„Schützt den Geist der Synagoge Stommeln!“

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© Superbass / CC-BY-SA-3.0 (via Wikimedia Commons)

In Stommeln, einem Stadtteil von Pulheim im Rhein-Erft-Kreis in Nordrhein-Westfalen, gibt es eine kleine Synagoge. Das nur 43 m² große Gebäude wurde 1882 für die zu dieser Zeit knapp 80 Personen zählende Gemeinde eingeweiht. Ab Mitte der 1920er Jahre gab es keine Gottesdienste mehr in Stommeln, die allermeisten Juden waren weggezogen. Das Gebäude wurde verkauft und überstand so die Zeit des Nationalsozialismus.

Die Gemeinde Pulheim kaufte das Gebäude 1979, renovierte es sorgfältig und übergab es der Öffentlichkeit für kulturelle und künstlerische Nutzung. Die Synagoge Stommeln wurde im Laufe der Jahre zu einem Kleinod großer Kunst, wo seit 1990 international bekannte und geschätzte Künstlerinnen und Künstler Projekte verwirklichten. Bis 2019.

Nach der Corona-Pause dauerte es bis zum Sommer 2025 bis wiederum ein Künstler dort ein Projekt verwirklichte. Aktuell ist dort Olaf Nicolais „Ein ungedeuteter Traum ist wie ein ungelesener Brief“ zu sehen bzw. hören. Über die Performance-Kunst scheiden sich die Geister. Während in der FAZ von einer „poetischen Performance-Reihe“ geschwärmt wurde, spricht die „Initiative zur Wiederbelebung des Kunstprojekts Synagoge Stommeln“ von einer „schockierenden Performance“, die „die Grenzen des Respekts“ überschreite.

Olaf Nicolai hat für die Synagoge „eine ortsspezifische Performance entwickelt, die von einem Zitat aus dem Talmud inspiriert ist – Ein ungedeuteter Traum ist wie ein ungelesener Brief (Berachot 55a)“, heißt es zum Projekt, das die Bedeutung der Kommunikation reflektiert. Bis September performen Sänger und Sängerinnen zehn audio-visuelle Interventionen „im Zusammenspiel mit Brieftauben und führen auf poetische Weise vor, was es bedeutet, einen Brief zu lesen.“ Das hört sich wunderbar an und Olaf Nicolai hatte bestimmt auch keinerlei ungute Absichten. Das Ergebnis ist trotzdem ein anderes. Einen eigenen Eindruck kann man sich auf der eigens eingerichteten Webseite der Initiative machen.

Zu hören sind animalische Geräusche und Jammern, die vorsichtig gesagt sehr unangenehme Assoziationen freisetzen. Assoziationen von Verfolgung, von Pogrom. Von finsteren Zeiten. Das hören jüdische Ohren. Auch wenn es nicht beabsichtigt war, das sind die Assoziationen, die bei der Performance aufkommen. Denn immerhin befindet man sich ja in einer ehemaligen Synagoge, in einem jüdischen Kontext. Aber darauf möchte scheinbar niemand Rücksicht nehmen in Pulheim. Gesprächsangebote wurden zumindest bisher nicht angenommen. 

Es bleibt ein sehr unangenehmer Nachgeschmack. Jüdisches Erbe gerne nutzen, aber Kritik von Jüdinnen und Juden will man nicht hören? Störende Befindlichkeiten? Wir hatten gehofft, dass man 2025 weiter ist. Schade um diesen so einzigartigen Ort der Kunst und Kultur. (al)

Weitere Informationen:

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