Deutsche und ukrainische Sinti und Roma verschiedener Generationen sprachen beim virtuellen Gedenken des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma über den Holocaust und den russischen Angriffskrieg.
Mit einer berührenden Veranstaltung wurde am 2. August im ehemaligen Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau der 500.000 Sinti und Roma gedacht, die im nationalsozialistisch besetzten Europa ermordet wurden. Dabei erinnerte der Überlebende Christian Pfeil aus Trier an seine getöteten Angehörigen. Und mit dem thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow sprach am Europäischen Holocaustgedenktag für Sinti und Roma dort erstmals ein deutscher Bundesratspräsident.
Parallel dazu hat das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg wiederum ein Gedenkvideo als dauerhafte Mahnung gegen den heute erneut verstärkt um sich greifenden Antiziganismus online veröffentlicht. Damit soll ebenfalls der letzten 4300 Sinti und Roma gedacht werden, die in der Nacht vom 2. zum 3. August vom Lagerabschnitt B II e in die Gaskammern von Auschwitz verschleppt wurden und qualvoll verstarben. Wegen des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine soll gleichzeitig angesichts der vielen Toten innegehalten werden.
In der Aufnahme erzählt die deutsche Sinteza Lore Georg von der Deportation ihrer Familie nach Polen und ihrem Aufwachsen in der Nachkriegszeit. Die ukrainische Romni und Dichterin Raisa Nabaranchuk konnte gemeinsam mit ihren beiden Schwestern vor dem Krieg in ihrer Heimat flüchten und berichtet von ihrer Großmutter, die deutsche Besatzer getötet haben.
Die Großeltern von Marion Bamberger waren in Auschwitz inhaftiert und haben dort zwei kleine Söhne verloren. Der 53-Jährige weiß aus eigener Erfahrung, dass die zweite Generation ebenso belastet ist wie die Überlebenden des Völkermords. „Das Schrecklichste am Krieg ist, dass die Kinder darunter leiden, völlig unschuldige, kleine Kinder“, sagt Oksana Dorosh aus der Region Odessa, die mit ihren vier Kindern nach Deutschland gekommen ist. Und die junge Olga Dementova erzählt von ihrem Opa, der den Zweiten Weltkrieg überlebt hat, und dem Schmerz, den sie seit dem Angriff auf die Ukraine mit ihm teilt.
Musikalisch umrahmt werden die Interviews von den Jungen und Mädchen des Projekts „Musik statt Straße“ aus dem bulgarischen Sliven. Die Initiatoren sind der Geiger und Rom Georgi Kalaidjiev und seine Lebensgefährtin Maria Hauschild aus Gießen. Zu hören ist auch das ukrainische Volkslied „Plyve Kacha“, das Vilhelm Pap und Eduard Pope eingespielt haben.
Mit Roberta Metsola, der Präsidentin des Europäischen Parlaments, und Věra Jourová, der Vizepräsidentin der EU-Kommission, haben hochrangige Politikerinnen ebenso Statements übermittelt wie Dr. Mehmet Daimagüler, der Antiziganismusbeauftragte der Bundesregierung.
Wesentlicher Bestandteil des virtuellen Gedenkens ist darüber hinaus die Ansprache von Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, die er am 2. August bei der Zeremonie im ehemaligen Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau gehalten hat.
Das virtuelle Gedenken kann unter www.roma-sinti-holocaust-memorial-day.eu/de/ angeschaut werden.
Foto: Raisa Nabaranchuk (Mitte) wurde 1943 geboren und ist als Dichterin in der Ukraine bekannt. Ihre Großmutter wurde von deutschen Besatzern ermordet. Gemeinsam mit ihren Schwestern Alina Markowskaja (links) und Tatjana Kazimirenko konnte sie nach Deutschland fliehen. Die drei Roma-Frauen werden maßgeblich vom „Hilfswerk für Überlebende der NS-Verfolgung in der Ukraine“ unterstützt. Foto: Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma