Cédric Klapisch zeigt in „Die Farben der Zeit“ auf die Bruchstellen von Existenz
Von Miriam N. Reinhard
Céline (Julia Piaton), um die 40, eine Ingenieurin für Transportwesen, die an „disruptiven Projekten“ arbeitet, muss den drei Männern, mit denen sie im Zug sitzt, genauer erklären, was mit „disruptiv“ gemeint ist; sie erläutert: „Es gibt zwei Arten, die Zukunft zu betrachten. Als logische kontinuierliche Folge deiner Gegenwart oder unter Einbeziehung von Brüchen“. Sie selbst würde sehr an Brüche glauben.
Wenn nicht gleich ein radikaler Bruch in der Biographie, so ist die Begegnung der vier Personen miteinander doch eine Unterbrechung ihres bisherigen Lebens: Da ist Abdelkrim (Zinedine Soualem), Mitte 60, der kurz vor seiner Pensionierung aus dem Schuldienst steht. 4000 Schüler, so hat er es ausgerechnet, hat er im Laufe seiner Dienstjahre unterrichten können; er zweifelt, sie alle erreicht zu haben. Dann gehört Seb, (Abraham Wapler), Ende 20, zu der Runde, der „Digitalinhalte“ produziert: Videoinstallationen, die Künstler etwa auf Instagram posten können, scheinen sein aktueller Schwerpunkt zu sein. Vollständig wird der Kreis mit Guy (Vincent Macaigne), der sich als Imker und Aktivist für Bienen vorstellt – im Zug führt er der Runde eindrucksvoll vor, wie sie tanzen können, um anderen Bienen den Weg zur Sonne zu weisen. Diese vier Personen haben nicht ganz zufällig zusammengefunden: Sie haben vor kurzem erfahren, dass sie eine gemeinsame Vorfahrin teilen – ihre Geschichte werden sie nun gemeinsam entdecken
In seinem neuen Spielfilm „Die Farben der Zeit“ erzählt Regisseur Cédric Klapisch auf zwei Zeitebenen von Brüchen und Wendungen im Leben, von der Begegnung mit der Kunst und dem Anderen, die eine Begegnung zum Eigenen öffnet, von der Disruption, die das Dasein betrifft.
Ungefähr 30 Erben sind von lokalpolitisch Verantwortlichen zusammengerufen worden, denn sie haben ein Haus in der Normandie geerbt, das einst Adèle Meunier (Suzanne Lindon) gehörte und das seit Jahrzehnten unbewohnt ist. Die Stadt möchte das Gelände mit einem Supermarkt und greengewashten Parkplätzen bebauen, hat deswegen nach der Erbengemeinschaft recherchieren lassen, die Céline, Abdelkrim, Seb und Guy als Vertreter aus ihrer Mitte bestimmt. Gemeinsam – das ist die erste Ebene des Films – gehen sie in dem Haus ihrer Ahnin nun auf Spurensuche. Das Haus bietet dafür Einiges, denn es ist nicht völlig leer, ihm sind bloß plötzlich und anscheinend mitten im Leben die Bewohner verloren gegangen – möglicherweise, so wird es vermutet, durch Angriffe auf die Region während des Zweiten Weltkrieges.
Auf der zweiten Ebene erzählt der Film Teile aus dem Leben Adèles, an einem Punkt, an dem auch sie in eine Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte eintritt; wir befinden uns hier Mitte der 1890er Jahren: Auch Adèle möchte sich mit ihrem „Erbe“, mit ihrer Herkunft befassen. Sie ist nun volljährig geworden, aber schon als Kleinkind von ihrer Mutter verlassen worden und bei ihrer Großmutter aufgewachsen; sie bricht aus der Normandie nach Paris auf, um ihre Mutter dort zu finden, lässt ihren Liebsten Gaspard (Valentin Campagne) dafür zurück.
