Zahlreiche Funktionäre der Falken protestieren gegen den Ausschluss israelischer Partnerorganisationen
Von Roland Kaufhold
Früher galt für die SPD-nahe sozialistische Jugendorganisation Die Falken Solidarität mit Juden und Israel als eine selbstverständliche Grundhaltung und gelebte Praxis. Dieses Engagement ist tief in die linke Geschichte der Sozialreformen eingebunden.
Seit dem 7. Oktober 2023 ist alles anders.
Im Kontext der internationalen Begegnungen der Falken-Internationale (IFM-SEI) haben sich über Generationen zahlreiche Engagierte aus Deutschland an internationalen Treffen auch mit israelischen sozialistischen Jugendorganisationen beteiligt. Nun wurden von den Falken in einem beispiellosen Akt der historischen Unkenntnis die letzten beiden israelischen Mitgliedsorganisationen, die HaShomer Hatzair und dieHaNoar HaOved VeHaLomed, aus ihrem internationalen Verband ausgeschlossen.
Hiergegen begehren nun zahlreiche aktive Mitglieder und langjährige international Engagierte der Falken auf. Intern, aber auch öffentlich.
Einer von ihnen, ein aktiver Gewerkschafter, schrieb haGalil:
„Wer sich für Frieden, Verständigung und Solidarität einsetzt, darf nicht die vor die Tür setzen, die es in ihrem Land ebenfalls tun. Wenn aber eine internationale Organisation mit diesem Anspruch dies macht, dann ist der Sinn und die Mitgliedschaft in dieser Organisation zu hinterfragen. Enttäuschend ist es, wenn der eigene Verband das anscheinend so hinnimmt und es gerade eigentlich Personen, die ja überall immer sagen, wie sich für Frieden, Verständigung und Solidarität einsetzen.“
Und der Gewerkschaftsfunktionär fügt hinzu:
„Zur Erinnerung, am 7. Oktober 2023 waren unter den Ermordeten, Verletzten, Angegriffenen Bewohner*innen der grenznahen Kibbuzim Nirim, Nir Oz, Be’eri, Kissufim, Urim, Kerem Shalom, Nahal Oz, Erez und Zikim. Die Kibbuzim wurden zum Teil von größtem Teil von Mitgliedern der HaShomer Hatzair und HaNoar HaOved VeHaLomed gegründet und immer noch bewohnt. Diese Organisationen sind immer noch Teil der israelischen Arbeiter*innenbewegung, und Teil und Träger der israelischen Demokratie- und Friedensbewegung. Wer deshalb diese Organisationen ausschließt, fällt diesen in den Rücken.“
Im Jahr 2013 dokumentierten die Falken noch ihre doppelte Solidarität mit israelischen und palästinensischen Genoss*innen. Und noch im November 2023 fand in der Kölner Synagoge eine gut besuchte Veranstaltung von jungen Falken-Engagierten mit der vor allem in Berlin ansässigen Gruppe der hiesigen Hashomer Hatzair statt.
Wir dokumentieren deshalb auf haGalil die Stellungnahme zahlreicher Falken-Funktionäre, die uns zur Kenntnis gebracht wurde. Sie ist mit Nicht in unserem Namen! – Solidarität mit unseren israelischen Genoss*innen! überschrieben:
„Nicht in unserem Namen! – Solidarität mit unseren israelischen Genoss*innen!
Stellungnahme ehemaliger Funktionär*innen der SJD – Die Falken* zum Ausschluss von Hashomer Hatzair und HaNoar HaOved VeHaLomed aus der IFM-SEI.
Wir verurteilen den Ausschluss unserer Schwesterorganisationen Hashomer Hatzair und HaNoar HaOved VeHaLomed aus unserem internationalen Dachverband und wir verurteilen das Verhalten des Bundesverbandes der SJD – Die Falken. Anstatt unseren israelischen Schwesterorganisationen nach dem 07. Oktober beizustehen und sie in ihrer Arbeit mit den vertriebenen Israelis, mit den hinterbliebenen Überlebenden und mit den traumatisierten Kindern und Jugendlichen zu unterstützen, wurden Hashomer Hatzair und die NOAL aus der IFM-SEI geschmissen. Es ist ein fatales Signal an unsere Genoss*innen vor Ort, an die israelische Linke und an alle, die sich in den letzten Jahrzehnten und gerade in diesen Tagen, unter den schwierigsten Bedingungen für Frieden und Völkerverständigung im Nahen Osten einsetzen und eingesetzt haben.
