Bestehen antisemitische und israelfeindliche Einstellungen bei Zohran Mamdani?

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Foto: Kara McCurdy / CC BY-SA 4.0

Der neue Bürgermeister von New York ist bekennender demokratischer Sozialist. Ihm wurden auch antisemitische und israelfeindliche Einstellungen unterstellt. Doch wie angemessen sind diese Aussagen?

Von Armin Pfahl-Traughber

Der neue Bürgermeister von New York ist ein demokratischer Sozialist: Zohran Mamdani. Das vorläufige Ergebnis spricht ihm 43,5 % Prozent der Stimmen zu. Damit verbuchte der vierunddreißigjährige Muslim, der in Uganda geboren wurde und erst seit 2018 US-Staatsbürger ist, einen erstaunlichen Wahlerfolg. Er begann als unbekannter Kandidat, der noch keine relevanten politischen Ämter innehatte, und siegte zunächst in den Vorwahlen. Daraufhin setzte eine öffentliche Kampagne gegen Mamdani ein, wurde er doch als „Islamist“ und „Kommunist“ verspottet. Seine Forderung, diverse Sozialreformen durch Steuererhöhungen für Superreiche zu finanzieren, führte zu einschlägigen Zerrbildern. Obwohl der aussichtsreichste Konkurrent hohe Millionenspenden erhielt, obsiegte doch die Kleinspendern-Kampagne von Mamdani. Junge Anhänger warben in persönlichen Gesprächen für ihn, der sich wiederum in öffentlichen Auftritten mit besonderer Bürgernähe präsentierte. Sein Erfolg erklärt sich durch diese Gründe in Kombination miteinander.

Das aufkommende Bild von einem amerikanischen Traum wird indessen getrübt, blickt man auf den ihm unterstellten Antisemitismus aufgrund seiner israelfeindlichen Positionen. Derartige Behauptungen kursierten nicht nur bei den Konkurrenten, auch in deutschsprachigen Medien erfolgten einschlägige Zuordnungen. Angesichts der öffentlichen Erklärung zahlreicher Rabbiner, die eine Gefahr in Mamdani für jüdische Mitbürger sehen, ist von einer Relevanz für einschlägige Zuordnungen auszugehen. Doch wie angemessen sind derartige Aussagen? Die folgenden Erörterungen wollen auf diese Frage antworten. Dabei bedient sich der Autor einer idealtypische Differenzierung von Einstellungen, die erstens eine differenzierte Kritik, die nicht-antisemitisch grundiert ist, zweitens eine undifferenzierte Kritik, die ebenfalls nicht antisemitisch ist, und drittens eine pauschalisierende Kritik, die sehr wohl antisemitisch orientiert ist, unterscheidet. Es geht bei der Abhandlung demnach um die Einordnung von Mamdani zu einem der drei genannten Typen.

Am Beginn steht der Hinweis auf einen familiären Kontext, der aber auch für die Einordnung seiner Positionen von Relevanz ist. Er entstammt einem formal hoch gebildeten Elternhaus, insbesondere bezogen auf den Vater, der eine Professur an einer Universität innehat: Mahmood Mamdani lehrt postkoloniale Studien. Breite Auffassung in dieser Richtung ist die These, dass Israel eine moderne Kolonialmacht sei. Damit einher geht häufig eine pauschale Abwertung, die indessen keine antisemitische Grundlage haben muss, gleichwohl haben kann. Mamdani wuchs in dem davon geprägten Milieu auf und nahm deren Negativbilder gegenüber dem jüdischen Staat an. Dies machen seine Ausführungen zu Israel und dem Palästina-Konflikt deutlich. Auch begann sein frühes Engagement zu diesem politischen Thema, etwa als Aktivist der Gruppierung „Students for Justice in Palestine“, die auch die BDS-Bewegung unterstützt und gegenüber der Hamas relativierende unkritische Kommentare veröffentlichte.

