Gunzenhausen: Eine Hochburg des Nationalsozialismus

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In unserer neuen Artikelreihe stellen wir Relikte des fränkischen Landjudentums vor. Jahrhundertealte aufgelassene Friedhöfe, Gebäude, die einst als Synagogen dienten, aber auch andere steinerne Zeugnisse, wie etwa Inschriften oder Symbole. Das Landjudentum ist schon lange nicht mehr existent. Bereits im 19. Jahrhundert lösten sich zahlreiche der kleinen Gemeinden auf. Die restlichen wurden während des Nationalsozialismus liquidiert. Doch vereinzelt gab es nach 1945 erneut jüdisches Leben auf dem Land – davon zeugen die Hachscharot-Kibbuzim, Bauernschulen, in denen Überlebende der Shoa für ihre Zukunft in Erez Israel ausgebildet wurden…

Wenige Wochen nach dem Pogrom begrüßt Gunzenhausen im Mai 1934 freudig SA-Führer Ernst Röhm (2. v. l.). Foto: Stadtarchiv Gunzenhausen

Gunzenhausen: Eine Hochburg des Nationalsozialismus

Schon früh hatte sich in der agrarisch geprägten protestantischen Region Westmittelfranken der Nationalsozialismus etablieren können – 1923 fand in Gunzenhausen die erste Veranstaltung der NSDAP statt. Bei den Reichstagswahlen 1928 erhielt die Partei 16,4 Prozent der Stimmen. Noch im selben Jahr wurden die Fenster der Synagoge eingeworfen, ein Jahr später der jüdische Friedhof geschändet.

1934 machte das mittelfränkische Gunzenhausen weltweit Schlagzeilen, die „New York Times“ titelte: „Jews terrorized in Bavarian Town“. Am 25. März 1934, dem Palmsonntag, hatten sich unter der Losung „wir trinken und saufen und hängen die Juden auf“ bis zu 1.500 Bürger zusammengerottet und waren marodierend durch die Kleinstadt gezogen. Am Abend waren zahlreiche verletzte und zwei tote jüdische Einwohner zu beklagen.

Die ersten Juden hatten sich bereits im 13. Jahrhundert in Gunzenhausen angesiedelt. Während der sogenannten Rintfleischpogrome und später in den Jahren der Pestepidemien wurden die Menschen vertrieben und ermordet. Erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts ließen sich einige jüdische Familien erneut in Gunzenhausen nieder. Bis hinein ins 18. Jahrhundert entwickelte sich die Gemeinschaft zu einer der bedeutendsten im Fürstentum Ansbach und wurde Sitz eines Landesrabbinats. 1755 waren 55 jüdische Familien in der Stadt registriert. Dennoch mussten sie ihre Toten lange Zeit auf dem Friedhof in Bechhofen bestatten. Erst 1875 war es ihnen gestattet, ein eigenes Gräberfeld in der Stadt anzulegen. Wenige Jahre später wurde auch die neue Synagoge erbaut. Im November 1938 musste die jüdische Gemeinde das Gotteshaus an die Stadt Gunzenhausen verkaufen. Nachdem unter großem Jubel der Bevölkerung „starke Zimmermannsfäuste“ die Zwiebeltürme der Synagoge entfernt hatten, wurde das Gebäude unterschiedlichsten Nutzungen zugeführt: Im Krieg als Gefangenenlager, später als Werkhalle, Wohn- oder Bürohaus. 1981 erfolgten der Abbruch und eine Neubebauung des Grundstücks. Heute erinnert eine Gedenktafel an die Synagoge.

Obwohl der Friedhof während des NS-Regimes mehrfach geschändet wurde, Hunderte von Grabsteinen entfernt und zum Straßenbau verwendet, die Fläche eingeebnet wurde, blieb das Areal erhalten. Die nach dem Krieg aufgefundenen 41 Grabsteine wurden auf das Gelände zurückgebracht und dort wahllos wieder aufgestellt. Zudem errichtete man einen Gedenkstein für die Opfer des Nationalsozialismus.

Der Friedhof befindet sich inmitten der Stadt; er ist mit einer massiven Bruchsteinmauer umfriedet. Die parkähnliche Anlage umfasst rund 3.000 Quadratmeter, das gute erhaltene Tahara-Haus dient heute als Wohnhaus.

Viele Steine wurden während des Nationalsozialismus zum Straßenbau verwendet. Nach 1945 stellte man einige von ihnen wieder auf dem Friedhofsgelände auf. Alte Grabsteine und ein später errichteter Gedenkstein. Fotos: nurinst-archiv

Rundgang

Seit vielen Jahren setzt sich die Stadt Gunzenhausen intensiv und vorbildlich mit ihrer Rolle im NS-Regime auseinander und erforscht die jüdische Geschichte der Gemeinde. Siehe http://www.gunzenhausen.info/juedisches_leben/

Über das Amt für Tourismus kann der Stadtrundgang „Jüdisches Leben und Wirken in Gunzenhausen“ sowie eine Führung über den „Israelitischen Friedhof“ gebucht werden.

Einkehr

Das Gasthaus „Zum Storchennest“ liegt im Stadtzentrum und bietet regionale Spezialitäten an.

Anfahrt

Von Nürnberg: Mit dem Regionalexpress nach Ansbach, umsteigen in die Regionalbahn Richtung Treuchtlingen oder Regionalexpress Richtung Treuchtlingen, umsteigen in Pleinfeld in Regionalbahn Richtung Gunzenhausen

A 6 aus Richtung Nürnberg, Ausfahrt Schwabach-West, B 466 Richtung Gunzenhausen.

Quellen

Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918–1945. Geschichte und Zerstörung, München 1979.

Heike Tagsold (Hg.), „Was brauchen wir einen Befehl, wenn es gegen die Juden geht?“ Das Pogrom von Gunzenhausen 1934, Nürnberg 2006.

Michael Trüger, Jüdische Friedhöfe in Bayern, Gunzenhausen, in: Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, Jüdisches Leben in Bayern, Nr. 72 (März 1997).

Michael Schneeberger, Jüdische Landgemeinden in Bayern, Gunzenhausen, in: Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, Jüdisches Leben in Bayern, Nr. 94 (April 2004).

Index – Juden in Franken – ein historischer Überblick