Der Johanna und Eduard Arnhold Platz

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Foto: C. Wollmann-Fiedler

Ein ehemaliges Villenviertel am Tiergarten in Berlin, eine der feinsten Bebauungen und schönsten Architekturen in Deutschland, wurde im Jahr 1938 bereits von den Hitlerideologen platt gemacht, um den größenwahnsinnigen Nazis für die „Welthauptstadt Germania“ Platz zu schaffen. Die Villen wurden enteignet oder „arisiert“, die jüdischen Besitzer konnten Deutschland verlassen oder wurden in den KZs ermordet. Die Bomben des 2. Weltkriegs gaben dem Viertel den Rest. Die einst hoch angesehene Weltstadt Berlin gab es nicht mehr und das herrschaftliche Tiergartenviertel verschwand für immer.

Von Christel Wollmann-Fiedler

„Nichts, aber auch gar nichts erinnert an die noblem Häuser von namhaften Architekten wie Ludwig Persius, Friedrich Hitzig und Friedrich August Stüler erbaut, waren bewohnt von Industriellen, Professoren, Geheimräten, Kunsthändlern und –Sammlern, Galeristen, Verlegern, Schriftstellern und Künstlern. Hier war nach dem Bebauungsplan von Peter Joseph Lenné, das neue sogenannte „Geheimratsviertel“ entstanden, das der Stadthistoriker Fred Riedel als „eine Insel der Künste, der Wissenschaft, des Wohlstands und der Kultiviertheit“ bezeichnete. Die Prominenz, die dort residierte, war legendär“. (Die verschwundene Stadt im Tiergartenviertel von Brigitte Landes)

Auch Theodor Fontane, der berühmte märkische Dichter war Nachbar, wohnte bis an sein Lebensende mit seiner Frau Emilie geb. Labry in der Potsdamer Straße.

Später, nach dem 2. Weltkrieg hörte hier der westliche Teil der viergeteilten Stadt Berlin auf. Die Mauer der Teilung, der sog. Todesstreifen, lief ganz in der Nähe vorbei. Auf dieser Brache stand nach dem verheerenden Krieg halb zerbombt die St. Matthäuskirche von Friedrich August Stüler, einem „Architekten des Königs“, aus dem Jahr 1841, die 1960 im schmucklosen einfachen Stil von den Architekten Jürgen und Paul Emmerich wieder aufgebaut wurde.

Der Architekt Hans Scharoun plante eine landschaftliche Stadtvision und baute 1963 die inzwischen weltbekannte Berliner Philharmonie am Kemperplatz (heutige Anschrift Herbert-von-Karajan-Straße) kurz vor der Berliner Mauer, die Staatsbibliothek West entstand von ihm gegenüber, doch erst nach seinem Tod im  Jahr 1978 wurde der Bau eröffnet. Mies van der Rohes moderne Nationalgalerie wird kurz nach dessen Tod im Jahr 1968 eröffnet. Das sogenannte Kulturforum  mit diversen Museen wurde peu à peu mit der großen ansteigenden Piazetta fertiggebaut. Ein neues kulturelles Zentrum entstand in West-Berlin, die alten Museen auf der berühmten Museumsinsel lagen in Ost-Berlin, der DDR.

Der Industrielle, Kunstmäzen und Kunstsammler Eduard Arnhold zog mit seiner Frau  Johanna in die Regentenstrasse 19. 1998 wurde auf dem Grundstück die Gemäldegalerie am Kulturforum gebaut. Als wohlhabender jüdischer Bürger pflegte Arnhold das Mäzenatentum im Kunst- und Kulturbereich, war als Spender in der Kaiserzeit und Weimarer Republik auch in das soziale Leben Berlins eingebunden, seine Kaisertreue war selbstverständlich. Bis nach New York reichte sein Mäzenatentum.

Foto: C. Wollmann-Fiedler

1849 wird Eduard Arnhold in eine jüdische Arztfamilie in Dessau geboren. Nach der Schulzeit folgt der Militärdienst. Danach geht er nach Berlin und beginnt bei Wollheim, der Kohlefirma, als Lehrling zu arbeiten

Zum „Kohlekönig“ wird Eduard Arnhold später. Bereits als junger Mann wird er Prokurist, nicht lange danach Teilhaber, später Alleininhaber der Firma Caesar Wollheim. Sein Aufstieg war rasant. Viele andere Positionen in der Kaiserzeit und der Weimarer Republik folgten u.a. in der Politik und Wissenschaft Der drittreichste Bürger wird er vor dem 1. Weltkrieg in Berlin. Emil und Walter Rathenau und andere Persönlichkeiten werden seine Freunde.

