„Die Realität der Apartheid“

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ÖRK-Hauptsitz, Foto: MHM55 / CC BY-SA 4.0

Begibt sich der Weltkirchenrat auf BDS-Niveau (1)?

Von Martin Klein

Der Weltkirchenrat —auch ökumenischer Rat der Kirchen, ÖKR— ist ein Zusammenschluss von 365 Kirchen in 120 Ländern, die ungefähr 580 Millionen Christen vertreten. Es ist also nicht irgendeine belanglose Vereinigung.

In einer Ende Juni 2025 verabschiedeten Erklärung veröffentlichte der Zentralausschuss des ÖKR einen Aufruf zur Beendigung von „Apartheid, Besatzung und Straflosigkeit in Palästina und Israel(2).

In dieser bekundete er seine tiefe Trauer und Empörung über die Eskalation der Krise in Palästina und Israel, die in eklatanter Weise gegen das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte sowie gegen die grundlegendsten Prinzipien der Moral verstoße.

Der Rat sei entschieden gegen Rassismus, einschließlich Antisemitismus, antiarabischem Rassismus und Islamfeindlichkeit. Das unerträgliche Leid und die eskalierende Gewalt gegen die Menschen in Gaza und im Westjordanland zwinge die weltweite Gemeinschaft der Kirchen, sich für die Grundsätze der Gerechtigkeit und Ethik auszusprechen. Die Militärkampagne Israels habe zu schweren Verstößen gegen die Vierte Genfer Konvention geführt, die „Völkermord darstellen könnten“. Die Realität der Apartheid, die Israel dem palästinensischen Volk auferlege, müsse beim Namen genannt werden; Sanktionen, Desinvestitionen und ein Waffenembargo gegen Israel seien zwingend; man verteidige die unveräußerlichen Menschenrechte der Palästinenserinnen und Palästinenser auf Freiheit, Gerechtigkeit, Rückkehr und Selbstbestimmung und fordere das Ende der Besetzung und die Aufhebung der rechtswidrigen Blockade des Gazastreifens.

Diese Erklärung könnten offensichtlich auch die Israel-Boykott-Bewegung BDS oder die Hamas verfasst haben, allerdings hatten die Autoren wohl einen Rest von Skrupel und beließen den angeblichen Völkermord im Konjunktiv.

Aber: Mit keinem Wort erwähnten sie das sadistisch-faschistoide Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 und das andauernde schreckliche Schicksal der israelischen Geiseln. Von ihrer Realität und ihren unveräußerlichen Menschenrechten war keine Rede; ihre unverzügliche und bedingungslose Freilassung wurde mit keinem Wort gefordert!

Aber das kann man wohl auch nicht von einer Organisation erwarten, zu deren führenden Mitgliedern auch der Patriarch von Moskau und der gesamten Rus, gleichzeitig Vorsteher der russisch-orthodoxen Kirche, Kyrill I. gehört, der den russischen Krieg gegen die Ukraine als einen metaphysischen Kampf des Guten (Russland) gegen das Böse (Ukraine) bezeichnete (3).

Der ÖKR-Vorsitzende Heinrich Bedford-Strohm betonte zwar, dass er persönlich nicht von Apartheid sprechen wolle. Indem er allerdings befand, dass Jüdinnen und Juden in aller Welt aufgrund der israelischen Kriegführung antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt seien, bediente er ein altes antisemitisches Klischee: Die Juden selbst sind die Verursacher von Judenhass.

Hätten etwa die Israelis besser alle Waffen niederlegen und sich mit einem Beschwerdebrief an die Vereinten Nationen begnügen sollen, statt sich der Hamas zu erwehren, um die weitere Verbreitung von Antisemitismus zu vermeiden?

Schon am 12. Oktober 2023, also 5 Tage nach der Ermordung (und vor dem israelischen Einsatz von Bodentruppen) von etwa 1200 Menschen einschließlich mindestens 36 Kindern sowie der Verschleppung von etwa 250 Personen — darunter etwa 30 Kindern — als Geiseln, sowie sadistischer Folter — auch an Kindern — wie Verbrennung bei lebendigem Leib, Gruppenvergewaltigung einschließlich sexueller Folter und Verstümmelungen, fiel dem Weltkirchenrat lediglich ein, „alle beteiligten Parteien“ zur sofortigen Beendigung der Gewalt aufzurufen. Es gelte, „in einen aufrichtigen Dialog einzutreten und nach dauerhaften Lösungen zu suchen, die Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung für die Menschen in diesem Land fördern, die schon viel zu lange die Last des Konflikts ertragen haben“ (4).

Es fehlte nur noch die Ergänzung: Bisher ist ja noch nicht viel passiert. Falls noch nicht geschehen, sollte die Hamas sich beim Weltkirchenrat bedanken und ein Freudenfest feiern.

Anmerkungen:

  1. Boycott, Divestment and Sanctions (englisch für „Boykott, Desinvestition und Sanktionen“; kurz BDS) ist eine politische Kampagne, die den Staat Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch isolieren und die „Okkupation und Kolonisierung“ aller arabischen Länder“ beenden will.
  2. https://www.oikoumene.org/de/resources/documents/statement-on-palestine-and-israel-a-call-to-end-apartheid-occupation-and-impunity-in-palestine-and-israel
  3. https://www.fr.de/politik/ukraine-krieg-russland-angriff-kirchenoberhaupt-moskau-rechtfertigt-invasion-homophobie-91391969.html
  4. https://www.hagalil.com/2023/10/hauptsache-ausgeglichen

1 Kommentar

  1. Fragezeichen m.E. leider fehl am Platz
    Anmerke: Das endlose Kapitel über die christlichen Schandtaten gegen jüdisches Leben
    https://docs.google.com/document/d/1ZpNOUnKfKkRAMDOohze_3K8VGfV4VBItI6dGnkIm4fo/edit
    enthält viele wichtige und aufschlussreiche Beiträge von KH Deschner. – Seltsam dass selbst dieser eifrige Chronist sich auf die Seite der Israel-Verleumder schlug. – Der Verzicht auf das Wohlgefühl beim Heulen im Rudel scheint die meisten Charaktere zu überfordern
    Eine begrüssenswerte Antwort zur chrislamistischen ÖRK-Propaganda hat Josias Terschüren verfasst:
    https://www.juedische-allgemeine.de/meinung/die-kirche-schafft-sich-ab/

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