Rassismus-Wettstreit

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Der Front National und UMP-Vorsitzkandidat Jean-François Copé wetteifern im Rassismus miteinander. Marine Le Pen fordert Verbot von Kopftuch und Kippa, Copé versucht mit Tiraden gegen „antiweißen Rassismus“ zu punkten…

Von Bernard Schmid, Paris

Das hätte sie gerne so, nur leider stimmt es nicht ganz mit der Wirklichkeit überein: Marine Le Pen behauptet, sie sei angeblich „Oppositionsführerin“ in Frankreich. Dies verriet sie, nach mehrwöchiger Abwesenheit von der politischen Bühne während des Hochsommers, am 04. September 12 anlässlich ihres Interviews für den Fernsehsender BFM TV und die Rundfunkstation RMC (Radio Monte Carlo). Am selben Ort präzisierte die Chefin des FN: „Ich bin die Anführerin der Opposition gegen das System.“

Der Radio- und Fernseh-Auftritt Marine Le Pens markierte ihre Rückkehr auf die politische Bühne nach der diesjährigen Sommerpause. Am Wochenende darauf hielt Marine Le Pen sich in „ihrem“ Wahlkreis in Hénin-Beaumont in Nordostfrankreich auf. Dort scheiterte die rechtsextreme Politikerin im Juni 2012 nur knapp, mit 49,89 % der Stimmen, gegen ihren sozialdemokratischen Gegenkandidaten Philippe Kemel im Rennen um den Parlamentssitz. Aus verschiedenen Gründen – Marine Le Pen hat die Wahl bzw. die Entscheidung des Präfekten, eine neue Auszählung des Ergebnisses zu verweigern, angefochten; gleichzeitig laufen aber auch Wahlklagen gegen sie selbst wegen illegitimer Propaganda in Form gefälschter Flugblätter des Linkskandidaten Jean-Luc Mélenchon – erhofft sie sich nun aber eine Gerichtsentscheidung, die die Wahl für ungültig erklärt. Erklärtermaßen sitzt sie für den Fall einer Neuwahl in dem betroffenen Wahlkreis bereits in den Startlöchern.

Rivalität mit der UMP

Nun gibt es freilich noch andere, und zum Teil stärkere Oppositionskräfte. Da wäre die Linksopposition (französische KP, Linkspartei unter Jean-Luc Mélenchon, NPA…). Und da wäre die konservativ-wirtschaftsliberale UMP, Regierungspartei bis im Mai dieses Jahres, die an zwei Kongresstagen am 05. und 12. November 2012 ihren künftigen Vorsitzenden wählen wird. Nach dem Schluss der Kandidatenanmeldung noch im Rennen sind Ex-Premierminister (2007 bis 12) François Fillon, und der derzeitige Generalsekretär der Partei: Jean-François Copé. Es sind die einzigen beiden Kandidaten, die die erforderliche Anzahl an Unterstützungsunterschriften beibringen konnten; Fillon brachte ihrer 45.000 auf, und Copé 31.000. ((Vgl. u.a. http://www.parismatch.com/Actu-Match/Politique/Actu/Cope-Fillon.-Une-bataille-a-couteaux-tires-435182/ ))  In den Umfragen unter Sympathisant/inn/en und Wähler/inn/en der UMP liegt FIllon mit über 60 Prozent gegen Copé klar in Führung. Letzterer tritt jedoch wesentlich aggressiver auf und könnte damit beim gehärteten Kern der Parteiaktiven punkten. Er führt die Politik Nicolas Sarkozys in der letzten Phase (2010-2012), die bei Themen wie „Ausländerpolitik“ offen und ungeschminkt um rechtsextreme Wähler warb, weitgehend bruchlos fort. François Fillon legt in diesen Fragen ein moderateres Profil an den Tag.

