Massive Zunahme antisemitischer Vorfälle in Bayern

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148 antisemitische Vorfälle in Bayern hat die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) Bayern zwischen dem 7. Oktober und dem 9. November dokumentiert. Das ist eine Steigerung von 285% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. 91% der dokumentierten Vorfälle stehen im Bezug zum antisemitischen Massaker der Hamas und der daraus folgenden israelischen Militäroperation in Gaza; 79% sind dem israelbezogenen Antisemitismus zuzuordnen. 30% bedienten Motive der Abwehr der Erinnerung an die Schoa, wobei in 18% der Fälle beide Formen von Antisemitismus vorlagen.

Auf 24 Versammlungen wurde antisemitischer Terror gebilligt, Israel dämonisiert und delegitimiert oder anderweitig antisemitische Inhalte verbreitet. In München riefen israelfeindliche Gegendemonstranten am Rande einer Kundgebung auf Arabisch die Parole „Juden, (…), die Armee Mohammeds kommt wieder!“ – eine antisemitische Morddrohung. 20% der zuordenbaren Vorfälle hatten einen islamischen bzw. islamistischen politischen Hintergrund, eine auffällige Steigerung zu 1% im gesamten Jahr 2022. RIAS Bayern dokumentierte zwei Angriffe, elf Bedrohungen und neun gezielte Sachbeschädigungen. 39 Vorfälle ereigneten sich im Internet, 109 offline. 124 Vorfälle wurden als „verletzendes Verhalten“ kategorisiert, darunter fallen 27 Versammlungen. RIAS Bayern geht von einer großen Dunkelziffer aus.

„148 antisemitische Vorfälle in einem Monat seit dem Hamas-Massaker sind eine ungekannte Explosion von Antisemitismus seit dem Bestehen von RIAS Bayern. Viele Jüdinnen und Juden fühlen sich in ihrer Heimat nicht mehr sicher. Hinzu kommen Kälte, Empathielosigkeit und mitunter die Entsolidarisierung bisher Verbündeter. Die Betroffenen von Antisemitismus werden regelrecht verhöhnt“, sagt RIAS-Bayern-Leiterin Annette Seidel-Arpacı

„In den Vorfallszahlen nicht sichtbar sind die Bitten um Rat und Unterstützung jenseits konkreter Vorfälle. Mit dem 7. Oktober ist das alltägliche Dauerrauschen des Antisemitismus zu einem lauten Grollen geworden. Dass man nach dem unfassbar grauenhaften Pogrom im Süden Israels nahtlos dazu übergehen kann, israelische Restaurants und Juden und Jüdinnen in Bayern zu bedrohen und anzugreifen, macht erneut deutlich, dass es egal ist, was Israel tut oder nicht tut. Israel ist ‚der Jude unter den Staaten‘, ideell aus der Staatengemeinschaft ausgeschlossen und stets unter ‚Verdacht‘. Während man meist praktischerweise von ‚den Zionisten‘ spricht, um nicht ‚die Juden‘ sagen zu müssen, wurde im Zuge der Anfeindungen und Übergriffe der letzten Wochen sehr deutlich, worum es geht – um Hass auf Juden, hier wie gegenüber Israel“, so Seidel-Arpacı.

RIAS Bayern hat bereits 2021 eine Broschüre zum Thema israelbezogener Antisemitismus unter dem Titel „From the river to the sea“ veröffentlicht. Sie ist online einsehbar und unter info@rias-bayern.de kostenfrei bestellbar. Außerdem bietet RIAS Bayern mit „Multidirektionale Angriffe auf die Erinnerung“ eine umfassende Veröffentlichung zum Thema Post-Schoa-Antisemitismus. Auch sie ist online und gedruckt verfügbar. Antisemitische Vorfälle, auch solche unterhalb der Strafbarkeitsschwelle, können unter www.rias-bayern.de oder unter 089 1 22 23 40 60 gemeldet werden. RIAS Bayern existiert seit 2019, befindet sich in der Trägerschaft des Vereins für Aufklärung und Demokratie e.V. (VAD) und wird vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales gefördert.