Letzte Woche verstarb plötzlich und unerwartet Bernhard Purin, der Direktor des Jüdischen Museums München, im Alter von nur 60 Jahren.
Der Kulturwissenschaftler wurde 1963 in Bregenz geboren. Er studierte empirische Kulturwissenschaften und Geschichte an der Universität Tübingen. Anschließend war er am Aufbau des Jüdischen Museums Hohenems beteiligt und von 1992 bis 1995 Kurator am Jüdischen Museum der Stadt Wien. Purin legte zudem mehrere Publikationen zur jüdischen Kultur und Geschichte vor.
1996 übernahm der Kulturhistoriker die Leitung des neu gegründeten Jüdischen Museums Franken in Fürth. Binnen weniger Jahre machte er aus dem ursprünglich als Regionalmuseum konzipierten Haus eine von der internationalen Fachwelt hochgelobte Einrichtung. Mit kritischen und frechen Ausstellungen wurde die wechselvolle deutsch-jüdische Geschichte eindrücklich dargestellt. Dennoch stand die Institution permanent unter dem moralischen Beschuss einer kleinen, aber lautstarken Gruppe, die dem renommierten Museumsexperten vorwarf, Hass und Vorurteile gegen die jüdische Minderheit zu schüren. Gleichfalls missfiel den Kritikern die Ausrichtung des Hauses, das sich ausdrücklich nicht als eine Gedenkstätte der Shoa begriff.
Bernhard Purins ungewöhnlicher und innovativer Blick auf die jüdische Geschichte, in der nicht nur die Opferperspektive im Mittelpunkt stand, sondern insbesondere das lebendige Judentum in Deutschland thematisiert wurde, veranlassten die Stadt München ihn 2003 als Gründungsdirektor des Jüdischen Museums München zu berufen und dort die konzeptionelle Gestaltung zu übernehmen.
Unter der Leitung von Bernhard Purin und seinem engagierten Team wurde das Jüdische Museum München zu einem Publikumsmagneten und stieg in die erste Liga der europäischen jüdischen Museen auf. „Wir wollen zeigen, dass es viele Möglichkeiten gibt, jüdische Identität zu haben. Religion ist ein ganz wichtiger Aspekt, aber nicht der einzige“, erklärte Purin zur Ausstellungseröffnung 2007. Und dieser Anspruch wurde konsequent umgesetzt. Zudem war Purin international gut vernetzt: er gehörte der Association of European Jewish Museums an, einige Jahre als Vorstandsmitglied, saß in diversen wissenschaftlichen Beiräten und war federführend an der Errichtung des Erinnerungsorts Olympia-Attentat in München beteiligt.
Neben der Dauerstellung „Stimmen-Orte-Zeiten“ informiert das Museum zur Münchner jüdischen Geschichte und Gegenwart und lädt zum Dialog ein. Dabei werden Stimmen von Zeitzeugen, Ritualobjekte, Fotografien, Videos und Comicstrips präsentiert, die gewohnte Sehweisen zur jüdischen Geschichte, Kultur und Religion aufgebrochen und zur Diskussion gestellt. Regelmäßige Wechselausstellungen wie etwa „Judn ohne Wiesn. Begegnungen mit Münchnerinnen und Münchnern in Tracht“, „Never Walk Alone. Jüdische Identitäten im Sport“, „MAX FRANKENBURGER (1860–1943). Fahrradpionier und Privatgelehrter“, „Krieg! Juden zwischen den Fronten 1914–1918“, „Sieben Kisten mit jüdischem Material. Von Raub und Wiederentdeckung 1938 bis heute“, „Bier ist der Wein dieses Landes. Jüdische Braugeschichten“ und die aktuelle Schau „München Displaced. Der Rest der Geretteten“, um nur einige der zahlreichen Exhibitionen aus den letzten 17 Jahren zu nennen, werfen spannende und ungewohnte Schlaglichter auf die reichhaltige deutsch-jüdische Geschichte.
Der plötzliche Tod Bernhard Purins ist nicht nur ein schmerzlicher Verlust eines außergewöhnlichen und politisch engagierten Menschen. Noch letzte Woche erklärte er gegenüber der Süddeutschen Zeitung, warum es wichtig ist, für unsere Freiheit und Demokratie zu demonstrieren. „Ich gehe zur Demo, weil ich seit mehr als zwanzig Jahren in einer Kulturinstitution arbeite und miterlebt habe, wie in vielen Nationen meist (rechts-) populistische politische Kräfte versuchten, die Geschichte ihrer Gesellschaft umzuschreiben“, sagte er. Die terroristischen Anschläge auf die Zivilbevölkerung in Israel vom 7. Oktober 2023 habe auch in Deutschland Antisemitismus ansteigen lassen.
Wir verlieren mit Bernhard Purin einen engagierten und kompetenten Kollegen, der mit seinen Forschungen und seiner musealen Vermittlungsarbeit neue Standards gesetzt hat.
Lieber Bernhard, wir werden dich vermissen!
Jim Tobias, nurinst e. V. – Nuremberg Institute for Holocaust Studies