Im September dieses Jahres führte Copé zunächst eine Medienkampagne durch, die die Abschaffung der ,Aide médicale d’Etat‘ (AME) zum Gegenstand hatte. Bei dieser handelt es sich um einen besonderen Zweig der Sozialversicherung, der den „illegalisierten“ Einwanderern unter bestimmten Bedingungen – Aufenthaltsdauer in Frankreich seit mindestens drei Monaten, und ein (angegebenes) Einkommen von unter circa 700 Euro monatlich – offensteht. Die AME wurde im Jahr 2000 durch die damalige sozialdemokratische Regierung eingeführt; nicht unbedingt aus purer Menschenfreundlichkeit, sondern unter Gesichtspunkt rationaler staatlicher Gesundheitspolitik. Tatsächlich birgt eine Situation, in welcher Zehn- oder Hunderttausende von Menschen von jeglicher Krankenversicherung ausgeschlossen bleiben, die Gefahr in sich, dass ansteckende doch leicht heilbare Krankheiten sich viel schneller und ungehinderter ausbreiten. Auch die von 2002 bis 2012 regierende bürgerliche Rechte hat deswegen die AME nicht abgeschafft, obwohl sie vor einigen Monaten – im Vorwahlkampf – mit Wirkung zum 1. März 2011 eine Pflicht zur Zuzahlung von 30 Euro (für die jährliche Verlängerung des Zugangsrechts zur AME) einführte. Die derzeitige Regierung aus Sozialdemokraten und Grünen respektive ihre Parlamentsmehrheit schafften diese Zuzahlungspflicht, die eine Reihe von Betroffenen faktisch vom Zugang zur Krankenversicherung abhalten sollte, im Juni 2012 wieder ab. Erstmals fordert Copé nun lauthals nicht nur die Wiedereinführung der Zuzahlungspflicht, für welche sich die konservative Rechte seit dem jüngsten Parlamentsbeschluss quasi unisono einsetzt, sondern lauthals die Abschaffung der AME als solche. – Kurz darauf lancierte Jean-François Copé über den Apparat der UMP eine Unterschriftenaktion gegen das von der „Links“regierung offiziell geplante (aber erst einmal mutig auf später verschobene) Vorhaben der Einführung eines kommunalen Wahlrechts für Ausländer/innen.

In Form von solchen (bürgerlich-)rechten Demagogen hat Marine Le Pen nach wie vor mit harten Konkurrenten zu kämpfen. Deswegen versucht sie auch, diese Rivalen argumentativ aus dem Weg zu räumen. „Wir haben es hier mit Leuten zu tun“, erklärte sie in ihrem Interview zur Rentrée, also zum Auftakt des neuen Polit- und Schuljahres, „die auf den starken Mann/den Mann der Vorsehung (im Original: ,homme providentiel‘) warten. Nur war dieser starke Mann bereits an der Macht, und die Franzosen haben ihm die Kündigung geschickt“, dem früheren Präsidenten Nicolas Sarkozy natürlich. Ginge es nach Marine Le Pen, sollen die Französinnen und Franzosen nunmehr wohl eher auf eine Frau der Vorsehung warten…

Bemühen um Profilierung gegen den neuen EU-Vertrag

Als einen der Dreh- und Angelpunkte ihrer politischen Kampagnen im neuen Schul-, Studien- und Politik-Jahr wählte Marine Le Pen die Kritik am so genannten „Stabilitätspakt“, der am 02. März 2012 durch insgesamt 25 von 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union unterzeichnete wurde. Dieser neue EU-Vertrag sieht unter anderem die so genannten Schuldensperre oder (im Französischen und Italienischen so genannte) „Goldene Regel“ ein, also das Verbot sämtlicher Staatshaushalte, die ein jährliches Defizit aufweisen – was gravierende Folgen für die Souveränität der einzelnen Länder gegenüber nicht demokratisch gewählten Institutionen auf der EU-Ebene einerseits, für u.a. soziale Aufwendungen und Ausgaben der einzelnen Staaten andererseits haben muss. Dagegen gibt es, wie oft bei EU-Themen, nicht nur eine linke, sondern auch eine rechte Opposition – Erstere prangert die sozialen Konsequenzen und wirtschaftspolitischen Implikationen des EU-Instruments an, Letztere dessen supranationalen Charakter und den „nationalen Souveränitätsverlust“ als solchen. Die Linksopposition gegen den Vertrag ging am Sonntag, den 30. September 12 in Paris gegen ihn auf die Straße ; zu der Großdemonstration von der Place de la Nation zur Place d’Italie kamen (laut unseren eigenen Beobachtungen) bei schönstem Wetter mindestens 50.000 bis 60.000 Menschen. Die rechte, nationalistische Opposition gegen den neuen EU-Vertrag blieb ihr fern.