Klapisch inszeniert den Wechsel zwischen den Ebenen, der Recherche und den Begegnungen zwischen den Erben auf der ersten Ebene und den Erlebnissen Adèles auf der zweiten Ebene, häufig an Orten des Überganges, etwa an Treppen, Türen oder Brücken und lässt so Schwellen des Raums zu zeitlichen Schwellen werden. Doch die Zeit, in der wir Adèles Geschichte begleiten, ist bereits eine Zeit, die von Umbrüchen geprägt ist; Paris pulsiert kurz vor der Schwelle ins neue Jahrhundert: Die Photographie beginnt, an Popularität zu gewinnen, sie wird der Bourgeoise als Produkt zugänglich, Photographen betreiben eigene Studios. Besonders der auch im Film vorkommende Photograph Félix Nadar (Fred Testot) reüssiert in diesem Metier und zieht mit seinen kunstvollen Porträtaufnahmen die Menschen in seinen Bann. 1875 feiert auch der erste Kinofilm in Paris Premiere. Auch die Elektrifizierung des öffentlichen Raums nimmt zu, 1900 wird die Pariser Weltausstellung mit einem „Palast der Elektrizität“ die Besucher faszinieren und sie glauben lassen, Teil eines epochalen Fortschritts zu sein, der die Menschheit in eine bessere Zukunft führen wird.
Optimistisch in ihre Zukunft blicken auch Anatole (Paul Kircher), ein Kunstmaler und Lucien, ein Photograph (Vassili Schneider), die in Adèles Alter sind und wie sie aus der Normandie stammen – sie trifft die beiden jungen Männer auf ihrer Reise nach Paris und lebt schließlich mit ihnen zusammen in einem Gasthof. Sie sind auf dem Weg nach Paris, weil Luciens Onkel dort lebt, der über gute Kontakte innerhalb der Pariser Bourgeoise verfügt und Lucien hofft, dass er durch dessen Kontakte in der Photographie weiterkommen wird. Für Lucien ist klar, dass er als Photograph Vertreter einer innovativen Kunstrichtung ist, er sieht sich auf der Seite einer Disruption, die in Bezug auf die Malerei nur ihr gesichertes Ende bedeuten kann: „Sieh dir diese Präzision an, kein Photograph bekommt das hin“, sagt er stolz, als er Adèle eine seiner Photographien zeigt. Adèle ist allerdings nicht überzeugt, obwohl sie das Photo sehr eindrucksvoll findet, widerspricht sie Lucien in seiner Einschätzung, dass die Malerei keine Zukunft mehr haben wird.
Im Haus ihrer Ahnin fällt der Blick der Erben zuerst auf eine Photographie von Adèle und auf eine Photographie ihrer Mutter Odette (Sara Giraudeau) – beide aus dem Studio des Maestros Félix Nadar – doch die genaue Beziehung der beiden Portraitierten kennen die Erben noch nicht. Dennoch werden sie von den Bildern berührt. Sie finden auch ein Gemälde, das eine junge Frau zeigt, die im Gras sitzt und können es nicht zuordnen, doch sie vermuten, dass es sich nicht um die Arbeit eines Laien handelt und beschließen, Rat der Fachwelt einzuholen. Abdelkrim ist mit einer ehemaligen Schülerin befreundet, die als Restauratorin Kontakt zu einer Expertin hat, die eine wissenschaftliche Analyse beauftragt. Es ist in der Tat das Bild eines herausragenden Künstlers, der zugleich der Vater von Adèle ist – doch das weiß diese noch nicht.
Was immer für ein Bild sich Adèle von ihrer Mutter gemacht hat, der erste Kontakt erschüttert sie: Sie findet ihre Mutter an einem Ort, an dem keine Tochter ihre Mutter finden möchte – in einem Pariser Bordell, in dem sie als Prostituierte arbeitet. Doch als der anfängliche Schock überwunden ist, nähern die beiden Frauen sich an; auch ihre Mutter, so erfährt Adèle, hatte mal engeren Kontakt mit einem Maler und einem Photographen – der Photograph ist kein geringerer als der legendäre Félix Nadar. Adèles Mutter deutet an, dieser könnte ihr Vater sein, nach einer persönlichen Begegnung mit ihm, ist sie sich allerdings sicher, dass er es nicht ist; doch ihre Mutter hat auch noch ein Stück Leinwand, das ihr der Maler gab, bevor auch er sie verließ. Er sei zwar nicht sonderlich bekannt gewesen, berichtet sie, doch sie habe an ihn geglaubt. Sie schenkt es Adèle.
