„Aus der Tiefe des Abgrunds“

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Foto: Zeev Stein, Piwiwiki Israel, CC BY 2.5

Am 30. Januar kam Gadi Moses frei. Er wurde am 7. Oktober aus dem Kibbutz Nir Oz entführt wurde. Gadi, 80 Jahre alt, ist Landwirt, dem Boden, der Kibbutzarbeit verbunden. Im Moment sind die Kibbutz-Mitglieder in Karmei Gat untergebracht. Gadi hat nun einen Brief an seine Gemeinschaft gerichtet, in dem er zum Wiederaufbau des Kibbutz aufruft.

Wir dokumentieren seine Worte in deutscher Übersetzung:

An alle meine Freunde in Nir Oz!

Gestern trafen wir uns zum ersten Mal nach etwa 500 Tagen der Dunkelheit und Finsternis. Unser Zuhause wurde zerstört und wir alle haben unsere liebsten und teuersten Menschen verloren.
Unser Haus brannte nieder und unser Besitz wurde in alle Winde zerstreut. Wir haben, jeder für sich und alle zusammen, Momente des Schreckens und der Angst durchlebt.
Ich sah die existenziellen Fragezeichen und die Unsicherheit in Euren Gesichtern. Ich sah die Angst und Wut darüber, dass wir alleine gelassen und aufgegeben wurden, von denjenigen, die für unsere Sicherheit verantwortlich waren.
Ich teile alle Ängste und Unsicherheiten.
Doch aus der Tiefe des Abgrunds, in dem wir uns befinden, habe ich beschlossen, mich bereit zu machen, die Ärmel hochzukrempeln und mich all jenen anzuschließen, die wollen, dass unsere Heimat, Nir Oz, wieder ein lebendiges und warmes Zuhause wird, ein Zuhause, das Kultur und Bildung, Gesundheit und Kreativität, Hoffnung und Sicherheit bietet.

Ich rufe alle auf, aufzustehen und Schulter an Schulter zu arbeiten, damit dies so schnell wie möglich geschieht.
Ich habe Verständnis für diejenigen, deren Kräfte erschöpft sind und die sich jetzt im Moment nicht anschließen können. Ich verstehe, dass jeder die Katastrophe anders verarbeitet, aber ich vertraue auf meine Fähigkeit und auf unsere Fähigkeit insgesamt, aufzustehen, auf eigenen Beinen zu stehen und unser Zuhause, Nir Oz, wieder aufzubauen.

Zeit ist ein sehr wichtiger Faktor. Bei allem Respekt für unsere neuen und geräumigen Häuser in Karmei Gat, unser Platz ist nicht in Wohnblocks in Kiryat Gat, sondern in ebenerdigen Häusern an der frischen Luft und neben unseren Feldern in Nir Oz.

Ich schließe mich all jenen an, die ihr Vertrauen in unsere Fähigkeit, die Dunkelheit zu vertreiben und das Licht zu sehen, nicht verloren haben, wie es in dem Lied heißt: „Wir sind gekommen, um die Dunkelheit zu vertreiben, mit Licht und Feuer in unseren Händen. Jeder für sich ist ein kleines Licht und wir alle zusammen sind ein starkes Licht. Weiche Finsternis, fort mit der Dunkelheit, weiche vor dem Licht“

„Wir sind nicht des Weges müde, sondern des Pfades.“*
Lasst uns an die Arbeit gehen!

Gadi

* Das Motto des Kibbutz Nir Oz seit seiner Gründung im Jahr 1955. Der Satz stammt von Meir Yaari, dem Führer der Mapam Partei, während eines Treffens mit Partisanen, die die Schoah überlebt hatten.