Ihrerseits kündigte Marine Le Pen Anfang September dieses Jahres an: „Wir werden eine groß angelegte Aktion durchführen, um jenen das Wort zu erteilen, die wie immer die vergessenen Franzosen und die unsichtbaren Franzosen sind, die man nie nach ihrer Meinung fragt.“  Am Freitag, den 14. September 12 wurde diese Kampagne am Parteisitz des FN – in Nanterre bei Paris – mittels einer Pressekonferenz gestartet.

Der Front National fordert ein Referendum über die französische Zustimmung oder Nichtzustimmung zum Vertrag (wie, aus inhaltlich anderen Gründen, auf der linken Seite auch die KP derzeit für eine solche Volksabstimmung wirbt). Dazu wurde seitens der extremen Rechten eine Online-Petition im Internet freigeschaltet. Ferner bietet der FN Postkarten an, die, mit der Forderung nach Abhaltung eines Referendums versehen, an Staatspräsident François Hollande gesandt werden sollen. (Auch dies ist in gewisser Weise eine Nachahmung dessen, was die französische KP ihrerseits seit dem Ende der Sommerpause tut; am vergangenen Wochenende des 14. bis 16. September 12 wurden auf ihrem Pressefest ,Fête de l’Humanité‘, das durch die gesamte Linke besucht wird, eifrig Postkarten dazu vertrieben.)

Verbalradikal spricht der Front National dabei von sich selbst als „Speerspitze im Kampf gegen den europäischen Staatsstreich“ – er qualifiziert den Vertrag als Putsch, da den Einzelstaaten ihre Budgethoheit, das Haushaltsrecht weggenommen werde  – und gegen „die Vergewaltigung der Demokratie“. Wie auch anders motivierte Kritiker/innen des neuen EU-Vertrages prangert natürlich auch der FN den Bruch eines Wahlversprechens seitens des jetzigen Präsidenten François Hollande an, denn dieser hatte als damaliger Oppositionspolitik am 01. März d.J. in Lyon eine „Neuverhandlung“ des Vertrags im Falle eines Regierungswechsels in Aussicht gestellt.

Beobachter wie Abel Mestre in Le Monde vermuten allerdings, dass der FN es schwer haben könnte, sich gegenüber der breiteren (und inhaltlich unterschiedlich motivierten) Kampagne von links gegen den Vertrag Gehör zu verschaffen. Jedenfalls über sein eigenes Milieu hinaus. Die Kampagne des FN scheint allerdings stark auch auf die Remobilisierung der eigenen Parteibasis ausgelegt zu sein. Derzeit rekrutiert die rechtsextreme Partei neue Mitglieder und Kader, was das Zeug hält. Unmittelbar vor der großen Parteispaltung im Winter 1998/99 (Jean-Marie Le Pen kontra Bruno Mégret respektive ihre jeweiligen AnhängerInnen) wies der FN 42.000 zahlende Mitglieder auf – offiziell waren es damals 70.000 bis 75.000, doch anlässlich des Streits zwischen den beiden widerstreitenden Fraktionen um den Parteinahmen mussten seinerzeit die Karteien/Listen der Mitglieder für eine gerichtliche Überprüfung offengelegt werden. Beim vorletzten FN-Kongress im November 2007 in Bordeaux, bei dem der alte Jean-Marie Le Pen nochmals auf seine eigene Nachfolge kandidierte und innerparteilich ein totaler Stillstand eingetreten war, hatten unter 10.000 Mitglieder an der innerparteilichen Urabstimmung im Vorfeld teilgenommen. Bei der Urwahl im Herbst/Winter 2010, als es um die Auswahl des oder der neuen Vorsitzenden ging – zwischen Marine Le Pen und Bruno Gollnisch – hatte der FN rund 20.000 Mitglieder. Heute beansprucht er laut offiziellen Angaben wieder 60.000 eingeschriebene Mitglieder. Diese Zahl mag aufgebläht sein, doch entspricht der Zuwachs an Mitglieder und Parteiaktiven im Kern auf jeden Fall einer Realität.

