Foto-Sonderausstellungen im Focke-Museum

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Blick in die Ausstellung, (c) Focke Museum, Martin Luther

Über drei Generationen betreibt die jüdische Familie Frank erfolgreich ein Fotoatelier in Lilienthal. Sie ist in diversen Vereinen aktiv und in ihrem Heimatort gesellschaftlich integriert, bis sie nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten Opfer des Antisemitismus wird. 1936 rettet sich der letzte der Fotografen-Dynastie nach Amerika. In ihrem Heimatort Lilienthal vergisst man die früheren Freunde, bis der Heimatverein Jahrzehnte später zufällig auf die Geschichte aufmerksam wird, zu recherchieren beginnt und dann das Focke-Museum miteinbezieht.

Nun zeigt das Bremer Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, das mit dem Heimatverein Lilienthal den Nachlass der Franks vor zwei Jahren erhielt, vom 9. November bis zum 26. Februar 2023 eine große Sonderschau mit diversen Originalabzüge und erzählt anhand persönlicher Gegenstände die Geschichte der Familie. Dr. Karin Walter, Fotohistorikerin und Kuratorin des Focke-Museums, arbeitete dafür den Nachlass aus Fotografien, Negativen, Fotoalben, persönlichen Briefen und behördlicher Korrespondenz auf. Ab dem 12. November ist außerdem die Ausstellung „Olaf Schlote – Memories“ zu sehen. Der Bremer Fotokünstler fotografierte in den Gedenkstätten der Vernichtungslager und porträtierte in Israel Überlebende des Holocausts und fing Assoziationen ihres Alltages ein.

Der Gründer des Fotoateliers, Julius Frank (1845 bis 1906), arbeitet vor allem als Porträtfotograf. Sein Sohn Henry (1879 bis 1931) erkennt das Potenzial der aufkommenden Begeisterung der Städter für das ländliche Umland und fängt die Landschaft des Teufelmoors in künstlerisch ambitionierten Aufnahmen ein, die er als Postkarten und Abzüge unter dem Firmennamen Fotoatelier Julius Frank im eigenen Verlag vertreibt: Schwarze Torfschiffe, wettergegerbte Bäuerinnen und Bauern, vom Wind gebeugte Birken am Kanal, schiefe Katen im Moor – Motive, wie sie auch die Worpsweder Maler und Malerinnen für ihre Gemälde wählen. Henry Franks Arbeiten verkaufen sich nicht nur gut, sie erhalten auch zahlreiche Auszeichnungen und machen ihn in Fachkreisen bekannt: Er wird eingeladen, Gründungsmitglied der Gesellschaft Deutscher Lichtbildner (GDL) zu werden.

Frühling im Moor (c) Julius Frank, Focke-Museum

Auf diesem Fundament kann sein Sohn Julius (1907 bis 1959) aufbauen, als er 1931 nach dem frühen Tod des Vaters das Geschäft, zu dem mittlerweile auch ein florierender Fotohandel gehört, übernimmt. Julius verkauft weiterhin Abzüge seines Vaters, gleichzeitig erweist er sich selbst als künstlerisch ebenso ambitioniert. Anders als der Vater inszeniert er seine Motive und Protagonisten nicht, er nimmt auch zufällig Beobachtetes auf und wählt aus mehreren Aufnahmen die beste aus. Fotografien der Franks werden gerne zur Illustrierung von Büchern genutzt, insbesondere für Werke der Heimatliteratur, bis der um sich greifende Antisemitismus dies unmöglich macht. Die Anfeindungen nehmen zu, der Boykott jüdischer Geschäfte trifft die Franks. Auch auf der persönlichen Ebene leiden sie unter den Anfeindungen; der begeisterte Turner Julius Frank darf beim Weihnachtsschauturnen 1935 nicht mehr mitmachen. Sein Turnhemd nimmt er ins Exil nach Amerika mit, auch dieses Objekt ist jetzt in der Ausstellung zu sehen.