Eine gegenüber BDS positive Einstellung hatte auch Mamdani gelegentlich öffentlich kommuniziert. Dabei muss aber bezüglich dem internationalen Agieren von BDS darauf verwiesen werden, dass sich in den jeweiligen Ländern auch inhaltliche Unterschiede ergeben. Eine oberflächliche Betrachtung der Gruppierung, die sich als gewaltfreie Boykottbewegung gibt, lässt häufig die problematischen Kontexte etwa auch zu islamistischen Strukturen nicht einfach erkennen. Der einschlägigen Debatte darüber fehlen nicht nur in Deutschland häufig Differenzierungsvermögen und Sachkenntnis. Bezogen auf das Agieren von Mamdani in derartigen Milieus lassen sich einschlägige Sensibilitäten und Unterscheidungen nicht erkennen. Er sprach auch für die Gegenwart bezogen auf Israels militärischem Vorgehen von einem Völkermord. Rein formal trifft diese Bezeichnung nicht zu, stellt sie doch auf eine belegbare gewollte Vernichtung ab. Gleichwohl muss eine derartige Auffassung nicht eine antisemitische Grundierung aufweisen.

Blickt man nun auf seine Einstellung gegenüber den Juden in New York, entsteht ein anderes Bild von dem Politiker und seinen Positionierungen. Dabei darf ein wichtiger Gesichtspunkt für diese Stadt nicht ignoriert werden, stellen doch Juden ebendort eine bedeutende Wählergruppe dar. Blickt man auf die einschlägigen Befragungen, so ergab sich ein unterschiedliches Bild: Demnach wollten den israelfreundlichen Cuomo 42 Prozent wählen, während Mamdani 38 Prozent wählen würden. Die letztgenannte Angabe spricht nicht für eine ausgeprägte jüdische Angst vor dem Politiker. Zwei Drittel der jüngeren Juden wollten darüber hinaus Mamdani wählen. Diese Daten entsprechen auch den sonstigen Einstellungen von jüdischen US-Amerikanern, die nach Altersgruppen mal mehr und mal weniger der Kriegsführung der Netanjahu-Regierung zustimmen. Es geht demnach bei der Einschätzung von Mamdani offensichtlich nicht primär darum, wie er zu den amerikanischen Juden, sondern wie er zur israelischen Politik steht.

Gleichwohl hatten sich über sechshundert Rabbiner in einem öffentlichen Statement gegen ihn ausgesprochen. Er sei eine Gefahr für die jüdische Gemeinschaft, wie die Erklärung in ihrem Kern betont. Dabei bleibt indessen das für die angesprochene Bedrohung gemeinte Moment unklar, müsste es doch konkrete Drohungen von Mamdani gegeben haben. Dies ist erkennbar nicht der Fall. Möglicherweise wird er mit einer ansteigenden israelfeindlichen Einstellung als Person identifiziert, die wiederum in der Gesellschaft einschlägige Stimmungen befördern könnte. Indessen bewegen sich derartige Annahmen im Kontext von eher diffusen Vermutungen. Zum Antisemitismus nahm ansonsten Mamdani erst spät Stellung, erkennbar in auffälliger Nähe zur anstehenden Wahl. So schaltete er jüngst ganzseitige Anzeigen in jiddischer Sprache, auch wurden orthodoxe Gemeinschaften auf Social Media angesprochen. Der Antisemitismus müsse nach Mamdani als Plage ausgerottet, einschlägige finanzielle Mittel dafür sollten um 800 Prozent erhöht werden.

Derartige Aussagen sprechen nicht für eine judenfeindliche Einstellung. Es gibt darüber hinaus eine wachsende Anzahl von jüdischen Unterstützern, welche sich damit auch gegen die Aussage des erwähnten Rabbiner-Statements stellen. Aus orthodoxen Gemeinschaften heraus lässt sich ebenfalls eine solche Umorientierung konstatieren. Demgegenüber stehen die Bekundungen zum Nahost-Konflikt, die wenig Sensibilität für israelische Sicherheitsinteressen zu erkennen geben. Mitunter werden auch bestimmte Aussagen unreflektiert reproduziert, ohne deren Doppeldeutigkeit zu problematisieren. So dauerte die Distanzierung gegenüber einer „Intifada“ bei Mamdani schon etwas länger. Mitunter wird darunter ein Aufstand als Protestform verstanden, mitunter gilt das Bekenntnis dazu als Gewaltaufruf. Möglicherweise gelingt es seinen jüdischen Anhängern, Mamdani hier sensibler zu machen. Aktuell würde er daher in der Gesamtschau dem zweiten Typ zugeordnet, also einer gegenüber Israel undifferenzierten Kritik ohne antisemitische Prägung.