Der FN reagiert auf internationale Vorgänge

Die jüngsten internationalen Spannungen, die durch einen bewusst als Provokation der Moslems konzipierten Film („Die Unschuld der Muslime“) – das Werk in den USA lebender christlicher Extremisten, mit teilweise ägyptisch-koptischem und teilweise evangelikal-nordamerikanischem Hintergrund – ausgelöst wurden, geben Marine Le Pen einmal mehr Anlass zum Propagieren einer neutralistischen Position. Also einer Position, die im Wesentlichen ein Sich-Heraushalten aus den zentralen internationalen Konflikten fordert, da (sinngemäß) französisches Blut zu wertvoll sei, um für fremde Interessen oder internationale Lobbies – welche einen Weltstaat anstreben – geopfert zu werden.

Bezüglich des Films der rechten Christenspinner aus Kalifornien – ein grottenschlechtes Machwerk, in dem der islamische Prophet Mohammed u.a. als Homosexueller gebrandmarkt wird – merkte Marine Le Pen am 13. September 12 an: „Ich sehe nicht den Nutzen, die Gläubigen in ihren Glaubensüberzeugungen zu provozieren. Aber ich bin stärker noch der Freiheit der Meinungsäußerung verpflichtet: Man darf alles sagen.“ Die Hauptstoßrichtung ihrer Argumentation richtete sich dann aber gegen die US-Außenpolitik: Diese habe, indem sie angeblich die Umstürze in arabischen Ländern (sie nannte Tunesien und Libyen) hervorgerufen habe – bei denen es sich zumindest im tunesischen Falle in Wirklichkeit um eine tatsächliche Revolution handelte -, „Fundamentalisten, Salafisten an die Macht gebracht“. Was wiederum Unsinn ist, denn die stärkste der drei tunesischen Regierungspartei zählt zwar zum Spektrum des politischen Islam, keinesfalls aber zu den Salafisten. Der Fehler sei gewesen, so wiederum Marine Le Pen, „dass wir (d.h. Frankreich) den USA folgten“.

Die USA hätten darum die aktuelle Bedrohung verschuldet. Diese selbst wiederum malte Marine Le Pen am Montag früh, 17. September d.J. in einem Radioauftritt in überzogen finsteren Farben aus. Den kleinen Aufmarsch von rund 250 Personen, unter ihnen Salafisten, aber auch Otto-Normal-Moslems, am Samstag Nachmittag (15.09.12) in der Nähe der Pariser US-Botschaft – insgesamt 152 der Teilnehmer an der unangemeldeten Aktion wurden festgenommen – kommentierte Marine Le Pen an jenem Montagen ebenfalls. Und zwar in den Worten: „Morgen könnten es nicht 250 Leute sein, die demonstrieren, sondern vielleicht 100.000!“

Marine Le Pen, heuchlerische „Laizistin“

In den aufgeheizten internationalen Kontext, rund um den Anfang September d.J. bekannt gewordenen Anti-Islam-Hassfilm „The innocence of muslims“, intervenierte die französische linksliberale Wochenzeitung Charlie Hebdo ab dem 19. September 2012. Die ursprünglich einmal linksradikale, vorwiegend antiklerikale Satirezeitung versuchte – zum dritten Mal nach Februar 2006, inmitten des damaligen „Karikaturenstreits“, und November 2011 – mit dem Abdruck von Karikaturen des islamischen Propheten Mohammed zu profilieren. Dies sorgte für erhebliche politische Aufregung, und um offiziell erklärte Besorgnisse um die Sicherheit von Auslandsfranzosen zwischen Tunesien und Afghanistan.te – ((Ausführlicheres dazu siehe unter http://www.trend.infopartisan.net/trd0912/t530912.html ))

Demagogische Unterstützung aus politischem Interesse heraus erfuhr Charlie Hebdo – eine Zeitung mit anarchistisch/antiautoritärer Vergangenheit in den wilden 1970er Jahren – am Freitag, den 21. September 12 von eher unerwarteter Seite. Die rechtsextreme Politikerin und Parteichefin des Front National, erklärte in einem am Nachmittag  des 21. September 12 durch die Pariser Abendzeitung Le Monde publizierten, längeren Interview: „Ich bin keine Anhängerin von Charlie Hebdo.“ Aber sie schwang sich in den darauffolgenden Sätzen zur angeblichen Verteidigerin der Meinungsfreiheit auf, die bedroht sei, „weil wir immer weiter gegenüber den Fundamentalisten nachgeben“. Und sie benutzte die Gelegenheit zu einer ihr eigenen politischen Zuspitzung, um das Verbot von muslimischem Kopftuch und jüdischer Kippa gleichermaßen im öffentlichen Raum zu fordern. ((Siehe dazu etwa http://www.lemonde.fr/politique/article/2012/09/21/marine-le-pen-je-mets-a-la-porte-tous-les-integristes-etrangers_1763542_823448.html und http://lci.tf1.fr/politique/marine-le-pen-veut-faire-interdire-voile-et-kippa-dans-les-lieux-7535909.html ))