Wir sind enttäuscht und erschüttert, dass die Delegierten der Falken auf der IFM-Versammlung sich nicht klar und offensiv gegen den Ausschluss positioniert haben. Das Schweigen unseres Verbandes zum Ausschluss ist schmerzhaft und unverständlich. Die Grundlage unserer jahrzehntelangen internationalen Zusammenarbeit mit unseren Schwesterorganisationen gerät durch diese Situation ins Wanken. Niemals hätten wir uns vorstellen können, dass unser Verband, dass die Sozialistische Jugend Deutschlands das schweigend hinnehmen würde!
Die Begründung für den Ausschluss ist fadenscheinig, heuchlerisch und folgt einer zutiefst antisemitischen Erzählung. Vorgebracht von einer Organisation, der Independence Youth Union (IYU), die den Friedensprozess seit langem verlassen hat und deren Funktionär*innen die terroristischen Attacken des 7. Oktober 2023, auch auf Mitglieder unserer Schwesterorganisationen, gefeiert haben. Unterstützt von Organisationen, die seit langem einseitig gerade die verurteilen, die überhaupt nichts für die Politik ihrer Regierung können.
Hashomer Hatzair und NOAL treten mit ihrer Arbeit, mit ihren Bildungszentren für friedliche Koexistenz ein. Ihre Kibbuzim reichten jahrzehntelang den Menschen in Gaza die Hand. Unsere Genoss*innen kämpfen tagtäglich In Israel, auf der Straße, in der Zivilgesellschaft gegen die rechtsradikale israelische Regierung, sie engagieren sich in humanitären Hilfsprojekten für Palästinenser*innen, arbeiten mit arabischen Israelis zusammen und wollen den Glauben an Frieden trotz alledem nicht aufgeben. Für die IFM und die Delegation der Falken auf dem Kongress hat das nicht gereicht. Es war ihnen wichtiger, die israelischen Schwesterorganisationen zu dämonisieren und die Tür vor ihnen zuzuschlagen.
Wir müssen unsere Genoss*innen der Hashomer und der NOAL unterstützen, einbinden und nicht ausschließen und weiter isolieren! Dieser gefasste Beschluss ist falsch und hilft niemandem!
Wir fordern alle Falkengliederungen auf, die internationale Zusammenarbeit mit unseren israelischen Partner*innen weiterzuführen, bzw. neu aufleben zu lassen. Besucht die Kibbuzim, besucht die Kommunas der NOAL und von Hashomer. Lasst unsere Genoss*innen nicht allein! Gegen ihre Hetze hilft unsere Solidarität!
Nie wieder ist Jetzt!
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*Wir sind eine Gruppe ehemaliger Funktionär*innen der SJD – Die Falken. Viele von uns haben viele Jahre lang internationale Jugendbegegnungen mit Israel und Palästina organisiert. Wir teilen die Überzeugung, dass der Ausschluss unserer Partner*innen ein fatales Signal ist. Unter uns sind ehemalige Bundesvorsitzende, ehemalige Mitglieder des Bundesvorstandes, ehemalige Landes- und Bezirksvorsitzende, ehemalige Mitglieder von Landes- und Bezirksvorständen und ehemalige Bezirks-, Landes,- und Bundessekretär*innen. Aus Angst vor verbalen, aber auch physischen Übergriffen, wie sie leider in dieser Zeit in Deutschland, auch in der Linken gegen Menschen, die sich nicht einseitig antizionistisch positionieren, üblich sind, möchten wir unsere Namen nicht nennen. Die Namen der Verfasser*innen und Unterstützer*innen sind dem Bundesvorstand bekannt.“
Auch Aktion Sühnezeichen hat seine Solidarität mit den beiden ausgeschlossenen Jugendgruppen bezeugt:
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Zur besseren Einordnung:
https://www.wir-falken.de/de/news/IFM-Auschluss-Hashomer-NOAL
Als engagierter „Nutzniesser“ von Schulungen prominenter Falken-Mitglieder in den 1970er Jahren
und späterer Beobachter muss ich leider über durchaus „ambivalente“ Haltungen auch bei den Falken in Ba-Wü berichten, teils eindeutig pro-arabisch/pro-terroristisch, teils kaschiert antizionistisch, teils grob anti-israelisch, teils kaschiert mit einer malevolenten Rhetorik von „Frieden“, „Humanität“ und „Freiheit“.