Ein Stück Leinwand, das die Erben bei ihrer Inspektion des Hauses entdecken, gibt ihnen Rätsel auf. Sie übergeben es zusammen mit dem Bild der Kunst-Expertin, die zunächst das Rätsel des Bildes lösen kann: Es handelt sich um ein Werk von Claude Monet, das Stück Leinwand ist – so kann es Seb rausfinden – ein Probestück gewesen, auf dem Monet die Spiegelungen der Sonnenstrahlen im Wasser vorzeichnet, bevor er sie auf die Leinwand ins erste impressionistische Bild „Impression, Soleil levant“ überträgt. Monet ist der Vater Adèles und sie wird ihm noch begegnen, etwas bei ihm verweilen, sich von ihm portraitieren lassen.
Um uns dieses Stück Leinwand und das Bild näher zu bringen, wagt Klapisch einen dritten Zeitsprung: Wir sehen die Ausstellung in Paris 1874 in der „Impression, Soleil levant“ erstmalig einer – sichtlich höchst irritierten – Öffentlichkeit präsentiert wird. Klapisch bringt uns mit einem erzählerischen Trick an diesen Ort: Auf Anregung Guys nehmen die vier Erben auf Zeitebene eins Ayahuasca ein, geraten so in einen Rausch, so dass wir mit ihnen direkt in die Vernissage stolpern. Hier sehen wir nicht nur die Ausstellung und hören die hämischen Reaktionen der zeitgenössischen Kritik auf Monets impressionistische Premiere (der anwesende Louis Leroy wird in einem vernichtenden Artikel davon sprechen, dass eine „Tapete im embryonalen Zustand“[1] professioneller als dieses Bild wirke), sondern wir sehen auch Adèles Mutter Odette mit einem Baby auf dem Arm und bekommen mit, wie sie Monet (ebenfalls mit Abraham Wapler besetzt) seine Tochter vorstellt. Seb beginnt im Rausch all diese familiären Zusammenhänge zu verstehen. Und schließlich (allerdings wendet Klapisch hier wieder einen konventionelleren Übergang des Ebenenwechsels an, er blendet vom Ort des Geschehens, von Le Havre aus, zurück) wird uns auch die Entstehung des Bildes 1872 gezeigt: Wir sehen so Odette, wie sie zunächst vom Bett aus ihren Liebsten Monet vor der Leinwand beobachtet, dann nach dem entstehenden Bild fragt, zu ihm geht, und die Reflexion des Sonnenlichtes mit denselben Tönen beschreibt, die dann von Monet in Bewegungen des Pinsels umgesetzt werden, mit denen zuvor auf Zeitebene eins im Zug Guy den Tanz der Bienen beschrieben hat, der die Funktion erfüllt, den anderen Bienen den Weg zur Sonne zu weisen.
Sicher: Solche Verknüpfungen lassen Klapischs Film (der keine biographisch-historische Auseinandersetzung mit Monet sein will) auch konstruiert wirken – und zuweilen verzettelt er sich auch im Plakativen, etwa wenn Sebs erste Freundin vor einem Großbild von Monets Seerosen tanzend ihn als Kameramann zu ihrer Performance fragt, ob man zu viel von dem Bild sehe, Sebs mutmaßlich dann neue Freundin, eine Chansonsängerin, ihn dann bei einer Videoaufnahme in Paris fragt, ob man zu viel von ihr sehe; die Verbindungspunkte zwischen den Zeitebenen, die Klapisch setzt, unterstützen aber überzeugend das Thema, das Céline gesetzt hat: Die Zukunft ergibt sich nicht aus Kontinuitäten, sondern aus Disruptionen, aus Brüchen, aus Konstellationen, es kommt nicht alles aus uns selbst, wir tragen die Spuren einer Vergangenheit in uns; was wir gegenwärtig sind, ist viel größer als wir – ganz in der eigenen Welt zu sein, bedeutet immer auch, die Welt dessen, der schon vor mir da war, zu betreten, die Fremdheit im Eigenen zu spüren. Walter Benjamin formuliert in „Über den Begriff der Geschichte“: „Die Vergangenheit führt einen heimlichen Index mit, durch den sie auf die Erlösung verwiesen wird. Streift denn nicht uns selber ein Hauch der Luft, die um die Früheren gewesen ist? Ist nicht in Stimmen, denen wir unser Ohr schenken, ein Echo von nun verstummten?“[2]
Klapischs Film endet dort, wo er beginnt: Im Museum vor einem Großbild von Monets Seerosen. Auch das kann man plakativ und vielleicht auch etwas kitschig finden, dennoch: Klapisch ist mit diesem Film etwas gelungen, das er in seinem Film 2022 „Das Leben ein Tanz“ nicht überzeugend realisiert. Mit diesem Film hat er sich schon einmal an der Bruchstelle des Daseins versucht und ist damit gescheitert, weil der Bruch, den er dort inszeniert, nichts weiter als der Bänderriss einer gestrauchelten Ballettdiva aus der französischen Upperclass ist, die so weich fällt, wie man in diesem Milieu eben fallen kann.