Dieser Vorstoß dominierte die Presseberichterstattung über die Sommeruniversität des Front National (FN), die am Wochenende des 22./23. September im westfranzösischen Badeort La Baule stattfand. ((vgl. zu ihr bspw.  http://actu.orange.fr/une/le-fn-reunit-son-universite-d-ete-dans-un-contexte-favorable-afp_1088930.html  oder  http://www.huffingtonpost.fr/2012/09/21/universite-dete-du-fn-europe-islam-provocations-existe-hors-elections_n_1903155.html?utm_campaign=092212&utm_medium=email&utm_source=Alert-france&utm_content=FullStory sowie http://actu.orange.fr/une/marine-le-pen-apres-le-voile-et-la-kippa-haro-sur-hollande-et-l-ue-afp_1090484.html))

Dabei relativierte Marine Le Pen ihre Kritik an den religiösen Symbolen insofern etwas, als sie versuchte, ihre Verbotsforderung stärker einseitig gegen Muslime zuzuspitzen: „Die Kippa stellt in unserem Land heute kein Problem dar“, erklärte sie gegenüber der Presse, aber im aktuellen Kontexte fordere sie „unsere jüdischen Landsleute dazu auf, ein kleines Opfer zu bringen“ ((vgl. http://www.lefigaro.fr/politique/2012/09/22/01002-20120922ARTFIG00458-voile-et-kippa-marine-le-pen-feint-l-etonnement.php)), um eben in erster Linie die sichtbaren Symbole der moslemischen Religion aus dem öffentlichen Leben verbannen zu können. Denn, so lautete ihre Begründung, „manche Religionen werfen mehr Probleme auf als andere“ ((vgl. http://www.lemonde.fr/societe/article/2012/09/22/pour-jean-marie-le-pen-interdire-le-voile-et-la-kippa-serait-sage_1764133_3224.html)) Ähnlich äußerte sich zuvor der seit Juni d.J. frischgebackene FN-Abgeordnete (bisher ohne Mitgliedschaft bei der rechtsextremen Partei) Gilbert Collard, der erklärte, persönlich „mit der Kippa kein Problem zu haben“. ((Vgl. dazu http://www.lefigaro.fr/flash-actu/2012/09/21/97001-20120921FILWWW00498-collard-pas-de-probleme-avec-la-kippa.php))

Allerdings führte der vermeintlich ultra-laizistische Tonfall (Laizismus = Eintreten für die Trennung von Kirche und Staat respektive von Religion und Politik), in welchem Marine Le Pen ihr Ansinnen ihr vortrug, zu Vorwürfen aus Teilen der politischen Rechten unterschiedlicher Couleur, sie wolle das Christentum unterminieren. UMP-Generalsekretär und –Vorsitzkandidat Jean-François Copé warf ihr etwa öffentlich vor, sie wolle – ziehe man alle Konsequenzen aus ihrer Agitation – auch Christuskreuze an Feld- und Wiesenwegen aus den französischen Landschaften verbannen. Darauf antwortete die Chefin des FN bei einem Auftritt im Rundfunk (am 24. September 12 bei Radio France Inter, ((vgl. http://www.franceinter.fr/emission-le-79-marine-le-pen-5?&comments=votes )) dies sei unsinnig, denn das christliche Erbe sei nun einmal Bestand der nationalen kulturellen Identität.