Johanna Arnthal aus Hamburg heiratete er. Kunstsammler und Kunstförderer waren beide. Die Kunstgalerie der Arnholds entstand und nach Jahren hatten sie eine der größten und wertvollsten Kunstsammlung in Deutschland. Moderne Kunst der damaligen Zeit sammelten sie. Französische Impressionisten schätzte das Ehepaar sehr. Johanna Arnhold wird Vorstand im „Verein der Künstlerinnen und Kunstfreundinnen“ zu Berlin. Julie Wolfthorn und Käthe Kollwitz gehören bald in die Sammlung. Julie Wolfthorn aus Thorn in Westpreußen starb an Krankheit und Unterernährung 1944 Im Konzentrationslager Theresienstadt. Arnhold schenkte Berliner Museen von ihm erworbene Kunstwerke von unschätzbarem Wert.

Am Großen Wannsee kauften die Arnholds eine herrschaftliche Villa. Max Liebermann, der Nachbar, der Maler und Gründer der Sezession malte 1911 den Garten. Im Hintergrund des Gemäldes sind die weißen Segelschiffe auf dem Wannsee zu sehen. Auch das Gutshaus „Hirschfelde“ bei Werneuchen und das „Johannaheim“, ein Heim für mittellose Frauen, um diesen Frauen Lebenschancen zu geben, wurden von den Arnholds auf dem Barnim errichtet.

Das Grab der Arnolds am Friedhof Wannsee, Foto: C. Wollmann-Fiedler

Georg Liebermann, der Bruder von Max Liebermann, kaufte im Jahr 1910 in diesem Quartier in der Tiergartenstraße 4 eine dieser feinen Villen. 1939 zogen Massenmörder der nationalsozialistischen Regierung ein. Die Zentrale zur Durchführung des Euthanasie-Mordprogramms Aktion T4 bezog Anfang April 1940 die Villa. 1944 wurde das Anwesen bombardiert und die Tötungskompanie zog weiter in die Nähe von Linz in Oberösterreich, wo behinderte und psychisch kranke Menschen vergast wurden.

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hatte zum Kulturforum in Berlin Tiergarten am 8. November 2024 Nahe der Philharmonie eingeladen. Zu einer Feierstunde für den bekannten Kunstmäzen Eduard Arnhold und seiner Gattin Johanna soll der no name große freie Platz, die Piazetta, umgetauft werden und den Namen des Ehepaares Arnhold bekommen. Endlich, nach sehr vielen Jahren wird es Wirklichkeit. Der Urgroßneffe der Familie Arnhold Dr. Peter von Becker hat ein Jahrzehnt vehement mit dem Verein zur Erinnerung an Johanna und Eduard Arnhold daran gearbeitet, um diese Taufe zu ermöglichen. Die Piazetta am Kulturforum in Berlin hat einen neuen Namen. Johanna und Eduard Arnhold Platz ist der freie schräg ansteigende Platz getauft worden. Endlich sind diese großartigen Menschen gewürdigt worden. Das Ehepaar Arnhold wohnte gleich um die Ecke in der Regentenstraße zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die versunkene Welt der Arnholds wird wiederbelebt und der Name, der fast verloren gegangen wäre, ist aus der versunkenen Welt wieder aufgetaucht.

Foto: C. Wollmann-Fiedler

James Simon, ein weiterer Berliner Mäzen, der Nachbar des Ehepaares Arnhold in diesem exklusiven Viertel wurde bereits vor Jahren gleich um die Ecke auf der Museumsinsel mit der James-Simon-Galerie geehrt, die David Chipperfield und seine Architekten gebaut haben. Ohne James Simons Mäzenatentum wäre die Büste der ägyptischen Königin „ Nofretete“ nie in Berlin angekommen.

