Antisemitische „Klassiker“ bei der Neuen Rechten

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Das „Institut für Staatspolitik“ der Neuen Rechten veröffentlicht eine neue Reihe „Studientexte zur Politik“. Der erste Band stammt von Charles Maurras, einem antidemokratischen Anhänger eines „integralen Nationalismus“. Dass er ein fanatischer Antisemit war, kann angesichts solcher Positionierungen nicht verwundern. Gleiches gilt für die Einsicht, dass ein solcher „Klassiker“ als ein neuer Vordenker vorgestellt wird.

Von Armin Pfahl-Traughber

Antisemitismus ist für die Neue Rechte kein Thema. Er wird den Linken oder Muslimen zugeschoben, im eigenen Lager sieht man solche Prägungen nicht. Dabei lassen sich doch immer wieder latente Einstellungen in den Texten erkennen oder man beruft sich auf antisemitische Klassiker für das eigene Selbstverständnis. Das macht dann auch das „Institut für Staatspolitik“ (IfS) mit einer neuen Schriftenreihe „Studientexte zur Politik“ deutlich. Der erste dort erschienene Band ist mit „Meine politischen Gedanken“ betitelt und stammt von Charles Maurras (1868-1952). In Deutschland ist der französische Nationalist kaum bekannt, auch nicht im rechtsextremistischen Lager. Denn die Deutschfeindlichkeit war prägend für Maurras‘ Nationalismus. Darüber hinaus plädierte er für die erneute Etablierung einer Monarchie als Staatsordnung, was ebenfalls im deutschen Nachkriegsrechtsextremismus wenig Zustimmung finden konnte. Demnach will die Edition des IfS dann Maurras erst einmal zur breiteren Rezeption in ihrem politischen Umfeld bekannt machen.

Dazu dient auch eine ausführliche Einleitung, die von dem habilitierten Archäologen Markus Sanke verfasst wurde. Er liefert eine ausführliche Darstellung zu Leben und Werk. Dabei wird der Antisemitismus als Schattenseite nicht ausgeblendet, was angesichts der eindeutigen Judenfeindschaft von Maurras nur schwer möglich gewesen wäre. Gleichwohl erweckt der Autor den Eindruck, dass die Erinnerung daran ihn primär als „Kinderschreck“ zeigen wollen würde. Es ist auch von „Antijudaismus“ (S. LVII) und nicht von Antisemitismus bei Maurras die Rede. Der entsprechend motivierte Aufruf, Léon Blum als französischen Ministerpräsidenten umzubringen, wird nicht verschwiegen. Es heißt: „Er fordert, den Juden Blum‚ zu erkennen, zu bekämpfen und abzuschlachten‘“ (S. XLIII). Bereits zuvor hatte er dies gegenüber dem ebenfalls jüdischen Innenminister Abraham Schrameck gefordert, was indessen kein Thema ist. Immerhin heißt es: „Maurras stützt … das Vichy-Regime, auch in seiner fremden- und judenfeindlichen Gesetzgebung“ (S. XLVII).

Ausgerechnet mit einem solchen Autor beginnt demnach die vom IfS herausgegebene Reihe „Studientexte zur Politik“. Der Band „Meine Gedanken“ versammelt dann Maurras‘ Reflexionen zu unterschiedlichen Themen. Dabei verwirft er die Auffassungen von Demokratie, Freiheit und Gleichheit mit rigorosen Worten. „Es ist so, daß das große Übel nicht vom Kommunismus, nicht vom Sozialismus, nicht vom angeblich radikalen Staat, sondern von der Demokratie ausgeht“ (S. 57). Diese Auffassung leitete Maurras daraus ab, dass die genannten Auffassungen nicht der menschlichen Natur entsprechen würden. Sein Gegenmodell war ein „integraler Nationalismus“, der aus den Elementen monarchistische Herrschaft, korporative Organisation und katholische Staatsreligion bestehen sollte. Es verwunderte daher bezüglich Maurras nicht, dass er zu den aktivsten „Anti-Dreyfusards“ zählte. Dabei störten ihn nicht die Betrügereien gegen den jüdischen Offizier, der als solcher ein „fremdes Element“ in der französischen Nation gewesen sei.

Als Autor legte Maurras nie ein antisemitisches Werk vor. Indessen durchziehen seine zahlreichen Artikel, Aufsätze und Bücher judenfeindliche Ressentiments, die eher nebenher einschlägige Einstellungen verraten und Stereotype verbreiten. Auch in der deutschen Erstausgabe von „Meine politischen Gedanken“ heißt es etwa: „Dieser Messianismus leibhaftiger Juden, der durch seinen egalitären Wahnsinn auf den Höhepunkt getrieben wird …, hat alles gewagt, um einen absurden Glauben durchzusetzen, und wenn die Stunde der unausweichlichen Hoffnungslosigkeit kommt, bricht die jüdische Besessenheit alles“ (S. 63) oder: „Die Wahlausschüsse, die Geheimgesellschaften, die Staatsdiener, die jüdische Welt zwingen den ganzen enormen Mittelstand zu schändlicher Zurückhaltung“ (S. 69).

Es ist schon bezeichnend, dass ein antisemitischer Anti-Demokrat mit einschlägigen Gewalt-Phantasien eine Schriftenreihe eröffnet. Indessen gehört er so zu den Klassikern der extremistischen Neuen Rechten und wäre auch so mit deren Vordenker.

Bild oben: Charles Maurras, 1937