Auch innerhalb ihrer eigenen Partei und ihres Umfelds wurden passive Widerstände, die aus dem Wunsch nach einem stärkeren Festhalten am Christentum – und der Abneigung gegen eine stärkere positive Betonung des Laizismus – resultierten, bemerkbar. Die Vizepräsidentin des FN, Marie-Christine Arnautu, trat bei der Sommeruniversität der Partei sichtbar mit einem enormen Kreuz um den Hals auf. Und ein rechtskonservativ-nationalreaktionärer Bündnispartner des FN, Paul-Marie Couteaux, ein geistig etwas wirrer früherer Europaparlaments-Abgeordneter (er kommt aus der rechtskatholischen Kleinpartei von Philippe de Villiers, in Deutschland stünde er ungefähr auf dem rechten Flügel der CSU), machte am selben Tag und Ort ausdrückliche Vorbehalte geltend: Er lege Wert auf den Katholizismus, und fordere eine „christliche Präferenz“ ((vgl. http://www.lemonde.fr/politique/article/2012/09/23/paul-marie-couteaux-se-prononce-pour-une-preference-chretienne_1764216_823448.html )). Also eine Vorzugsbehandlung für die christlichen Konfessionen. Auch Bruno Gollnisch, der Anfang 2011 gegen Marine Le Pen unterlege Anwärter auf die Parteiführung, den (mehrheitlich) die Nationalkatholiken und die katholischen Fundamentalisten in und bei der Partei unterstützten, meldete Bedenken an. Er hielt sich allerdings in seinen Äußerungen zurück und erklärte nach außen hin lediglich, die Forderung nach einem Totalverbot von Kippa und Kopftuch im öffentlichen Raum sei „schwer anwendbar“ ((vgl. http://actu.orange.fr/une/voile-et-kippa-dans-la-rue-apres-le-tolle-general-marine-le-pen-persiste-et-signe-afp_1089382.html )).

In ihrer einstündigen Rede in La Baule vom Sonntag, den 23. September d.J. – die auch von Fernsehsendern live übertragen wurde – antwortete Marine Le Pen dann auf Kritiker wie den sozialdemokratischen Erziehungsminister Vincent Peillon, welcher die rechtsextreme Politikerin als „Integristin (d.h. Fundamentalistin) des Laizismus“ bezeichnet habe. Ironisch erklärte sie dazu, nachdem sie ausführlich gegen muslimische Fundamentalisten gewettert hatte: „Na, dann bin ich eben eine Integristin. Zumindest bin ich (moralisch) integer!“

Eine jüngste Umfrage zum Thema ,Islamkritik‘ ergibt übrigens ein kontrastreiches Bild. Die französische Gesellschaft ist demzufolge in zwei ungefähr gleich große Hälften gespalten, was ihre Einstellung zur Veröffentlichung der Karikaturen durch Charlie Hebdo betrifft (51 % dafür, 47 % dagegen, wobei das Resultat in einem solchen Fall sicherlich von der Formulierung der Frage mit abhängt und insofern stark variieren könnte). Am stärksten fällt die Zustimmung zum Abdruck der  Mohammed-Karikaturen demnach in der Wählerschaft des rechtsextremen Front National aus – dort äußern sich demnach 76 % zustimmend -, am zweitstärksten jedoch in der Anhängerschaft des Linkspolitikers Jean-Luc Mélenchon (64 %). Die Beweggründe und Motive dafür sind natürlich denkbar unterschiedlich: Links geht es um Antiklerikalismus, auf der extremen Rechten dagegen möchte man es vor allem den Moslems mal tüchtig zeigen. ((Vgl. zu den Umfrageergebnissen  http://actu.orange.fr/une/les-francais-tres-partages-sur-la-publications-des-caricatures-selon-un-sondage-afp_1089066.html )) Dies belegt freilich anschaulich, auf welch vermintem Terrain sich diese Debatte abspielt…

Scheißhausdebatte um „Antiweißen Rassismus“

Unterdessen versucht einer der beiden designierten Kandidaten für den Vorsitz der konservativ-wirtschaftsliberalen vormaligen Regierungspartei UMP, Jean-François Copé, selbst zu den mit Rassismus zusammenhängenden Themenfeldern in die Offensive zu kommen. In einem diese Woche publizierten Buch kritisiert er in scharfen Worten einen ,racisme anti-blanc‘ (ungefähr: „Rassismus gegen Weiße“), der sich in bestimmten Stadtteilen und so genannten sozialen Brennpunkten immer mehr breit mache. Die Bekanntmachung dieser Passage durch die Presse löste ab dem 26. September 12 für einige Tage eine umfangreiche Polemik auf (vgl. als Startpunkt http://www.lefigaro.fr/politique/2012/09/26/01002-20120926ARTFIG00428-cope-denonce-l-existence-d-un-racisme-anti-blanc.php ).

