Rabbiner Israel Lau: Die fehlenden Worte

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Das war die zweite Rede eines Papstes in Yad Vashem. Die erste hielt Johannes Paulus II im März 2000. Benedikt XVI war seine rechte Hand, und gestern erwartete man von ihm eine ähnliche Rede wie die seines Vorgängers, vor allem im Hinblick auf die Herkunft des Papstes: Deutschland…

In M’ariw erklärte der ehemalige Oberrabbiner Rabbiner Israel Lau, Überlebender des Lagers Buchenwald, was er in der Rede des Papstes schmerzlich vermisst hat

Die Rede selbst war sensibel formuliert, effektiv, sie vertiefte sich in Quellen des Judentums, wobei der Papst auf die Väter Abraham und Jakob Bezug nahm. Abraham als Symbol der Glaubens, und Jakob als Symbol des Heldentums und des Überlebens. Uns betrachtet er als diejenigen, die den Weg der Väter fortsetzen, und das ist meiner Meinung nach ein großes Kompliment.

Kein Vergessen, kein Leugnen, keine Relativierung

Die Rede beinhaltete einen Satz von historischer Bedeutung, vor allem im Hinblick auf die letzte Zeit, in der die Zahl der Holocaustleugner ständig zunimmt. Der Papst setzte drei „Neins“ im Zusammenhang mit dem Holocaust fest: Nicht vergessen, nicht leugnen und seine Ausmaße nicht schmälern. Ich wertete dies als klare Antwort auf Bischof Williamson, auf den Historiker David Irving und den iranischen Präsidenten Ahmadinedschad.

Andererseits fehlte mir auch das eine oder andere Wort aus der Rede seines Vorgängers vor neun Jahren. Johannes Paulus II sprach von den Millionen Juden, die von den Nazis ermordet wurden. Benediktus sagte „getötet“, nicht „ermordet“. Die Identität der Opfer wurde überhaupt nicht erwähnt. Auch wenn der Vorgängerpapst das jüdische Volk nicht in Yad Vashem, sondern an der Klagemauer um Verzeihung gebeten hat, machte er sich zumindest die Mühe, sein Bedauern und seinen Schmerz über die Tragödie des jüdischen Volkes zum Ausdruck zu bringen. Leider habe ich diesmal nichts derartiges gehört.

Gerade wegen des persönlichen Hintergrunds des Papstes und der Tatsache, dass er seinen ersten Besuch außerhalb des Vatikans in der Synagoge von Köln abhielt, erwartete ich von ihm, dass er sein Bedauern äußert. Ich erwartete seine Solidarität mit der Wunde, die noch nicht verheilt ist, dem Verlust eines Drittels unseres Volkes. Vielleicht werden die fehlenden Worte an der Klagemauer geäußert, und dann kann dieser Besuch als der Bau einer Brücke zwischen der Welt und dem Volk Israel bezeichnet werden.

3 Kommentare

  1. Herr Oberrabiner Lau war recht. Die Worte der fehlend waren haben den Besuch des Papst anulliert.

  2. „Wenn aber ein Zensor mit dem Stift jedes Wort einordnet, mag ich Trauer nicht.“
    Wenn getrauert wird, dann ist es egal worum. So scheint es jedenfalls, wenn das Wort egal ist.  Bloß wozu hält man dann überhaupt Reden oder spricht zu dir , wenn du ganz persönlich erfährst was Trauer ist; es reichte doch ein Grunzen oder ähnliches. Hauptsache es ist ehrlich gemeint…
    „Da gibt es kein bißchen mehr und kein bißchen weniger.
    Das klingt vor allem nach Verwirrung, aber man kann ja sein Trauern an Vielem identifizieren. Hauptsache es interessiert sich niemand für das womit man es dann Assoziert, dann ist es wieder der Zensor, der das Wort ernst nimmt und die Ehrlichkeit zerstört. Immerhin ist „dem Zensor“ das Wort seines Gegenübers nicht egal. Das Wort das ehrlich gemeint ist – richtig erkannt – nimmt jemand, der sein Gegenüber in irgendeiner Weise respektiert, ernst. Du verwechselst Aufmunterung und Mitleid mit Trauer und dann verstehe ich auch, wenn du von dem was du mit Trauer meinst, nicht besonders begeistert bist. Damit hat der Zensor allerdings weniger zu tun als deine Feindschaft gegen die Sprache. 
    Aber du weist schon was Papa ehrlich/eigentlich meint, denn auch du scheinst Papst zu sein. Vielleicht einfach über die Einleitung hinaus lesen. Es ist schon sehr bezeichnend, dass du deine zwei Sätzchen alleine auf die Einleitung zu einem Artikel beziehst, die der Autor des Artikels nicht einmal verfasst hat. 
    Ich bin froh, dass meine persönliche Trauer nicht die Menschen verliert, die sich zu ihr in Beziehung setzen.

  3. „Das war die zweite Rede eines Papstes in Yad Vashem. Die erste hielt Johannes Paulus II im März 2000. Benedikt XVI war seine rechte Hand, und gestern erwartete man von ihm eine ähnliche Rede wie die seines Vorgängers, vor allem im Hinblick auf die Herkunft des Papstes: Deutschland.“

    Ich weiß ganz persönlich , was Trauer ist. Da gibt es kein bißchen mehr und kein bißchen weniger. Und die Wörter, die einem gesagt werden, sind ehrlich gemeint. Wenn aber ein Zensor mit dem Stift jedes Wort einordnet, mag ich Trauer nicht.

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