Die Geschichte der römischen Villa Massimo ohne Eduard und Johanna Arnhold wäre nicht denkbar. Der französische Staat und andere Länder hatten bereits in der weltbekannten und vielbesuchten „Ewigen Stadt“ am Tiber ihre Kunst- und Künstlervillen eingerichtet. Der jüdische Großindustrielle Eduard Arnhold, Kunstsammler und Millionär liebte Italien und seine Kunstschätze. Seine Leidenschaft war so groß, dass er 1903 die Villa Bellagio, das Haus und Atelier Arnold Böcklins, nach dessen Tod, in San Domenico oberhalb Fiesoles in der damaligen Provinz Florenz für sich und seine Familie kaufte. Die Villa Romana in Florenz unterstützte der Kunstmäzen bereits finanziell, doch eine Akademie in Rom war sein Ziel. In ländlicher Umgebung außerhalb Roms fand er endlich das Gesuchte und kaufte der Familie Prina-Ricotti das Landhaus Villino mit heruntergekommenem Park ab, einem ehemaligen Besitz der fürstlichen Familie Massimo. Der preußische Bildhauer Louis Tuaillon begleitete Arnhold damals in Italien Der Architekt und Maler Maximilian Zürcher, der aus der Schweiz kam und seit Jahren in Italien lebte entwarf die italienische Villenarchitektur, baute die Villa Massimo und gestaltete die Parkanlage. So entstand ein verwunschener Park mit großer Zypressenallee, ein Haupthaus, zehn Ateliers und dazugehörige Wohnungen für die Künstler. 1912 bekam der erste Künstler den Rompreis in dem Deutschen Künstlerrefugium. Ein Vermögen hat Eduard Arnhold für die Akademie ausgegeben. 1913 schenkte er dem preußischen Staat das Künstlerhaus und gab noch eine „Mitgift“ von 680.000 Reichsmark hinzu. 1914 begann der 1. Weltkrieg, die Villa wurde geschlossen und erst 1928 wiedereröffnet. Dr. Herbert Gericke und später seine Tochter Dr. Elisabeth Wolken, Nachkommen des Gründers, leiteten über viele Jahre die berühmte Villa. Lavinia Wolken, die Tochter von Elisabeth Wolken kam aus Rom nach Berlin und hielt eine berührende Rede im Namen ihrer Mutter.

Villa Massimo, Foto: C. Wollmann-Fiedler

Viele berühmte Künstler gingen in den vielen Jahren aus der Villa Massimo hervor. Einer muss besonders erwähnt werden: Felix Nussbaum, der Maler aus Osnabrück, der später ein eigenes Atelier in Berlin hatte. Die hohe Auszeichnung wurde ihm in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts zuteil und 1933 verbrachte er aufgrund seiner hervorragenden künstlerischen Arbeit das Jahr in der begehrten Villa Massimo in Italien, in dem Land, wo die Zitronen blühen. Zehn Jahre später wurde er aufgrund seiner jüdischen Herkunft durch Europa gehetzt und 1944 von den Deutschen, die ihn einst für den hohen Preis auswählten, in Ausschwitz ermordet.

„Die Deutsche Akademie Rom Villa Massimo“ feiert auf dem berühmten Platz in Berlin jetzt im Juli 2025 ein Erntedankfest mit dem Titel UND IMMER WIEDER SÄT MAN AUS DEM SAMEN. An den 100. Todestag des Stifters Eduard Arnhold  wird  gedacht. Zu Beginn der Feier wird die Informationsstele zu Johanna und Eduard Arnhold vor dem Kulturforum auf dem umbenannten Platz enthüllt. Gewesene Stipendiaten der Villa Massimo sind unter den Gästen und ergänzen das Fest mit ihrem künstlerischen Programm.

„Auf Initiative des Vereins zur Erinnerung an Johanna und Eduard Arnhold sowie der Stiftung Preußischer Kulturbesitz tragen das Kulturforum und alle Anrainer-Einrichtungen seit dem 5. November 2024 die Adresse Johanna und Eduard Arnhold Platz. Die Villa Massimo nimmt das Todesjahr ihres Stifters zum Anlass, um an die Arnholds und ihr philanthropisches Wirken zu erinnern. Vergangenheit, Gegenwart und mögliche Zukunft der Villa Massimo sollen beleuchtet werden“, so Julia Draganović, Direktorin der Villa Massimo Rom.

Der Johanna und Eduard Arnhold Platz wird lebendig mit dem berühmten Namen, ihn mit Leben füllen, nicht nur durch das angebrachte Namensschild, auch die Stele wird dazu beitragen, die eine gute Information für die Besucher sein soll und neugierig machen soll.

Natürlich gibt es noch sehr viel mehr über den Mäzen Arnhold zu erzählen. Wer mehr wissen möchte, sollte das kleine Büchlein der Jüdischen Miniaturen von Peter von Becker „Reichtum verpflichtet – Unternehmer und Kunstmäzen“ lesen.