Marine Le Pen warf ihm in einem Wortspiel ein ,Copé-Coller‘ (von Copier-Coller, für „Copy and Paste“ respektive „Ausschneiden –Einfügen“) gegenüber dem Diskurs des vor. Und versuchte daraufhin, wenig später, ihn zu toppen – indem sie gleich ein eigenes spezielles Gesetz gegen „antiweißen Rassismus“ forderte… (Im Übrigen hatte der FN bereits am 10. September dieses Jahres, also rund zwei Wochen bevor die Polemik über die Auslassungen Copés ausbrach, eine Petition für ein solches „Gesetz gegen den antiweißen Rassismus“ lanciert. Die Petition war u.a. Bestandteil der quasi täglichen E-Mail-Aussendung, die unter dem Titel ,La lettre du Front‘ an die in Mailinglisten eingetragenen Sympathisant/inn/en geht, vom 11. September d.J.. Anlass bzw. Vorwand dafür war dieses Mal ein Zwischenfall in Castres, bei dem sich Soldaten und Jugendliche mit Migrationshintergrund auf einem Fest prügelten, wobei auf beiden Seiten unflätige Sprüche fielen.)

Der sozialdemokratische Bildungsminister Vincent Peillon wiederum erklärte öffentlich, man müsse sich nun klar den Sieg des – gemäßigter auftretenden – früheren Premierministers François Fillon bei der Abstimmung der Mitglieder über den künftigen Parteivorsitzenden wünschen. Diese scheinbare Präferenz des politischen Gegners für Fillon, welcher bislang in den Umfragen gegenüber Copé in Führung liegt, dürfte Letzterer freilich in sein Kalkül einbezogen haben.

In einer E-Mail-Aussendung vom 27. September 12 (unter dem Titel ,Le Front national a-t-il gagné la bataille du vocabulaire?‘) spricht der FN-Politiker und vor anderthalb Jahren unterlegene Kandidatin für dessen Vorsitz, Bruno Gollnisch, von einem „weiteren ideologischen Sitz“ der extremen Rechten. Ihr Vokabular habe sich ein weiteres Mal durchsetzen können.

Trotz mannigfacher Kritik ((vgl. http://www.lemonde.fr/idees/article/2012/10/01/l-enorme-ficelle-du-racisme-anti-blanc_1768069_3232.html  oder http://actu.orange.fr/revue/actualite-politique/le-point-de-18h-le-budget-2013-devoile-le-racisme-anti-blanc-730447+726670/ )) an dem reichlich unsinnigen Konzept, das den Rassismus- oder Diskriminierungsvorwurf auf simple Weise umzukehren versucht, Tatsächlich sollen laut einer Ende September d.J. durchgeführten Umfrage 56 % der befragten Französinnen & Franzosen einverstanden sein mit der Feststellung, dass der „Rassismus gegen Weiße“ zunehme; und 51 % sollen dem UMP-Vorsitzkandidaten Copé zugute halten, er habe „Recht gehabt“ damit, dieses Thema aufzutischen. ((Vgl.  http://www.lemonde.fr/societe/article/2012/09/28/pour-56-des-francais-le-racisme-anti-blancs-se-developpe_1767478_3224.html)) Sicherlich sind Umfrageergebnisse generell eher mit Vorsicht zu genießen und hängen immer zum Teil von der Art & Weise der genauen Frageformulierung ab. Dennoch ist zu befürchten, dass dieses Ergebnis zumindest teilweise eine reale ideologische Tendenz in relevanten Teilen der Gesellschaft aufzeigt. Am höchsten liegt der Anteil der Zustimmenden zu Copés Aussprüchen demnach – nicht unerwartet – in der jeweiligen Wählerschaft der UMP (77 %) und des FN (68 %).

Fortsetzung dazu folgt…

1 Kommentar

  1. DIE MEHRHEIT FORDERT Redefreiheit für die Feinde des Volkes Israel abschaffen!
    Keine Plattform für Göbels und Komplizen.

    RAUS MIT DER JUDENHASSERIN!
    SPERREN!
    SPERREN!
    SPERREN!
    SPERREN!

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