1936 verkauft Frank das Fotoatelier und den -handel weit unter Preis an einen arischen Profiteur. Mit drei Kameras im Gepäck emigriert er in die USA und holt ein Jahr später seine Freundin und spätere Frau Hildegard und seine Mutter nach. Der Neuanfang gelingt: In Detroit übernimmt er eine leitende Stellung bei Multicolor, gleichzeitig stellt er seine Aufnahmen aus Deutschland aus, die auf große Resonanz stoßen. 1949 beginnt er im Labor des wohl berühmtesten Architektur-Fotografen der Nachkriegszeit, Julius Shulman, dessen Abzüge er entwickelt. Parallel dazu fotografiert er in amerikanischen Nationalparks und setzt statt der Birken im Teufelsmoor Baumriesen in Szene. Er lichtet Mode ab, arbeitet für die Werbung und beschäftigt sich ebenfalls mit Architekturfotografie. Mit nur 52 Jahren stirbt er 1959 an einem Herzinfarkt. Seine drei Kinder ergreifen andere Berufe, die Fotodynastie Frank endet.

Erstmals erinnert nun eine große Sonderausstellung an das fotografische Erbe der Franks, die wie so viele andere jüdische Fotografen und Fotografinnen lange vergessen waren. In der Schau sind 110 Fotografien zu sehen, darunter sehr viele Originalabzüge, auf deren Rückseiten die früheren Ausstellungen notiert sind, dazu Fotoalben, mit ihren Aufnahmen illustrierte Bücher und Urkunden.

Olaf Schlote – Memories

Der Bremer Fotokünstler Olaf Schlote begibt sich in den 1990er-Jahren erstmals auf Spurensuche an die Erinnerungsorte des nationalsozialistischen Terrorregimes, zum Beispiel in die Gedenkstätten der ehemaligen Vernichtungslager Auschwitz und Majdanek. In seinen Werken versucht er, das sich dem dokumentierenden Blick entziehende Unbegreifliche und nicht Nichtdarstellbare der deutschen Verbrechen an den Juden auszudrücken. Nicht der Wiedergabe der äußeren Wirklichkeit gilt sein Interesse, sondern den Emotionen, Erinnerungen und Ahnungen, die seine Arbeiten beim Betrachten auslösen.

Mehr als zwei Jahrzehnte später erweitert er sein Projekt „Memories“ um einen neuen Werkzyklus. Er porträtiert Überlebende des Holocaust und interviewt sie zu ihrem Leben, weil er sie nicht als Opfer, sondern samt ihrer Lebensleistung darstellen wollte. In der Ausstellung sind ihre Porträts als Leuchtkästen wie eine Menschengruppe aufgestellt. Auch zeigt er ihre Lebensräume in Israel, die Bäume, die sie immer wieder an Europa erinnern, das Meer, das zwischen Israel und Europa liegt und Weite und Ferne symbolisiert.

Besucher vor den Porträts, (c) Focke-Museum, Martin Luther

Und überall Spuren des Lebens und der Vergänglichkeit: die abgenutzten Jalousien im arabischen Viertel von Haifa; alte Autos, mit denen Menschen Ausflüge unternommen haben; Plakate und Farbschichten, die sich im Laufe der Zeit veränderten. Auch diese Fotografien lassen Raum, eigene Assoziationen zu entwickeln. Der Bremer Designer und Möbelbauer Peter Heidhoff hat eigens für die Präsentation einer Reihe von Aufnahmen Stelen aus Holz gebaut. Die von Dr. Karin Walter zusammen mit Olaf Schlote kuratierte Zusammenstellung zeigt etwa 70 Aufnahmen, die nun erstmals zu sehen sind. Die bereits für Mai 2020 geplante Präsentation in Bremens Partnerstadt Haifa musste aufgrund der Corona-Pandemie verschoben werden, sie wird zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt.

„Julius Frank. Eine jüdische Fotografenfamilie zwischen Deutschland und Amerika“, 9. November 2022 bis 26. Februar 2023. Im Verlag Dölling und Galitz ist ein Katalog zur Frank-Ausstellung erschienen, der 160 Seiten und 100 Abbildungen umfasst; 32 Euro, ISBN 978-3-86218-160-5.

„Olaf Schlote – Memories“, 12. November 2022 bis 26. Februar 2023. Im Kerber-Verlag ist der gleichnamige, 208-seitige Bildband erschienen, der 44 farbige und 27 s/w Abbildungen enthält; ISBN 978-3-7356-0655-6; 40 Euro, im Focke-Museum 36 Euro.

Bild oben: Blick in die Ausstellung, (c) Focke-Museum, Martin Luther