Mit „Die Farben der Zeit“ betrachtet Klapisch Brüche auf mehreren Ebenen, nicht nur geht er auf der filmisch-erzählerischen Ebene mutig und kreativ vor, auch inhaltlich geht sein Konzept (mit passenden kleineren Brüchen) auf. Klapisch verweist uns auf: 1. die Um-Brüche in der Zeitgeschichte: Technische Innovationen, Fortschritt und Fortschrittsglaube werden in der Elektrifizierung des Alltags erfahrbar. Mit der Photographie tritt das Bild in die „technische Reproduzierbarkeit“[3] ein, Walter Benjamin hat auf die damit zusammenhängenden Ambivalenzen verwiesen; gleichzeitig ereignen sich Brüche innerhalb der Kunst selbst, die, als die Photographie das flüchtige Bild technisch verewigen kann, mit dem Impressionismus das Flüchtige umzusetzen beginnt; der Fortschritt, der hier beginnt, wirkt bis heute fort und nimmt immer rasantere Formen an. Photographien sind nun selbst flüchtige Elemente des Alltags geworden: „In zwei Minuten werden heute mehr Photos gemacht als im gesamten 19. Jahrhundert“, erklärt Abdelkrim. 2. die Aus-Brüche aus den Begrenzungen von Milieus: Odette verweigert sich den Erwartungen ihrer Mutter, will ihre Beschäftigung als Maler-Modell nicht aufgeben und für ihre Tochter ein Leben im Rahmen des bürgerlichen Erwartungshorizonts führen. Freiheit scheint ihr wichtiger als ein geordnetes Leben zu sein, für ihre Selbstbestimmung nimmt sie auch Prostitution in Kauf; 3. die Auf-Brüche: Adèle kann weder lesen noch schreiben als sie in Paris ankommt, wird aber später Lehrerin und hat damit möglicherweise ihren Mann Gaspard, der sie aus Paris sehnsuchtsvoll zurückerwartet, überflügelt, der ein anrührender sie bewundernd liebender Bauer ist. Und nicht zuletzt 4. die Brüche im Biographischen: Sowohl Adèle als auch Seb wachsen ohne ihre Eltern bei den Großeltern auf, beide konfrontieren sich zum Zeitpunkt der Erzählung offensiv mit der Vergangenheit.
Doch Klapisch gibt uns auch noch einen weiteren Bruch mit, der unbedingt zu einer Geschichte dazugehört, in der Kunst und Fortschritt im ausgehenden 19. Jahrhundert zentrale Motive sind: Wieder zu viert im Zug sitzend, liest Abedelkrim einen Brief vor, den er im Haus Adèles gefunden hat und der von Anatole an Adèle 1916 adressiert worden ist: „Liebe Adèle, […] ich bin gerade nach Verdun eingezogen worden. Ich weiß überhaupt nicht, was ich da tun werde, aber ich hoffe, ich werde Zeit zum Zeichnen haben.“ So erschüttern die Grabfelder von Verdun jene Fortschrittseuphorie, die vernehmbar wird, wenn die Wäscherin Rose (Raïka Hazanavicius) beim Anblick der mit elektrischem Licht erleuchteten Avenue de l’Opéra begeistert ausruft: „Das sind die Farben der Zeit!“ Doch die erleuchtete Straße ist sinnbildlich nicht nur wegweisend in eine strahlende Zukunft. Die Farben das Zeit – das Helle, das Licht, das Durchbrechen der Finsternis mit Vernunft und technischen Fortschritt, können nicht bestehen als Farben der Hoffnung, wenn man sie mit dem Rot des Blutes, das in Verdun so grauenhaft sinnlos vergossen worden ist, zusammendenkt. Der Erste Weltkrieg ist der erste industrialisierte Krieg der Geschichte – auch das ist das Erbe dieser Zeit, Erbe fataler Fortschrittsgläubigkeit, die sich mit nationalen Größenwahn verbinden konnte.[4] In Deutschland erinnert man sich auch daran, in welch unheilvoller Weise ein Zauberer der Worte in jener Zeit euphorisch und „mit großem Recht“ Kunst mit Krieg gleichzusetzen wusste[5], um dann in verächtlicher Abwendung von den als Feinde geerbte Franzosen ein Verständnis vom Deutschen zu deklarieren, das einen erschaudern lässt.
