es doch regelmäßig ergänzt und beständig weiter ausgebaut.

Heute arbeitet die MEDIENWERKSTATT auf höchstem technischen Niveau und produziert auch Multimedia-Realisationen
Heute arbeitet die MEDIENWERKSTATT auf höchstem technischen Niveau und produziert auch Multimedia-Realisationen. Foto: © MWF

Möglich wurde die neue Homepage samt Mediathek dank großzügiger Unterstützung durch die „Zukunftsstiftung der Sparkasse Nürnberg“. – (jgt)

Direkt zur Mediathek:
http://www.medienwerkstatt-franken.de/mediathek/