„An die Deutschen“

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1946 erschien in Paris ein Gedichtband einer Schoah-Überlebenden, die sich in deutscher Sprache direkt an die Täter wandte. „An die Deutschen“ gerichtet, sind darin Gedichte von Verzweiflung, Wut und dem Wunsch auf Rache nach den nationalsozialistischen Massakern und dem millionenfachen Mord am jüdischen Volk versammelt. Gedichte, die auch von der Liebe zur deutschen Sprache zeugen, zur Sprache Goethes und Heines. Die Autorin nannte sich Julia Renner. Der Band wurde im Nachkriegsdeutschland nicht wahrgenommen und geriet in Vergessenheit.

Es ist Andreas F. Kelletat zu verdanken, diese Worte wiederentdeckt zu haben, die nun im persona verlag (Mannheim) von Lisette Buchholz erscheinen konnten, ein Verlag, der es sich zur Aufgabe gemacht, solche vergessenen Schätze wieder an die Öffentlichkeit zu bringen. Das Nachwort von Kelletat bringt den Lesern die Biografie der Verfasserin näher. Hinter dem Pseudonym verbirgt sich Juliette Pary, die 1903 als Julia Gourfinkel in Odessa geboren wurde. 1925 ging sie nach Paris, schrieb Reportagen über soziale Themen und zwei Romane, arbeitete als Übersetzerin für Literatur aus dem Englischen, Russischen, Deutschen sowie Jiddischen ins Französische. Sie begeisterte sich auch für den Zionismus. 1940 floh sie mit ihrem Mann Isaac Pougatch aus Paris in die unbesetzte Zone Frankreichs, 1942 weiter in die Schweiz. Ihr Gedichtband „An die Deutschen“ entstand 1944, noch bevor die Schoah eine Bezeichnung hatte, noch bevor Auschwitz als Begriff des Massenmordes bekannt wurde. Juliette Pary starb 1950 in Vevey.

Parys Worte an die Deutschen wurden sicher nicht gerne gehört. Die Rache eines ganzen Volkes steht dahinter, Pary verstand ihre Dichtung als Teil des jüdischen Widerstands:

„ICH BIN eine rächende Judenstimm,
Die aus Euerem Mord erstehet.
Und ich spreche zu Euch in Eurem Deutsch,
Damit Ihr mich gut verstehet.“

„In An die Deutschen spricht keine assimilierte deutsche Jüdin“, so Andreas F. Kelletat in seinem Nachwort. „Es ist die Stimme einer nach Frankreich emigrierten osteuropäischen, russischen Jüdin, die – wie so viele Juden im östlichen Europa – mit einer heute erstaunlichen Bewunderung für die deutsche Literatur groß geworden ist.“

Gut, dass die Stimme nun gehört wird! Ein Dank an Andreas F. Kelletat, dass er uns nicht nur diese Gedichte, sondern auch die Biografie ihrer Verfasserin vermittelt.

Juliette Pary, An die Deutschen. Gedichte. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Andreas F. Kelletat, persona verlag, Mannheim 2025, 136 S., Euro 18,00, Bestellen?