Hunderte versammelten sich heute auf dem Platz der Entführten zu einem Kabbalat Schabbat gemeinsam mit den Gemeinden von Sha’ar HaNegev und Nahal Oz, den Familien der Geiseln und Überlebenden der Gefangenschaft. Die Forderung an die israelische Regierung: „Wir dürfen den 102. Schabbat nicht verpassen. Jeder einzelne Tag ist entscheidend für die Geiseln. Wir haben nicht das Privileg, auch nur einen Tag länger zu warten. Ersetzen Sie den Schabbat-Esstisch durch den Verhandlungstisch und stehen Sie nicht auf, bis Datum und Rahmen für die Freilassung der letzten Geisel vereinbart sind.“
„Ich hätte niemals gedacht, dass ich am 700. Tag noch hier stehen und für Omri und 47 andere Geiseln kämpfen würde“, sagte Lishay Lavi-Miran, die Ehefrau von Omri Miran. „Ich möchte etwas Schwieriges sagen, aber es muss gesagt werden: Ich glaube, dass die israelische Regierung einen Zermürbungskrieg gegen uns führt, gegen die Bürger Israels insgesamt und gegen die Familien der Geiseln im Besonderen. Am 100. Tag sagten sie uns, wir würden den 200. Tag nicht erreichen. Am 200. Tag sagten sie uns, wir müssten die Proteste herunterfahren, weil sie die Verhandlungen gefährden würden. Am 300. und 400. Tag sagten sie uns, es sei fast vorbei. Nur noch eine weitere Hamas-Hochburg. Nur noch ein Schritt. Am 600. Tag sprach niemand mehr mit uns. Am 700. Tag sind wir zu einer Plage geworden. Hintergrundgeräusche, die man ignorieren kann. Also muss die schmerzliche Wahrheit gesagt werden: Diese Regierung schert sich nicht mehr um Zahlen. Ob es 900 gefallene Soldaten sind, 48 Geiseln oder 700 Tage – sie versuchen, diese unerträgliche Realität in eine weitere Zahl zu verwandeln, die man schlucken muss. Etwas, das man auf eine Schlagzeile reduzieren kann. Das Leben von Bürgern und Soldaten ist so billig geworden. Das Unerträgliche ist erträglich geworden.“

Am Vormittag hatte Hamas einen neuen Propagandafilm veröffentlicht, im dem Guy Gilboa Dalal zu sehen ist. Er wird im Film durch Gaza Stadt gefahren, um die Gefahr durch die Ausweitung der israelischen Militäroperationen zu zeigen. Die Familie von Guy Gilboa-Dalal genehmigt die Veröffentlichung eines Ausschnitts des Videos. „Wir haben sechs Monate nach dem letzten Video, in dem er zusammen mit Evyatar David bei der Freilassung ihrer Freunde zu sehen war, ein Lebenszeichen von unserem Guy erhalten. Guy, Alon und weitere Geiseln wurden nach Gaza überführt, und wir sind zutiefst besorgt um ihr Leben. Sie müssen nach Hause gebracht werden“, heißt es in der Stellungnahme der Familie. Im Video ist auch Alon Ohel zu sehen, von dem es bisher keine Video-Botschaften gab.
„Die jüngsten Videos brechen mir das Herz“, sagte Doron Steinbrecher am Platz der Entführten. Doron wurde nach 471 Tagen in Hamas-Gefangenschaft freigelassen. „Ich weiß, was es heißt, in einem Tunnel zu sitzen und zu wissen, wie leicht der Finger am Abzug ist, wie jedes Geräusch, jede Bewegung das Ende bedeuten kann.“ Nur ein Abkommen kann die verbliebenen Geiseln nach Hause bringen, betonte Doron. „Ich dachte, sobald ich heimkomme, könnte ich neu beginnen. Aber die Wahrheit ist: Das können wir nicht. Am 500. Tag habe ich gefastet. Am 600. Tag bin ich hierher gekommen, auf diesen Platz, um den Familien beizustehen, sie zu stärken, bei ihnen zu sein. Und heute stehe ich hier am 700. Tag. Siebenhundert Tage Gefangenschaft. Kann irgendjemand überhaupt begreifen, was das bedeutet? Was bedeutet das? 700 Tage lang eingesperrt, ausgehungert, verängstigt, voller Sehnsucht und Einsamkeit zu sein? Ich weiß, was es heißt, in einem Tunnel zu sitzen und zu warten, zu hoffen, sich an den kleinsten Funken Erwartung zu klammern. Und diese Hoffnung wird immer wieder zerstört, endlos.“
In Gaza werden weiter 48 israelische Geiseln gefangen gehalten. 20 von ihnen sind noch am Leben. Sieben dieser Geiseln haben auch die deutsche Staatsangehörigkeit.