Aiwanger bleibt

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Bayerns Ministerpräsident Söder hält an seinem Vize fest, nachdem Hubert Aiwanger den Fragenkatalog beantwortet hat. Wenn man das so nennen kann. Die Reaktionen aus den beiden Münchner jüdischen Gemeinden…

„Für uns macht Ministerpräsident Markus Söder seine Beteuerungen, als Bollwerk für jüdisches Leben und gegen jeglichen Antisemitismus zu stehen mit dieser Entscheidung unglaubwürdig,“ sagt Eva Ehrlich, Vorsitzende der Liberalen jüdischen Gemeinde Beth Shalom und bedauert die Entscheidung des Ministerpräsidenten.

Die Gemeinde sieht sowohl diese Entscheidung als auch die Begründung kritisch:

„Ministerpräsident Söder schätzt Aiwangers Reue als aufrichtig ein. Grundlegend können wir im Umgang von Hubert Aiwanger mit den Vorwürfen keine deutliche Haltung erkennen. Er leugnet stets entweder die Beteiligung oder verweist auf Erinnerungslücken. Sowohl in seinen Aussagen der vergangenen Tage als auch in der öffentlich gemachten Beantwortung der 25 Fragen verhält er sich durchweg ausweichend.

Mit diesem Verhalten übernimmt Aiwanger keine Verantwortung für seine Taten. Er entschuldigt sich lediglich kollektiv für Verletzungen, die er zuvor aber dementierte verursacht zu haben. „Nach dem, wie Hubert Aiwanger mit seiner Geschichte umgeht, kann ich seine Entschuldigung nicht als aufrichtig wahrnehmen und damit natürlich auch nicht annehmen,“ sagt Ruth Zeifert, Sprecherin von Beth Shalom.

Ministerpräsident Söder argumentiert hauptsächlich mit der Zeit, die seit dem Vorfall vergangen ist und der Einzigartikeit des Vorfalls in Aiwangers Lebenslauf. Welche Einzigartigkeit hier angesprochen ist, bleibt offen: Flugblatt, Judenwitz oder Hitlergruss? Allein der Eklat um die als rechtspopulistisch kristisierte Rede in Erding kürzlich verweist darauf, dass solches Verhalten in einer Kontinuität steht. Als jüdische Gemeinde sehen wir Aiwangers Verhalten nicht als Einzelfall.

Auch sind Hitlergrüße und Auschwitzwitze keine verjährende Jugendsünden – erst recht nicht, wenn deren Thematisierung von Aiwanger zum Anlass genommen wird, sich selbst als Opfer einer Verschwörung zu stilisieren. Wir sehen hierin keine Läuterung seiner Haltung sondern in dem Versuch der Schuldumkehr eine Bestätigung dieser.

Die von Ministerpräsident Söder als zwingend angekündigte Aufklärung als Grundlage einer weiteren Zusammenarbeit hat nicht stattgefunden.“

„Das war vor 36 Jahren nötig, und das ist es heute immer noch“

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Dr. h.c. mult. Charlotte Knobloch, erklärte:

„Die Entscheidung von Ministerpräsident Söder, Wirtschaftsminister Aiwanger im Amt zu belassen, ist politisch zu akzeptieren. Ich weiß, dass der Ministerpräsident diese Entscheidung als Ergebnis einer schwierigen Abwägung getroffen hat mit dem Ziel, einen gangbaren Weg für die Zukunft aufzuzeigen. Inwieweit es Hubert Aiwanger nun gelingen wird, die Vorwürfe, die noch im Raum stehen, mit Worten und Taten zu entkräften, wird sich dabei zeigen. Er muss Vertrauen wiederherstellen und deutlich machen, dass seine Aktionen demokratisch und rechtlich gefestigt sind. Die Türen der jüdischen Gemeinschaft waren für ihn immer offen.“

Diese jüdische Gemeinschaft und alle Menschen in Bayern erwarteten zu Recht politisch stabile Verhältnisse und eine Staatsregierung, die sich klar gegen alle Formen von Extremismus wende, so Knobloch weiter: „So war es bisher, und so muss es auch nach dem 8. Oktober sein.“ Sie selbst bleibe dem Ministerpräsidenten für seinen großen Einsatz für eine jüdische Zukunft in Bayern äußerst dankbar und wünsche ihm weiterhin viel Kraft und Mut für seine Aufgaben.

Knobloch betonte zugleich: „Für uns waren die vergangenen Tage eine enorme Belastung. Der Vorfall hat gezeigt, welche Schäden Extremismus in der Gesellschaft anrichten kann, und ich erneuere meinen dringenden Appell, Erinnerungsarbeit gerade bei jungen Menschen stärker zu verankern. Das war vor 36 Jahren nötig, und das ist es heute immer noch.“

Abschließend ging Knobloch auch auf die Rolle der „Süddeutschen Zeitung“ in der Angelegenheit ein. „Ich möchte betonen: Man kann einer Zeitung keinen Vorwurf machen, wenn sie drängende Themen, die an sie herangetragen werden, an die Öffentlichkeit bringt. Das war und ist für mich ganz klar auch hier der Fall.“

Bild oben: Aiwanger im Bayerischen Landtag (2016), Foto: Michael Lucan / CC BY-SA 3.0 de