Noch dieser Tage findet man auf lokalen Webseiten Falken-naher Initiativen bzw. Orgas übelste Rufmord-Reden gegen Israel, z.B. formuliert vom berüchtigten Bischof Tutu aus Südafrika. Als ich mich mit nachgelassenen Protokollen, Artikeln und Reden des legendären Fritz Lamm befasst habe, fiel mir immer wieder auf, wie durchgängig selbst dieser verfolgte jüdische „Re-Migrant“ das Thema Israel und die deutsche Animosität vieler Genoss:innen ausgeklammert hat. – Ausser einer Minderheit sog. Anti-Linker hat es weder im kommunistischen noch im sozialdemokratischen (und dann im grünen) Milieu Lernprozesse gegeben, die sich von den ahistorischen Bezichtigungen („Judenkapitalisten“ usw.) befreit hätten. Somit trafen die grossenteils moralisierenden Reaktionen der Linken seit Jahrzehnten und vehement nach dem 7. Okt. 2023 durchaus das, was (nach 9/11 und 2015) zu befürchten war, wie folgenden pers. Lese-Notizen entnommen werden kann. Man achte u. a. auf diese Autorinnen: Gremliza + Grigat + Haury + Herf + Keßler + Kistenmacher + Schatz + Scheit + Schwanitz + Waibel + Wistrich + Woeldike.
Rosa Luxemburg wurde zwar überaus oft und gern besungen. Ihre Warnungen vor linkem Antisemitismus wurden in Falken- und SPD-Kreisen lieber negiert.
Dt. Linke – Teil 1
https://docs.google.com/document/d/1dOJzPY_XYPBQoifHFRt1FMu9vMxkrmzm8zAakZwHiPs/edit
Dt. Linke – Teil 2
https://docs.google.com/document/d/1pLiLEIYgK8f-25mDGdqfF_SZgum1RTvYHne6uFVI-C4/edit
DDR-Kapitel
https://docs.google.com/document/d/12oytdg50-ApdULVx85FHTcEoLLZ26Bw2AJPYUACncPs/edit
Liebe Redaktion von HaGalil,
danke für diesen Artikel. Ich bin entsetzt und enttäuscht über diesen Rauswurf. Ich war früher selbst bei deutsch israelischen und internationalen Begegnungen der Falken und der Gewerkschaftsjugend dabei, kein Mitglied, aber meine Mutter ist SPD-Mitglied seit eh und je …
Die Entwicklung der zunehmenden internationalen Isolation Israels nach dem 7. Oktober verfolge ich mit großer Sorge. Ich finde den Artikel wichtig und teile die Empörung über den Ausschluss der israelischen (letzten) linken zionistischen blauhemdtragenden Jugendbewegungen aus dem internationalen Dachverband. Was da von Seiten der IFM und einiger ihrer Mitgliedsorganisationen passiert ist, macht mich wirklich fassungslos.
Ich komme aber zu einem etwas differenzierteren Schluss als der Artikel. Der Ausschluss von NOAL und dem HaShomer wurde wohl von einer Mehrheit innerhalb dieses internationalen Dachverbandes (insgesamt laut Website ca. 50 Organisationen) vorangetrieben und nicht auf Initiative der SJD aus Deutschland.
Ich habe das veröffentlichte Statement vor allem auf Instagram gesehen und die hitzigen, teilweise schwer nachvollziehbaren Kommentare in einer SPD-Gruppe verfolgt, wo darüber diskutiert wurde. Daraus ergibt sich für mich folgender vorsichtiger Eindruck: Der Bundesverband der Falken war nicht treibende Kraft hinter dem Ausschlussverfahren. Sie hatten keine Mehrheit und haben wohl versucht, über Mitarbeit in einem Ausschuss gegenzusteuern. Zur Abstimmung über den Ausschluss auf dem Kongress haben die Falken und die arabisch-israelische Organisation Ajial den Raum verlassen, um die Abstimmung zu verhindern, genau dieses Verhalten wird im Statement heftig kritisiert. Von den jungen Falken wird es als Versuch beschrieben, ein Zeichen des Protests zu setzen oder die Abstimmung zu blockieren. Andere wiederum kritisieren, dass das Verlassen des Raums eben kein klares Nein ist, sondern ein Sichentziehen der Verantwortung. Vor der Abstimmung wurde wohl auch eine Erklärung vorgelesen, dass die Falken weiterhin eng mit HaShomer und NOAL zusammenarbeiten möchten.
Ich finde Kritik an dem, was passiert hier international passiert ist, ist unbedingt angebracht und danke, dass HaGalil das so klar benennt. Aber man sollte bei aller berechtigten Empörung die Rolle des Bundesverbands der Falken differenzierter betrachten, als es im Artikel dargestellt wird, das sind junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren. Das veröffentlichte Statement der „Alten Garde“ ist wichtig, das ihr auch abdruckt, aber bleibt an einigen Stellen sehr vage.
Viele Grüße
Miriam
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