Und wo stehen wir jetzt? Wir beginnen die Disruptionen zu fürchten, die die Libertären zelebrieren – doch das libertäre Denken ist genaugenommen kein Denken des Bruchs, weil es von einer Kontinuität des Kapitalismus ausgeht und seiner Geschichtslosigkeit suggerierenden Logik entspringt. Der in der Ökonomie von Clayton M. Christensen geprägte und in den Sphären des politischen Radaus beliebt gewordene Begriff der „Disruption“ verdankt sich einer Rezeption der Schriften Joseph A. Schumpeters und seinen Überlegungen zur „Creative Destruction“ des Kapitalismus, die nichts anderes als die ihm immanenten Zerstörungs-Strategien im Sinne seiner Selbsterhaltung beschreibt; Schumpeter: „This process of Creative Destruction is the essential fact about capitalism. It is what capitalism consists in and what every capitalist concern has got to live in.”[6] Politisch kann man dieses Verständnis von Disruption in einem Präsidenten bewundern, dessen Name primär auf seinen Namen als Label verweist, das wiederum für nichts steht als die Anwesen(heit) dieses Zeichens (Real Estate) und der somit in einem permanenten Exzess, in einer aberwitzigen Simulation von Brüchen, eine kontinuierliche Destruktivität produziert. Der „Symbolüberschuss“ auf den kürzlich Johannes Schneider verwiesen hat, ist eher Vorgang einer ständigen Entleerung des Symbolischen, der eine symbolische Bedeutung (und ihre Beständigkeit) des eigenen Zeichens durch diese Destruktion suggeriert.
Mit Klapisch könnte man dagegen Disruption als ein Denken in Brüchen verstehen, ein Denken in Diskontinuitäten, das sich einem Telos der Geschichte (auch allen „Narrativen“ und „Gegen-Narrativen“) verweigernd an ihren Bruchstellen mit dem gebrochenen Dasein solidarisch ist, seine Brechung als Erbe tragen will – bevor die Wortführer der Disruption den kalten Schnitt ihrer Kettensägen setzen.
Anmerkungen:
- Die vernichtende Kritik von Louis Leroy erscheint am 25.4.1874 in „Le Charivari“: ,,Le papier peint à l’état embryonnaire est encore plus fait que cette marine-là!” vollständig abrufbar zum Beispiel hier: https://fr.wikisource.org/wiki/L%E2%80%99Exposition_des_impressionnistes, zuletzt aufgerufen am 16.09.2025. ↑
- Vgl. Walter Benjamin: Über den Begriff der Geschichte, in: ders.: Gesammelte Schriften I· I, Frankfurt/Main: Suhrkamp 1991, S.693. ↑
- Vgl. Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, in: ders.: Gesammelte Schriften I· I, Frankfurt/Main: Suhrkamp 1991, S. 431ff. ↑
- Walter Benjamin hat deswegen vor dem geschichtsblinden Fatalismus des Fortschrittglaubens gewarnt; ein Bild von Paul Klee interpretierend formuliert er: „Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt […] Der Engel der Geschichte muß so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe […]. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat. […] Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.“ Walter Benjamin: Über den Begriff der Geschichte, in: ders.: Gesammelte Schriften I· I, Frankfurt/Main: Suhrkamp 1991, S.697 f. [Auslassung Verf.]. ↑
- Thomas Mann: Gedanken im Kriege. In: Ders.: Essays II 1914-1926, Frankfurt/Main: S. Fischer 2002, S. 27-46. ↑
- Joseph A. Schumpeter: Capitalism, Socialism and Democracy, New York: Harper & Row 1963, S. 83. ↑